Meinung

#MeToo, ausser du bist Jüdin

Die Gewalt, die israelischen Frauen am 7. Oktober angetan wurde, wird von feministischen Bewegungen weitgehend ignoriert. Das ist Kontextualisierung in grossem Stil.

Joëlle Weil 15.11.2023, 06.00 Uhr

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Es war von Anfang an Teil des Plans: Hamas-Terroristen erhielten den Befehl, so viele Israelis wie möglich zu entführen, zu töten und zu vergewaltigen. Das geht aus Aussagen von Gefangenen hervor, und die Videobeweise dieser Verbrechen lieferte die Hamas während des
7. Oktobers selbst.

Überlebende des Musikfestivals Supernova, das zu einem Hauptschauplatz der Massenhinrichtung wurde, erzählen, wie sie neben ihren toten Freunden vergewaltigt wurden. Wir erinnern uns an das Video, das Shani Louk zeigt. Die Hamas hat sie mit entblösster Brust in einem Wagen durch Gaza gefahren. Männer bespuckten den reglosen Körper.

Es gibt zu viele Geschichten. Geschichten von Vergewaltigungen von Mädchen bis zum Beckenbruch. Von vergewaltigten Israelinnen, deren Körper danach verbrannt wurden. Yossi Landau, Helfer der israelischen «Zaka»-Organisation, welche Leichen birgt und identifiziert, erzählte vom Körper einer Israelin, deren schwangerer Bauch aufgeschnitten wurde. Das ungeborene Baby war noch immer mit der Nabelschnur mit seiner Mutter verbunden. Viele Bilder, Videos und Beschreibungen von Gewalt gegen Frauen durch die Hamas waren für alle zugänglich. Grafische Inhalte wurden mittlerweile gelöscht.

Über einen Monat liegt der Terroranschlag nun zurück, und Israelinnen fühlen sich vergessen. Mehr als 160’000 Frauen weltweit unterschrieben einen Appell, der unter dem Hashtag «#metoo_unless_UR_a_jew» läuft. Der Appell richtet sich an «UN Women» und ihr Schweigen gegenüber der Gewalt, die israelischen Frauen angetan wurde. Demgegenüber wird das Leid von Palästinenserinnen in Gaza fast täglich in einem Beitrag thematisiert wird. #metoo… «ausser du bist Jüdin».

Am 28. Oktober fand in Zürich eine propalästinensische Demonstration statt, die feministische Unterstützung erhielt: Das Feministische Streikkollektiv rief auf seiner Instagram-Seite zur Teilnahme auf. Ein Krieg, dem Massenvergewaltigungen an Frauen, deren Ermordung und Verschleppung vorausgegangen waren. Ein Feministisches Streikkollektiv hätte sich gar nicht zum Krieg in Gaza äussern müssen. Immerhin geht es beim feministischen Streik gezielt um Frauenangelegenheiten wie Gewalt, Sexualisierung, Gleichstellung, die Liste ist lang.

Wer an dieser Stelle die «Ja, aber …»-Tür eintritt, überführt sich selbst. Wer das Leid der Bevölkerung in Gaza dem israelischen Leid gegenüberstellt, überführt sich selbst. Denn wer mit Gegenüberstellungen beginnt, der kontextualisiert Gewalt an Unschuldigen. Und Gegenüberstellungen sieht dieser Krieg genug, sei es in Bezug auf Antisemitismus oder bei der scheinbaren Legitimierung des Terroranschlags selbst. An sexueller Gewalt trägt ein Opfer nie selbst Schuld, das würde jede und jeder unterschreiben. «Ja, aber …» gibt es nicht, dafür kämpfen Feministinnen weltweit. Eigentlich …

Die feministische Bewegung hat es sich auf die Fahne geschrieben, Opfern zu glauben, bevor ein Täter verurteilt wird. Das hat die #MeToo-Bewegung in verschiedenen Fällen, sei es in Hollywood, Deutschland, oder jüngst hier in der Schweiz immer so gemacht. Sich bedingungslos hinter mutmassliche Opfer zu stellen, gehört zum Konzept und zur weiblichen internationalen Solidarität.

Eine Bewegung wie das Feministische Streikkollektiv, die 300’000 Schweizerinnen zum jährlichen Streik mobilisieren kann und die ihre Stimme im Zusammenhang mit Israel und Gaza gezielt selektiv nutzt, entscheidet sich fürs Wegschauen. Wer für sich in Anspruch nimmt, feministische Anliegen zu vertreten, und Verbrechen an Frauen für politische Mobilisierung zur Seite schiebt, der hat sich für dieses Vorgehen entschieden. Wer gedacht hat, dass feministische Anliegen international sind und keine Grenzen kennen, hat sich geirrt. Denn wir erleben gerade Kontextualisierung in Bezug auf Gewalt an Frauen in grossem Stil.

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7. Oktobers selbst.

Überlebende des Musikfestivals Supernova, das zu einem Hauptschauplatz der Massenhinrichtung wurde, erzählen, wie sie neben ihren toten Freunden vergewaltigt wurden. Wir erinnern uns an das Video, das Shani Louk zeigt. Die Hamas hat sie mit entblösster Brust in einem Wagen durch Gaza gefahren. Männer bespuckten den reglosen Körper.

Es gibt zu viele Geschichten. Geschichten von Vergewaltigungen von Mädchen bis zum Beckenbruch. Von vergewaltigten Israelinnen, deren Körper danach verbrannt wurden. Yossi Landau, Helfer der israelischen «Zaka»-Organisation, welche Leichen birgt und identifiziert, erzählte vom Körper einer Israelin, deren schwangerer Bauch aufgeschnitten wurde. Das ungeborene Baby war noch immer mit der Nabelschnur mit seiner Mutter verbunden. Viele Bilder, Videos und Beschreibungen von Gewalt gegen Frauen durch die Hamas waren für alle zugänglich. Grafische Inhalte wurden mittlerweile gelöscht.

Über einen Monat liegt der Terroranschlag nun zurück, und Israelinnen fühlen sich vergessen. Mehr als 160’000 Frauen weltweit unterschrieben einen Appell, der unter dem Hashtag «#metoo_unless_UR_a_jew» läuft. Der Appell richtet sich an «UN Women» und ihr Schweigen gegenüber der Gewalt, die israelischen Frauen angetan wurde. Demgegenüber wird das Leid von Palästinenserinnen in Gaza fast täglich in einem Beitrag thematisiert wird. #metoo… «ausser du bist Jüdin».

Am 28. Oktober fand in Zürich eine propalästinensische Demonstration statt, die feministische Unterstützung erhielt: Das Feministische Streikkollektiv rief auf seiner Instagram-Seite zur Teilnahme auf. Ein Krieg, dem Massenvergewaltigungen an Frauen, deren Ermordung und Verschleppung vorausgegangen waren. Ein Feministisches Streikkollektiv hätte sich gar nicht zum Krieg in Gaza äussern müssen. Immerhin geht es beim feministischen Streik gezielt um Frauenangelegenheiten wie Gewalt, Sexualisierung, Gleichstellung, die Liste ist lang.

Wer an dieser Stelle die «Ja, aber …»-Tür eintritt, überführt sich selbst. Wer das Leid der Bevölkerung in Gaza dem israelischen Leid gegenüberstellt, überführt sich selbst. Denn wer mit Gegenüberstellungen beginnt, der kontextualisiert Gewalt an Unschuldigen. Und Gegenüberstellungen sieht dieser Krieg genug, sei es in Bezug auf Antisemitismus oder bei der scheinbaren Legitimierung des Terroranschlags selbst. An sexueller Gewalt trägt ein Opfer nie selbst Schuld, das würde jede und jeder unterschreiben. «Ja, aber …» gibt es nicht, dafür kämpfen Feministinnen weltweit. Eigentlich …

Die feministische Bewegung hat es sich auf die Fahne geschrieben, Opfern zu glauben, bevor ein Täter verurteilt wird. Das hat die #MeToo-Bewegung in verschiedenen Fällen, sei es in Hollywood, Deutschland, oder jüngst hier in der Schweiz immer so gemacht. Sich bedingungslos hinter mutmassliche Opfer zu stellen, gehört zum Konzept und zur weiblichen internationalen Solidarität.

Eine Bewegung wie das Feministische Streikkollektiv, die 300’000 Schweizerinnen zum jährlichen Streik mobilisieren kann und die ihre Stimme im Zusammenhang mit Israel und Gaza gezielt selektiv nutzt, entscheidet sich fürs Wegschauen. Wer für sich in Anspruch nimmt, feministische Anliegen zu vertreten, und Verbrechen an Frauen für politische Mobilisierung zur Seite schiebt, der hat sich für dieses Vorgehen entschieden. Wer gedacht hat, dass feministische Anliegen international sind und keine Grenzen kennen, hat sich geirrt. Denn wir erleben gerade Kontextualisierung in Bezug auf Gewalt an Frauen in grossem Stil.

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Joëlle Weil 15.11.2023, 06.00 Uhr

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7. Oktobers selbst.

Überlebende des Musikfestivals Supernova, das zu einem Hauptschauplatz der Massenhinrichtung wurde, erzählen, wie sie neben ihren toten Freunden vergewaltigt wurden. Wir erinnern uns an das Video, das Shani Louk zeigt. Die Hamas hat sie mit entblösster Brust in einem Wagen durch Gaza gefahren. Männer bespuckten den reglosen Körper.

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Über einen Monat liegt der Terroranschlag nun zurück, und Israelinnen fühlen sich vergessen. Mehr als 160’000 Frauen weltweit unterschrieben einen Appell, der unter dem Hashtag «#metoo_unless_UR_a_jew» läuft. Der Appell richtet sich an «UN Women» und ihr Schweigen gegenüber der Gewalt, die israelischen Frauen angetan wurde. Demgegenüber wird das Leid von Palästinenserinnen in Gaza fast täglich in einem Beitrag thematisiert wird. #metoo… «ausser du bist Jüdin».

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