Rutschmadame

Drei Könige für die Elite

Woche für Woche nimmt die Rutschmadame das regionale Geschehen aus dem Blickwinkel des nahen Elsass aufs Korn. Diese Woche: Warum es eine neue Grussformel braucht.

Martina Rutschmann 06.01.2024, 05.00 Uhr

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Die Rutschmadame wünscht allen Leserinnen und Lesern «einen schönen Dreikönigstag»

Bild: Roland Schmid

Immerhin machen wir es inzwischen zweisprachig. Traditionalisten wünschen «E guets Neus», die Avantgarde stolpert über «Happy New Year». Seit dem Jahreswechsel haben wir den Satz eine Million Mal gehört, er verfolgt uns schon im Schlaf. Da erscheinen «E guets Neus!» brüllende Monster und Kuhherden, die im Kanon «Happy New Year» muhen.

Wenn wir erschlagen aufwachen und erleichtert sind, dass alles nur ein Albtraum war, klingelt das Telefon, und der Kundenberater wünscht «E guets Neus». Und wir? Wünschen zurück, als wäre es gesetzlich festgeschrieben, jedem, den man sieht oder hört, ein neues Jahr an den Kopf zu werfen. Das ist ein regelrechtes Schneeball-System! Da hilft auch Zweisprachigkeit nichts. Dieser Wunsch gehört abgeschafft! Er ist die reinste Verschwendung von Redezeit.

Dabei gäbe es Alternativen. Stellen Sie sich vor, heute würde Ihnen jemand «Einen witzigen Dreikönigstag» wünschen. Sie wären überrascht. Es wäre das erste Mal, dass jemand einen solchen Wunsch an Sie richtet. Sie wären die Auserwählten. Die Elite. Und das an einem Tag, an dem «E guets Neus» auf die Spitze getrieben wird, da der Satz nach den drei Königen nicht mehr gewünscht werden sollte.

«E guets Neus» ist Massenware, ein Ausspruch ab Stange. Zumal in einer Welt, in der das Kollektiv ausgedient hat. Im Zentrum steht das Ich, massgeschneidert. Wenn schon die Werbung auf die Person, die sie sieht, zielt, warum sollte das mit Neujahrswünschen nicht funktionieren? So würde sich auch die Redezeit lohnen.

Wie wäre es mit einem «glänzenden neuen Jahr» für Putzfanatiker? Einem «einsamen» für Misanthropen? Einem «aussergerichtlichen» für frischgebackene Ex-Häftlinge? Einem «hautverträglichen» für Allergiker? Einem «kniffligen» für Quizfreaks? Einem «verheerenden» für Widersacher? Alles wäre persönlicher als das «gute neue Jahr».

Ausserdem: Was für die einen gut ist, ist für die anderen eine Katastrophe. Denken Sie nur an die nächste Regierungsratswahl. Oder an die neue Partnerin Ihres Ex-Lovers. «E guets Neus» ist nicht nur ein kollektiver Schwachsinn, sondern auch eine Missverständnis-Falle. Zum Glück ist das Jahr bald nicht mehr neu. Und gut wird es wohl auch kaum. Insofern: Einen (suchen Sie sich ein auf Sie massgeschneidertes Adjektiv aus) Dreikönigstag allerseits!

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Immerhin machen wir es inzwischen zweisprachig. Traditionalisten wünschen «E guets Neus», die Avantgarde stolpert über «Happy New Year». Seit dem Jahreswechsel haben wir den Satz eine Million Mal gehört, er verfolgt uns schon im Schlaf. Da erscheinen «E guets Neus!» brüllende Monster und Kuhherden, die im Kanon «Happy New Year» muhen.

Wenn wir erschlagen aufwachen und erleichtert sind, dass alles nur ein Albtraum war, klingelt das Telefon, und der Kundenberater wünscht «E guets Neus». Und wir? Wünschen zurück, als wäre es gesetzlich festgeschrieben, jedem, den man sieht oder hört, ein neues Jahr an den Kopf zu werfen. Das ist ein regelrechtes Schneeball-System! Da hilft auch Zweisprachigkeit nichts. Dieser Wunsch gehört abgeschafft! Er ist die reinste Verschwendung von Redezeit.

Dabei gäbe es Alternativen. Stellen Sie sich vor, heute würde Ihnen jemand «Einen witzigen Dreikönigstag» wünschen. Sie wären überrascht. Es wäre das erste Mal, dass jemand einen solchen Wunsch an Sie richtet. Sie wären die Auserwählten. Die Elite. Und das an einem Tag, an dem «E guets Neus» auf die Spitze getrieben wird, da der Satz nach den drei Königen nicht mehr gewünscht werden sollte.

«E guets Neus» ist Massenware, ein Ausspruch ab Stange. Zumal in einer Welt, in der das Kollektiv ausgedient hat. Im Zentrum steht das Ich, massgeschneidert. Wenn schon die Werbung auf die Person, die sie sieht, zielt, warum sollte das mit Neujahrswünschen nicht funktionieren? So würde sich auch die Redezeit lohnen.

Wie wäre es mit einem «glänzenden neuen Jahr» für Putzfanatiker? Einem «einsamen» für Misanthropen? Einem «aussergerichtlichen» für frischgebackene Ex-Häftlinge? Einem «hautverträglichen» für Allergiker? Einem «kniffligen» für Quizfreaks? Einem «verheerenden» für Widersacher? Alles wäre persönlicher als das «gute neue Jahr».

Ausserdem: Was für die einen gut ist, ist für die anderen eine Katastrophe. Denken Sie nur an die nächste Regierungsratswahl. Oder an die neue Partnerin Ihres Ex-Lovers. «E guets Neus» ist nicht nur ein kollektiver Schwachsinn, sondern auch eine Missverständnis-Falle. Zum Glück ist das Jahr bald nicht mehr neu. Und gut wird es wohl auch kaum. Insofern: Einen (suchen Sie sich ein auf Sie massgeschneidertes Adjektiv aus) Dreikönigstag allerseits!

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Wenn wir erschlagen aufwachen und erleichtert sind, dass alles nur ein Albtraum war, klingelt das Telefon, und der Kundenberater wünscht «E guets Neus». Und wir? Wünschen zurück, als wäre es gesetzlich festgeschrieben, jedem, den man sieht oder hört, ein neues Jahr an den Kopf zu werfen. Das ist ein regelrechtes Schneeball-System! Da hilft auch Zweisprachigkeit nichts. Dieser Wunsch gehört abgeschafft! Er ist die reinste Verschwendung von Redezeit.

Dabei gäbe es Alternativen. Stellen Sie sich vor, heute würde Ihnen jemand «Einen witzigen Dreikönigstag» wünschen. Sie wären überrascht. Es wäre das erste Mal, dass jemand einen solchen Wunsch........

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