„Es gibt nur ein’ Rudi Völler …“ Manchmal noch stimmen Fans während eines Spiels diese Melodie und den dazugehörigen Text an. Zuletzt ist diese Fast-schon-Hymne vor gut einem halben Jahr erklungen. In Dortmund war es, etwas über 60.000 Zuschauer waren dabei, und Völler hatte nach dem Glücklos-Intermezzo von Hans-Dieter Flick für ein einziges Mal wieder das Nationalteam betreut und es, kaum zu glauben, prompt zum 2:1-Sieg gegen Frankreich geführt. Es ähnelte einem Lichtstrahl.

Nicht mehr viel ist rund um das Nationalteam wie im Herbst. Na gut, am Sonnabend, zum Start ins Jahr der Heim-Europameisterschaft (ab 14. Juni), ist wie damals der Vizeweltmeister um den Stürmerstar Kylian Mbappé der Gegner. In Lyon wird ab 21 Uhr (live im ZDF) gespielt, bevor am Dienstag die Niederlande in Frankfurt am Main (20.45 Uhr, RTL) zu Gast sind und das Testländerspiel-Doppel komplettieren. Auch Rudi Völler ist dabei, nur eben wieder in seiner Funktion als Sportdirektor des Nationalteams der Männer.

Nicht dabei bei Les Bleus ist übrigens Antoine Griezmann, der damalige Torschütze. Ohne den Offensivmann von Atlético Madrid sind die Franzosen nicht vorstellbar. Eigentlich. Seit 2016 hat Griezmann in keinem Länderspiel des 2018er-Weltmeisters gefehlt. 84 seiner insgesamt 127 Einsätze für die Équipe Tricolore hat er bestritten, ohne einmal zu fehlen. Eine einmalige und weltweit rekordverdächtige Bilanz.

Nun bremst ihn eine Knöchelverletzung aus, und der Trainer Didier Deschamps ist erstmals gefordert, sich für den Dauerbrenner etwas einfallen zu lassen. Griezmann sei angesichts seiner besonderen Fähigkeiten und Eigenschaften „nicht unersetzlich, aber unverzichtbar“, sagt der Coach, „deshalb werden wir die Dinge anders regeln müssen als mit ihm“.

•heute

19.03.2024

•vor 2 Std.

20.03.2024

19.03.2024

Fehlen wird auch Robin Gosens, damals als Einwechsler in die Partie gekommen. Es ist für den Mittelfeldspieler des 1. FC Union Berlin die Frage, ob er nach zwanzig Länderspielen überhaupt die Chance auf sein einundzwanzigstes bekommt und ob er beim EM-Turnier dabei sein wird. Extra deswegen ist er im Spätsommer von Inter Mailand in die Bundesliga gewechselt, um sich beim Bundestrainer in den Fokus zu spielen. Die Gefahr droht, dass diese Rechnung nicht aufgeht.

Ein Problem ganz anderer Art hat, um bei den Eisernen aus Köpenick zu bleiben, Alexander Schwolow. Für ihn (oder auch gegen ihn) gilt, etwas abgewandelt zu „Es gibt nur ein’ Rudi Völler …“, ein „Es kann nur einen geben“. Einen Torhüter nämlich. Der trug in dieser Saison nur einmal den Namen Schwolow auf seinem Trikotrücken, Anfang Februar beim 0:2 in Leipzig. Da durfte der 31-Jährige zeigen, dass auch er das Zeug zu einer Nummer 1 hat.

Viel öfter darf er nur Unterstützer für Frederik Rönnow sein, den Dänen, der mit seinem Nationalteam jeweils in Kopenhagen am Sonnabend gegen die Schweiz und am Dienstag gegen die Faröer im Aufgebot des Trainers Kasper Hjulmand steht – dort aber im Schatten des Torhüter-Kollegen Kasper Schmeichel. Obwohl sich Rönnow beim 2:1-Sieg vor einer Woche gegen Werder Bremen beim Gegentor einen Patzer leistete, ist er beim Union-Trainer Nenad Bjelica unumstritten. Für Schwolow bleibt das fragwürdige Privileg eines kostenlosen Tickets für den besten Platz im Stadion – auf der Reservebank.

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Seit Jahren schon geht Schwolow einen ziemlich steinigen Weg. Beim Stadtrivalen der Eisernen in Charlottenburg verlor er alsbald seinen Startplatz. Ausgeliehen wurde er sogar, auch noch zu Schalke, dem ausgemachten Lieblingsfeind der Hertha. Dort erwischte es Schwolow in der vorigen Saison gleich mit einem doppelten Abstieg: mit der Hertha als Tabellenschlusslicht sozusagen in Abwesenheit und mit den Schalkern als Vorletzter. Viel schlimmer geht es nicht.

Trotzdem könnte noch in dieser Spielzeit Schwolows Stunde schlagen. Erstmals im Stadion An der Alten Försterei. In einem Punktspiel. Zum Saison-Halali, wenn der SC Freiburg nach Köpenick kommt und es einen denkwürdigen Abschied zu begehen gilt. Den von Christian Streich. Der hochdekorierte Trainer-Veteran der Breisgauer ist auf Abschiedstournee, und die Partie im Ballhaus des Ostens ist nach 29 Jahren beim SC und nach zwölf bei den Profis seine letzte. Schwolow hat eine langjährige Verbindung zu Streich und würde ihm allzu gern die Ehre erweisen.

Viele Jahre ist Schwolow mit Streich in Freiburg durch dick und dünn gegangen. Als der eine dort anfing, war der andere schon da. Oder umgekehrt. Etliche Schlachten haben sie gemeinsam geschlagen. Als Schwolow das Tor der Freiburger Junioren gehütet hat und Streich deren Nachwuchscoach war, holten sie zusammen den deutschen A-Jugend-Pokal. Auch später haben sie zusammen gewonnen und zusammen verloren. Sie sind gemeinsam abgestiegen und ein Jahr später gemeinsam wieder aufgestiegen.

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Als Streich mal aufgrund seiner Impulsivität die Seitenlinie verlassen musste und mit einer Roten Karte auf die Tribüne verbannt wurde, war das für den Schlussmann keines Aufhebens wert: „Generell lieben und schätzen wir seine emotionale Art. Ich kenne es seit zehn Jahren nicht anders.“ Andererseits litt Streich mit seinem einstigen Schützling, als es bei dem nach seinem Fortgang aus dem Süden der Republik nicht lief und es ihm nicht gelang, Fuß zu fassen. „Bei uns“, sagte der Trainer, „hat er richtig gut gespielt. Aber hier ist es auch ruhig, und da war er sehr stabil. Später ist er in ein Fahrwasser gekommen, wo es für ihn nicht einfach war. Den Druck war er nicht gewohnt.“

Selbst Differenzen räumten sie auf ihre spezielle Weise aus. Als Streich seinen damaligen Schlussmann während eines Spiels, das sie letztlich deutlich gewannen, gestenreich zur Schnecke machte und Schwolow aus großer Entfernung ein wenig despektierlich reagierte, meinte Streich nur: „Ich war mit was nicht einverstanden. Er war dann nicht einverstanden mit mir. Es ist nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen. Auch nicht in Freiburg. Trotzdem geht’s dann weiter.“ Dabei war der Grund des Streits ein lapidarer. Schwolow habe in einer Situation nicht ganz den Ball gespielt, den der Coach habe sehen wollen. „Ich“, so der Torhüter, „habe dann meinen Unmut geäußert. Aber wir hatten zwei Minuten später schon wieder Augenkontakt, und er hat mich wieder angelacht.“

Wie es geht, dass Schwolow und Streich das letzte Halleluja des Trainer-Oldies gemeinsam – der eine im Kasten des einheimischen und der andere in der Coachingzone des gegnerischen – bestreiten? Sie bräuchten einen Dritten in ihrem Bunde: Nenad Bjelica. Und sie bräuchten die perfekte Tabellenkonstellation.

Streich selbst hat so etwas schon mal zum Abschluss der Saison 2018/19 praktiziert, an deren Ende, dieser Schwenk drängt sich geradezu auf, der 1. FC Union Berlin sich seinen Traum von der Bundesliga erfüllte. An 33 Spieltagen also stand Schwolow im Kasten der Freiburger. Nicht eine einzige Minute hatte er gefehlt. Die letzten anderthalb Stunden aber musste er auf die Bank. Im abschließenden Spiel, einem 5:1 gegen Nürnberg, durfte Mark Flekken, damals in seinem ersten Jahr im Breisgau, seine Premiere in der Bundesliga feiern. Es ging für den SC um nichts mehr, er landete auf Tabellenplatz 13. Und: Es war der 18. Mai.

Vielleicht geht es zum Saison-Kehraus diesmal auch für den 1. FC Union Berlin um nichts mehr. Tabellenplatz 13, der vor dem letzten Spiel eingetütet sein sollte, würden die Eisernen nach dieser über viele Herbstrunden grausigen Spielzeit wahrscheinlich kritiklos akzeptieren. Gut und gern könnte Schwolow dann seinem Lehrmeister den Abschied in der Fremde ein klein wenig persönlicher gestalten und ihn mit der einen oder anderen feinen Parade erfreuen. Über einen angeblich falschen Ball, den der Trainer so nicht habe sehen wollen, würden sie nicht mehr in Disput geraten. Sie würden sich wahrscheinlich nur noch anlachen. Neunzig Minuten lang. Und auch das würde passen: Es ist wieder ein 18. Mai.

QOSHE - Was Union-Keeper Schwolow mit Freiburg-Coach Streich verbindet - Andreas Baingo
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Was Union-Keeper Schwolow mit Freiburg-Coach Streich verbindet

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22.03.2024

„Es gibt nur ein’ Rudi Völler …“ Manchmal noch stimmen Fans während eines Spiels diese Melodie und den dazugehörigen Text an. Zuletzt ist diese Fast-schon-Hymne vor gut einem halben Jahr erklungen. In Dortmund war es, etwas über 60.000 Zuschauer waren dabei, und Völler hatte nach dem Glücklos-Intermezzo von Hans-Dieter Flick für ein einziges Mal wieder das Nationalteam betreut und es, kaum zu glauben, prompt zum 2:1-Sieg gegen Frankreich geführt. Es ähnelte einem Lichtstrahl.

Nicht mehr viel ist rund um das Nationalteam wie im Herbst. Na gut, am Sonnabend, zum Start ins Jahr der Heim-Europameisterschaft (ab 14. Juni), ist wie damals der Vizeweltmeister um den Stürmerstar Kylian Mbappé der Gegner. In Lyon wird ab 21 Uhr (live im ZDF) gespielt, bevor am Dienstag die Niederlande in Frankfurt am Main (20.45 Uhr, RTL) zu Gast sind und das Testländerspiel-Doppel komplettieren. Auch Rudi Völler ist dabei, nur eben wieder in seiner Funktion als Sportdirektor des Nationalteams der Männer.

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Nun bremst ihn eine Knöchelverletzung aus, und der Trainer Didier Deschamps ist erstmals gefordert, sich für den Dauerbrenner etwas einfallen zu lassen. Griezmann sei angesichts seiner besonderen Fähigkeiten und Eigenschaften „nicht unersetzlich, aber unverzichtbar“, sagt der Coach, „deshalb werden wir die Dinge anders regeln müssen als mit ihm“.

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19.03.2024

•vor 2 Std.

20.03.2024

19.03.2024

Fehlen wird auch Robin Gosens, damals als Einwechsler in die Partie gekommen. Es ist für den Mittelfeldspieler des 1. FC Union Berlin die........

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