Medien

Die Tugend der Neugier im Journalismus

Wenn Medienschaffende bloss abfragen, statt nachzufragen, dann fehlt ihnen, was guten Journalismus ausmacht: Neugierde.

Christian Mensch 06.04.2024, 05.00 Uhr

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Die Neugierde hat ein Doppelgesicht. Sie kann sich sensationslüstern geben bis hin zum Voyeurismus. Sie kann jedoch auch Wissbegierde ausdrücken. Schon im Mittelalter unterschied der Mönch Thomas von Aquin deshalb zwischen der Curiositas, die auf Emotionen aus ist, und der Studiositas, die auf den Verstand zielt.

Für guten Journalismus ist Neugierde die Triebfeder schlechthin. Die Medienschaffenden müssen sich dafür nicht neu erfinden; schliesslich ist Neugierde ein angeborenes menschliches Verhalten, das Resultat einer evolutionären Entwicklung. Sie haben sich diese Neugierde bloss zu erhalten – was jedoch nicht immer den Fall zu sein scheint.

Man höre bloss oder lese die zahlreichen Scheingespräche, die sich als Interviews ausgeben. In den Fragen der Medienschaffenden ist häufig keinerlei Neugierde zu entdecken. Stattdessen sind sie blosse dramaturgische Versatzstücke, um den Monolog des Interviewten zu strukturieren. Oder rhetorische Steilvorlagen, um abzurufen, was man ohnehin zu wissen glaubt.

Dabei wäre es wichtig, dass die Neugierde auch zum Ausdruck kommt. Dies zeigt nicht zuletzt eine neue psychologische Studie über das komplexe Zusammenspiel von Neugier, dem Vertrauen in und dem Erkennen der Wichtigkeit von Information. Einfach gesagt: Echte Neugier steigert das Vertrauen in die Information.

Und ja, auch guter Journalismus hat ein Doppelgesicht: Er ist wissbegierig und doch der Sensation nicht abgeneigt.

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Wenn Medienschaffende bloss abfragen, statt nachzufragen, dann fehlt ihnen, was guten Journalismus ausmacht: Neugierde.

Die Neugierde hat ein Doppelgesicht. Sie kann sich sensationslüstern geben bis hin zum Voyeurismus. Sie kann jedoch auch Wissbegierde ausdrücken. Schon im Mittelalter unterschied der Mönch Thomas von Aquin deshalb zwischen der Curiositas, die auf Emotionen aus ist, und der Studiositas, die auf den Verstand zielt.

Für guten Journalismus ist Neugierde die Triebfeder schlechthin. Die Medienschaffenden müssen sich dafür nicht neu erfinden; schliesslich ist Neugierde ein angeborenes menschliches Verhalten, das Resultat einer evolutionären Entwicklung. Sie haben sich diese Neugierde bloss zu erhalten – was jedoch nicht immer den Fall zu sein scheint.

Man höre bloss oder lese die zahlreichen Scheingespräche, die sich als Interviews ausgeben. In den Fragen der Medienschaffenden ist häufig keinerlei Neugierde zu entdecken. Stattdessen sind sie blosse dramaturgische Versatzstücke, um den Monolog des Interviewten zu strukturieren. Oder rhetorische Steilvorlagen, um abzurufen, was man ohnehin zu wissen glaubt.

Dabei wäre es wichtig, dass die Neugierde auch zum Ausdruck kommt. Dies zeigt nicht zuletzt eine neue psychologische Studie über das komplexe Zusammenspiel von Neugier, dem Vertrauen in und dem Erkennen der Wichtigkeit von Information. Einfach gesagt: Echte Neugier steigert das Vertrauen in die Information.

Und ja, auch guter Journalismus hat ein Doppelgesicht: Er ist wissbegierig und doch der Sensation nicht abgeneigt.

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06.04.2024

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Wenn Medienschaffende bloss abfragen, statt nachzufragen, dann fehlt ihnen, was guten Journalismus ausmacht: Neugierde.

Christian Mensch 06.04.2024, 05.00 Uhr

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Die Neugierde hat ein Doppelgesicht. Sie kann sich sensationslüstern geben bis hin zum Voyeurismus. Sie kann jedoch auch Wissbegierde ausdrücken. Schon im Mittelalter unterschied der Mönch Thomas von Aquin deshalb zwischen der Curiositas, die auf Emotionen aus ist, und der Studiositas, die auf den Verstand zielt.

Für guten Journalismus ist Neugierde die Triebfeder schlechthin. Die Medienschaffenden müssen sich dafür nicht neu erfinden; schliesslich ist Neugierde ein angeborenes menschliches Verhalten, das Resultat einer evolutionären Entwicklung. Sie haben sich diese Neugierde bloss zu erhalten – was jedoch nicht immer den Fall zu sein scheint.

Man höre bloss oder lese die zahlreichen Scheingespräche, die sich als Interviews ausgeben. In den Fragen der........

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