Rutschmadame

Lieber Gott

Woche für Woche nimmt die Rutschmadame das regionale Geschehen aus dem Blickwinkel des nahen Elsass aufs Korn. Heute: Ein paar Tipps für den Allmächtigen.

Martina Rutschmann 11.11.2023, 05.00 Uhr

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Ziemlich düster steht es im Moment um die Welt, findet die Kolumnistin. Sie hadert aber mit der (fehlenden) Hilfe von oben.

Symbolbild: Sandro Büchler

Wir wollen dir nicht zu nahetreten, wäre ja schwierig auf diese Distanz, aber guck mal auf die Erde, die du einst erschaffen hast, und sag uns, was wir gegen dieses mörderische Chaos tun sollen. Das mag viel verlangt sein, schliesslich beziehst du längst Rente. Wir aber kommen nicht zur Ruhe, das Chaos bereitet uns Sorgen, selbst jenen, die in Frieden leben, am Christmas-Shopping verzweifeln und beim SUV mit Elektro liebäugeln. Wenn du der Meinung bist, ich bin alt und erschöpft, räumt euer Puff selbst auf, dann kümmern wir uns um Ersatz. Götter gibt es ja genug, bloss wissen wir nicht, wo die alle stecken, jetzt, wo es brennt.

Manche leiden wohl wie du an einem Burnout. Dazu lass dir gesagt sein, dass es keine Schande ist, psychologische Hilfe zu beanspruchen. Einfach dürfte es aber nicht werden, eine Fachperson mit freien Terminen zu finden. Womit wir wieder bei der maroden Welt wären, die du uns einst zur Verfügung gestellt hast und mit der wir nun allein zu recht kommen müssen. Viele Leute schaffen es nicht, ohne seelische Unterstützung zu bestehen. Also tu was! Oder trete zurück, das kommt in den besten Familien vor, und gib uns würdigen Ersatz.

Wenn du findest, ich bin einzigartig, mich kann man nicht ersetzen, so lass es uns ohne Gott versuchen. Trommle deine Kumpels zusammen und mach ihnen klar, dass auch sie gut daran täten, ihre Gläubigen auf andere Gedanken zu bringen. Diese Balzerei macht einen ja ganz wahnsinnig. Je altersschwächer der Gott, umso heftiger der Balztanz. Das Herz von uns Menschen schlägt schliesslich für Schwächere, das habt ihr uns gelehrt, aber man kann es übertreiben.

Rituale wie Adventskranz und Betty-Bossi-Gutzis werden wir beibehalten. Gottersatz suchen wir fortan aber in uns selbst. Und bald merken wir, dass wir alle gleich sind, gleich gescheit, gleich dumm, gleich schön, gleich hässlich – vor allem aber: im gleichen Chaos gefangen. Wenn es uns gelingt, uns zu befreien, spendierst du uns eine Runde. Dafür reicht deine Rente bestimmt. Glühwein wäre passend, dem Frieden zuliebe mit und ohne Alkohol. Und führe uns nicht in Versuchung, dir wieder zu folgen, wir erlösen uns selbst vom Bösen. So kannst du dir den Psychiater sparen. Merci. Amen.

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Manche leiden wohl wie du an einem Burnout. Dazu lass dir gesagt sein, dass es keine Schande ist, psychologische Hilfe zu beanspruchen. Einfach dürfte es aber nicht werden, eine Fachperson mit freien Terminen zu finden. Womit wir wieder bei der maroden Welt wären, die du uns einst zur Verfügung gestellt hast und mit der wir nun allein zu recht kommen müssen. Viele Leute schaffen es nicht, ohne seelische Unterstützung zu bestehen. Also tu was! Oder trete zurück, das kommt in den besten Familien vor, und gib uns würdigen Ersatz.

Wenn du findest, ich bin einzigartig, mich kann man nicht ersetzen, so lass es uns ohne Gott versuchen. Trommle deine Kumpels zusammen und mach ihnen klar, dass auch sie gut daran täten, ihre Gläubigen auf andere Gedanken zu bringen. Diese Balzerei macht einen ja ganz wahnsinnig. Je altersschwächer der Gott, umso heftiger der Balztanz. Das Herz von uns Menschen schlägt schliesslich für Schwächere, das habt ihr uns gelehrt, aber man kann es übertreiben.

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