Ein Kreis hat sich geschlossen. Zumindest für Nenad Bjelica. Mit dem Spiel des 1. FC Union Berlin am Freitagabend beim FC Augsburg hat der Trainer der Eisernen auch den letzten Gegner kennengelernt, der ihm aus eigenem Erleben noch ein wenig fremd war. Zwar hatte in der Hinrunde schon nicht mehr Urs Fischer an der Seitenlinie gestanden, aber auch noch nicht Bjelica. U 19-Coach Marco Grothe war eingesprungen und hatte gemeinsam mit Assistentin Marie-Louise Eta mit einem 1:1 die nervige Serie von neun Niederlagen in Ligaspielen beendet.

Es war für Bjelica eine Halbserie mit mancher Höhe, die zugleich in manche Tiefe geführt hat. Letzteres vor allem ihn selbst, denn sein doppelter Grapscher ins Gesicht von Leroy Sané, dem Nationalspieler von Bayern München, bleibt für immer mit dem Kroaten verbunden und alles andere als ein Glanzmoment einer Trainerkarriere.

Dafür hat er nach dem 0:1 jüngst im Heimspiel gegen Fast-Meister Leverkusen damit überrascht, dass er in der Pressekonferenz die Frage eines spanischen Journalisten an Bayer-Coach Xabi Alonso ins Deutsche übersetzte und sein Faible für Sprachen unterstrich. Gelernt hat er es in seiner Zeit in Albacete. „Um mein erstes Interview in Spanisch zu geben“, sagt Bjelica, „habe ich vier Monate gebraucht. Das ging ziemlich schnell. Das Deutsche hat etwa ein Jahr gedauert.“

1. FC Union Berlin: Kehrt Robin Gosens zu seinem Ex-Klub zurück?

gestern

„Alles Andras“ – die Fan-Kolumne zum 1. FC Union Berlin: Die etwas andere Auswärtsfahrt

vor 4 Std.

Aus seiner Zeit in Albaceste ist zudem eine nette Episode überliefert, die den Union-Coach durchaus mit Stolz erfüllt. Als Bjelica dort spielte, kam ein zehnjähriger Steppke zu diesem Verein, war Balljunge und lernte dort sein Fußball-Abc. Als eines seiner Idole damals nannte er: Nenad Bjelica. Der Name des Steppkes: Andres Iniesta, der Spanien 2010 mit seinem goldenen Tor gegen die Niederlande zum Weltmeister machte.

•gestern

•gestern

10.04.2024

Nun also alles auf Anfang sozusagen. Für Bjelica sowieso, denn es ist für den 52-Jährigen nach Engagements in Österreich (FC Kärnten, FC Lustenau, Wolfsberger AC, Austria Wien), Italien (Spezia Calcio), Polen (Lech Posen), seiner kroatischen Heimat (Dinamo Zagreb, NK Osijek) und der Türkei (Trabzonspor) seine erste Station als Übungsleiter in Deutschland, wo er bis vor zwanzig Jahren beim 1. FC Kaiserslautern 65 Bundesligaspiele bestritt. Damals schon war längst klar, dass Bjelica Trainer werden möchte. „Das wusste ich schon mit 23 oder 24 Jahren“, sagt er.

Trainerwechsel mitten in der Spielzeit gehören zur Bundesliga wie das Stadion An der Alten Försterei zu Köpenick, Christian Streich zum SC Freiburg oder Thomas Müller zu Bayern München. In dieser Saison gibt es, Marco Grothe als Interimscoach für 90 Minuten nicht mitgerechnet, acht neue Besetzungen. Nur bringen die teils spontanen Änderungen beim Spitzenpersonal nicht immer die erhoffte Wirkung oder den beabsichtigten Schwung. Allerdings schlagen bei Bjelica und Jess Thorup, dem Dänen, der seit Anfang Oktober vorigen Jahres mit dem FC Augsburg den Eisern-Gegner von Freitag betreut, die Zeiger nach oben aus.

Ziemlich schnell ging es in der Fuggerstadt, dass der FCA die Reißleine zog und die Amtszeit von Enrico Maaßen zu Ende war. Thorup übernahm als erster Neuer in dieser Saison. Bjelica war sieben Wochen später nach Jan Siewert, der in Mainz Bo Svensson ablöste, der Dritte. Während Siewert beim selbst ernannten Karnevalsverein inzwischen wieder Geschichte ist, schreiben Thorup und Bjelica zumindest eine momentane kleine Erfolgsgeschichte. Dabei lehrt die Erfahrung, dass das Wechseln der Pferde mitten im Rennen ziemlich selten Erfolg bringt. Zumindest keinen anhaltenden. Aufsteiger und So-gut-wie-Sofort-Absteiger Darmstadt lässt es selbst angesichts 21 sieglosen Spielen in Serie bleiben und hält zu Aufstiegstrainer Torsten Lieberknecht.

Teils ist es ernüchternd, was Trainerwechsel bringen. Besser: nicht bringen. So hat Siewert die Mainzer als Schlusslicht übernommen, zwölf Spiele, dabei aber nur einen Sieg später als Tabellenvorletzter seinen Hut nehmen müssen. Weitere sieben Spiele später, darunter aber drei Siege, zieht unter Siewert-Nachfolger Bo Henriksen bei den Nullfünfern neue Hoffnung auf den Klassenerhalt ein.

Becker, Bonucci und Co.: Was machen die Winter-Abgänge des 1. FC Union Berlin?

09.04.2024

Als Steffen Baumgart, als Spieler ein Ex-Unioner, nach dem 0:2 kurz vor Weihnachten im Stadion An der Alten Försterei als Coach des 1. FC Köln entlassen wurde, stand sein Team auf Rang 17 und einem Punktedurchschnitt pro Spiel von 0,63 dick in der Kreide. Mit Timo Schultz ist der FC weiterhin Vorletzter, auch ist der Punkteschnitt des Baumgart-Nachfolgers mit 1,0 nur deshalb halbwegs akzeptabel, weil die Geißbock-Elf jüngst gegen Bochum erst mit zwei Toren in der Nachspielzeit zum 2:1-Erfolg kam. Was wiederum VfL-Coach Thomas Letsch den Job kostete. Berühmt ist die Schultz-Ausbeute trotzdem nicht.

Ganz anders die Bilanz bei Thorup und Bjelica, die mit ihren Teams den 29. Spieltag eröffnet haben. Allein die Kletterpartien in der Tabelle sprechen für sich. Beim Dänen, der wie Bjelica eine Vergangenheit als Spieler in Deutschland hat, nämlich anderthalb Jahre in der Zweiten Liga bei Bayer Uerdingen, noch mehr als beim Kroaten. Der übernahm die Augsburger auf Tabellenplatz 15, führte sie acht Plätze nach oben und hat den Traum von der Qualifikation für Europa noch lange nicht aufgegeben. Unter Thorup (sein Punkteschnitt vor dem Duell gegen den 1. FC Union lag bei 1,55 pro Spiel, der seines Vorgängers Enrico Maaßen bei 0,71) haben die Augsburger eine ganz besonders Spezialität entwickelt: Sie können Spiele drehen. Öfter als jedem anderen Team ist es dem Tabellensiebten gelungen. 20 der 31 Zähler, die der Klub unter dem Dänen einfuhr, gab es nach Rückständen.

Thorups Geheimnis ist gar keines. „Ich habe immer versucht, den Spielern den Glauben an die eigene Stärke, ans eigene Können zu geben“, sagt er über seinen Ansatz. Dass dabei mehr Siege als fast erhofft herausgesprungen seien, sei erfreulich, meint er. Zugleich weiß er, dass sich daraus eine Spirale nach oben entwickelt hat: „Von einem Sieg bekommst du den Glauben und das Selbstvertrauen, und Selbstvertrauen ist das Wichtigste im Fußball.“ Nicht alles, aber Vieles ist selbst beim Spiel mit den Füßen reine Kopfsache.

Ein Vergleich mit Bjelica verbietet sich eigentlich, auch wenn sich die Köpenicker unter ihm um vier Plätze auf Rang 13 verbessert haben. 22 Punkte sind seit seiner Übernahme Ende November in 16 Spielen auf das Konto des 1. FC Union gekommen. Nur gibt es da eben die drei Spiele, in denen der Fischer-Nachfolger gesperrt war und seine Vertreter Nino Bule, Danijel Jumic und vor allem auch Marie-Louise Eta in der Verantwortung standen und mit einem Sieg (1:0 gegen Darmstadt) und einem wichtigen Teilerfolg (1:1 in Mainz, dazwischen gab es ein 0:2 in Leipzig) ihr Scherflein zum zarten Aufschwung beitrugen.

Als ein großes Plus seiner Tätigkeit nennt Bjelica, dass er sich anpassen könne. „Wenn man neu zu einem Verein kommt wie ich, dann sollte man nicht alles ändern wollen. Natürlich müssen sich die Spieler an die neue Situation anpassen, aber ein Trainer muss das auch.“ Selbst wenn er mit seiner Art mit dem 1. FC Union Berlin fünf Spieltage vor Saisonende noch längst nicht am Ziel Klassenerhalt angekommen ist, ganz so schlecht ist er damit bis jetzt dennoch nicht gefahren.

QOSHE - 1. FC Union Berlin: Warum Trainerwechsel während der Saison doch was bringen - Andreas Baingo
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

1. FC Union Berlin: Warum Trainerwechsel während der Saison doch was bringen

9 24
12.04.2024

Ein Kreis hat sich geschlossen. Zumindest für Nenad Bjelica. Mit dem Spiel des 1. FC Union Berlin am Freitagabend beim FC Augsburg hat der Trainer der Eisernen auch den letzten Gegner kennengelernt, der ihm aus eigenem Erleben noch ein wenig fremd war. Zwar hatte in der Hinrunde schon nicht mehr Urs Fischer an der Seitenlinie gestanden, aber auch noch nicht Bjelica. U 19-Coach Marco Grothe war eingesprungen und hatte gemeinsam mit Assistentin Marie-Louise Eta mit einem 1:1 die nervige Serie von neun Niederlagen in Ligaspielen beendet.

Es war für Bjelica eine Halbserie mit mancher Höhe, die zugleich in manche Tiefe geführt hat. Letzteres vor allem ihn selbst, denn sein doppelter Grapscher ins Gesicht von Leroy Sané, dem Nationalspieler von Bayern München, bleibt für immer mit dem Kroaten verbunden und alles andere als ein Glanzmoment einer Trainerkarriere.

Dafür hat er nach dem 0:1 jüngst im Heimspiel gegen Fast-Meister Leverkusen damit überrascht, dass er in der Pressekonferenz die Frage eines spanischen Journalisten an Bayer-Coach Xabi Alonso ins Deutsche übersetzte und sein Faible für Sprachen unterstrich. Gelernt hat er es in seiner Zeit in Albacete. „Um mein erstes Interview in Spanisch zu geben“, sagt Bjelica, „habe ich vier Monate gebraucht. Das ging ziemlich schnell. Das Deutsche hat etwa ein Jahr gedauert.“

1. FC Union Berlin: Kehrt Robin Gosens zu seinem Ex-Klub zurück?

gestern

„Alles Andras“ – die Fan-Kolumne zum 1. FC Union Berlin: Die etwas andere Auswärtsfahrt

vor 4 Std.

Aus seiner Zeit in Albaceste ist zudem eine nette Episode überliefert, die den Union-Coach durchaus mit Stolz erfüllt. Als Bjelica dort spielte, kam ein zehnjähriger Steppke zu diesem Verein, war Balljunge und lernte dort sein Fußball-Abc. Als eines seiner Idole damals nannte er: Nenad........

© Berliner Zeitung


Get it on Google Play