Wo der Erfolg ausbleibt, schleicht sich schnell Häme ein. Vor allem dort, wo sich derjenige, über den sich gerade lustig gemacht wird, nicht oder nur schlecht wehren kann. Immer öfter muss man in den eigentlich Un-Sozialen Medien mit dieser manchmal bodenlos frechen Art klarkommen.

Erst Anfang des Monats gab es auf der Plattform LigaInsider im Zusammenhang mit dem dortigen Managerspiel einen Austausch, den man als Betroffener erst einmal verdauen muss. Fragt „Lucas.gux“, eigentlich ohne Argwohn, weil er sich selbst schwer verzockt hatte: „Also ich hatte einen 500-Punkte-Spieltag. Wer kann weniger bieten?“ Antwortet „ThErAnDyAnDi“, auch er voller Selbstironie: „Steh bei 250 mit noch zwei Spielern morgen.“ Ebenso gibt „Paul06“ seine falschen Personalentscheidungen offen zu: „Bin bei 394 Punkten, und es spielt keiner mehr.“ Daraufhin macht „grei“ sich, auch wenn es orthografisch nicht ganz astrein ist, ungefragt so lustig: „Selbst schuld wenn man Volland aufstellt.“

Das ist für den Spieler mit Vornamen Kevin fies, zugegeben. Nur hat in diesem Fall auch die Schnoddrigkeit ihre gute Seite. Es gibt noch den einen oder anderen, der auf den Stürmer des 1. FC Union Berlin setzt. Der ihm Vertrauen entgegenbringt. Der noch an seine Qualität vor dem gegnerischen Tor glaubt. Vielleicht ja sogar außerhalb von Köpenick, denn im Dunstkreis des Stadions An der Alten Försterei sollten alle davon überzeugt sein, dass die Eisernen, die am Sonntag, 15.30 Uhr, mit dem Spiel bei Borussia Mönchengladbach ihren Endspurt für die Rettung der Saison starten, ein anderes Gesicht zeigen als zuletzt. Und dass auch Kevin Volland seinen Beitrag dazu leisten wird.

In den vergangenen acht Spielen hat es nur einen Sieg gegeben, das 2:1 zu Hause gegen Werder Bremen. Dazu zwei weitere Pünktchen aus dem 2:2 gegen den 1. FC Heidenheim und dem 0:0 bei Eintracht Frankfurt. Dieser Negativlauf löst erneut Alarmstufe Rot aus. Auch deshalb wird über Volland diskutiert. Denn der einstige Nationalspieler, der bis 2021 unter dem damaligen Bundestrainer Joachim Löw 15 Länderspiele bestritt, ist im Berliner Südosten deutlich hinter den Erwartungen geblieben. Zwei Treffer erst sind dem 31-Jährigen in der Liga gelungen.

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Diese Ausbeute ist alles andere als berauschend. Dabei wurde Volland als einer geholt, der weiß, wo die gegnerische Kiste steht. 77 Tore hatte er in 247 Bundesligaspielen erzielt. Die Gegner waren ihm egal. Schon als junger Kerl – bei seinem ersten Tor, es fiel bei einem Hoffenheimer 3:2 über Schalke und er war gerade mal 20 – hatte er den Dreh raus.

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Auch in Frankreich, bei der AS Monaco, hatte Volland die Schussstiefel an. Wie in der Bundesliga lag in der Ligue 1 sein Schnitt mit 28 Toren in 88 Spielen bei fast drei. Den Vogel für das Team aus dem Fürstentum schoss er einst gegen Paris St.-Germain ab. Die zwei Tore, die Kylian Mbappé bis zur Halbzeit vorgelegt hatte, konterte Volland nach dem Seitenwechsel innerhalb von dreizehn Minuten zum Ausgleich. Genug aber hatte er noch lange nicht. Ein Elfmeter, von ihm herausgeholt, brachte den 3:2-Triumph. Trotz Neymar und Ángel Di María, den Superstars aus Brasilien und Argentinien auf Seiten von PSG, Dominator des Spieltages war Kevin Volland.

Das ließ den bei Altmeister 1860 München ausgebildeten Offensivspieler, der sich in frühen Jahren auch als Eishockeyspieler versuchte (Papa Andreas wurde mit dem DEB-Team 1993 in München WM-Fünfter), auch auf seiner dritten Station in der Bundesliga (zunächst TSG 1899 Hoffenheim, danach Bayer Leverkusen) von einer zweistelligen Tor-Ausbeute träumen. Die Fortsetzung der eisernen Bundesliga-Saisonbesten von Sebastian Andersson (12) über Max Kruse (11) und Taiwo Awoniyi (15) zu Sheraldo Becker (11) schien schnurstracks zu verlaufen.

Nur scheint daraus eine Sackgasse geworden zu sein. Ehe Volland bei Urs Fischer auf Touren hätte kommen können, musste er eine Drei-Spiele-Sperre wegen seiner Roten Karte in der Partie gegen Leipzig abbrummen, blieb danach auf der Bank und war einmal gar nicht im Kader. Seine Spielzeit blieb überschaubar: 165 Minuten in sechs Partien, dabei nie über die volle Spielzeit und damit nicht einmal eine halbe Stunde pro Einsatz.

Erst mit dem Trainerwechsel über Interimscoach Marco Grothe (90 Minuten beim 1:1 gegen Augsburg mit seinem ersten Tor) zu Nenad Bjelica schien der Knoten geplatzt zu sein. Erst recht nach Vollands Treffer zum Abschluss der Gruppenphase in der Champions League beim 2:3 gegen Real Madrid.

Danach aber zog auch bei ihm Flaute auf. Das vermeintliche Zwischenhoch verebbte schnell. Dennoch blieb Volland wichtig. Die beiden Treffer zum 2:0 gegen Köln bereitete er für Benedict Hollerbach und David Datro Fofana ebenso vor wie durch einen Eckball das goldene und nicht minder wichtige 1:0 von Danilho Doekhi gegen Wolfsburg. Selbst das aber ist zu wenig für einen mit seinen Ansprüchen. Zudem bleibt das Manko, dass er selbst in nun bereits 14 Punktspielen nicht mehr den Ball am gegnerischen Schlussmann vorbei in dessen Kasten befördert hat.

Das Zählen von torlosen Minuten war für einen Angreifer noch nie hilfreich, nur setzt es irgendwann bei jedem, der nicht trifft, ein. Womöglich liegt es bei Volland aber auch an der taktischen Ausrichtung. Nicht jeder hat Verständnis dafür oder hinterfragt zumindest seine eigene Wahrnehmung, wenn Bjelica als einen Grund für die Tor-Armut des 1. FC Union Berlin und speziell bei Volland angibt, dass der „eigentlich kein klassischer Stürmer“ sei.

Stellt sich die Frage: Als was, wenn nicht als klassischer Stürmer, als Torjäger, als einer mit dem Näschen für torreife Situationen, ist er dann gekommen? Bei der Verpflichtung hieß es bei Oliver Ruhnert, Unions Geschäftsführer Profisport Männer, über Volland, der nach drei Spielzeiten in Frankreich mit aller Macht zurück in die Bundesliga wollte, noch so: „Seine Qualitäten vor dem Tor hat er in all den Jahren national und international unter Beweis gestellt.“ An ein Strafraum-Monster will dabei niemand denken. An einige Tore mehr dafür schon.

Noch ist es für ein versöhnliches Saisonende nicht zu spät. Nun kommen mit Mönchengladbach, Bochum, Köln die unmittelbaren Konkurrenten im Kampf gegen den Abstieg, Spiele, in denen auch Volland mehr denn je gefragt ist. Mit 31 Jahren bringt er diese Portion Erfahrung mit, die es in solch einer Situation unbedingt braucht. Wenn Christopher Trimmel, der Kapitän, sagt, dass nun „die besonders wichtigen Spiele kommen“ und darauf „unsere volle Konzentration“ liegt, dann ist das auch an die Adresse des Angreifers gerichtet.

Es sind Spiele, die im Gegensatz zu denen gegen die Bayern und auch gegen Leverkusen schon eher der Kragenweite der Eisernen entsprechen. Volland selbst hat unmittelbar nach dem 1:5 gegen die Münchner die Richtung vorgegeben: „Jetzt müssen wir uns berappeln, unsere Köpfe hochkriegen und uns steigern.“ Das heißt zugleich, die Harmlosigkeit ablegen und die Offensive suchen. Das schließt Torerfolge ausdrücklich mit ein. Bjelica glaubt fest an ein Happy End und stärkt seiner Abteilung Attacke logischerweise den Rücken: „Ich habe volles Vertrauen in unsere Stürmer, auch in unsere Mittelfeldspieler, die auch torgefährlicher sein könnten.“

Damit sich beim Managerspiel niemand mehr dafür rechtfertigen muss, seine Hoffnung auf einen Torjäger namens Kevin Volland gesetzt zu haben.

QOSHE - 1. FC Union Berlin: Ist Kevin Volland gar kein richtiger Stürmer? - Andreas Baingo
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1. FC Union Berlin: Ist Kevin Volland gar kein richtiger Stürmer?

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26.04.2024

Wo der Erfolg ausbleibt, schleicht sich schnell Häme ein. Vor allem dort, wo sich derjenige, über den sich gerade lustig gemacht wird, nicht oder nur schlecht wehren kann. Immer öfter muss man in den eigentlich Un-Sozialen Medien mit dieser manchmal bodenlos frechen Art klarkommen.

Erst Anfang des Monats gab es auf der Plattform LigaInsider im Zusammenhang mit dem dortigen Managerspiel einen Austausch, den man als Betroffener erst einmal verdauen muss. Fragt „Lucas.gux“, eigentlich ohne Argwohn, weil er sich selbst schwer verzockt hatte: „Also ich hatte einen 500-Punkte-Spieltag. Wer kann weniger bieten?“ Antwortet „ThErAnDyAnDi“, auch er voller Selbstironie: „Steh bei 250 mit noch zwei Spielern morgen.“ Ebenso gibt „Paul06“ seine falschen Personalentscheidungen offen zu: „Bin bei 394 Punkten, und es spielt keiner mehr.“ Daraufhin macht „grei“ sich, auch wenn es orthografisch nicht ganz astrein ist, ungefragt so lustig: „Selbst schuld wenn man Volland aufstellt.“

Das ist für den Spieler mit Vornamen Kevin fies, zugegeben. Nur hat in diesem Fall auch die Schnoddrigkeit ihre gute Seite. Es gibt noch den einen oder anderen, der auf den Stürmer des 1. FC Union Berlin setzt. Der ihm Vertrauen entgegenbringt. Der noch an seine Qualität vor dem gegnerischen Tor glaubt. Vielleicht ja sogar außerhalb von Köpenick, denn im Dunstkreis des Stadions An der Alten Försterei sollten alle davon überzeugt sein, dass die Eisernen, die am Sonntag, 15.30 Uhr, mit dem Spiel bei Borussia Mönchengladbach ihren Endspurt für die Rettung der Saison starten, ein anderes Gesicht zeigen als zuletzt. Und dass auch Kevin Volland seinen Beitrag dazu leisten wird.

In den vergangenen acht Spielen hat es nur einen Sieg gegeben, das 2:1 zu Hause gegen Werder Bremen. Dazu zwei weitere Pünktchen aus dem 2:2 gegen den 1. FC Heidenheim und dem 0:0 bei Eintracht........

© Berliner Zeitung


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