Das Seidenhuhn ist eine sehr hübsche Geflügelrasse. Das Huhn ist klein, und sein Federkleid mutet recht plüschig an. Dem aus Asien stammenden Vogel wird ein äußerst sozialer Charakter nachgesagt. „Auch wegen ihres harmonischen Wesens können sie als perfekte Anfängerhühner empfohlen werden“, heißt es auf einer Züchterseite im Internet.

Eine Anfängerin in der Hühnerhaltung war Mandy R. damals auch. Anfang vergangenen Jahres überließ ihr jemand zwei Seidenhühner, die sie fortan in ihrer Wohnung in Niederschöneweide hielt. „Sie war sehr verliebt in ihre Hühner“, sagt ihre Verteidigerin, als sich die 41-jährige Mandy R. an diesem Mittwoch vor dem Amtsgericht Tiergarten wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte verantworten muss. Was war passiert?

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Am 23. Januar gackerten die Tiere in ihrer Wohnung zu laut. Sie wollte mit ihnen deshalb an die Luft, wie die Angeklagte sagt. Also steckte sie die Hühner in ihre Handtasche und fuhr mit ihnen ans Spreeufer. Zwei Mitarbeiterinnen des Veterinäramtes von Treptow-Köpenick und eine Praktikantin waren zufällig auch dort. Sie wollten eigentlich einen Hund überprüfen. Aber sie sahen, dass die Frau eines der Hühner im Gras picken ließ. Die Tierärztinnen wollten wissen, ob die Vögel angemeldet und registriert sind.

Sie gingen zu der Frau, und eine Beamtin zeigte ihr ihren Ausweis. Sie wiesen darauf hin, dass man die Hühner nicht in einer Handtasche transportieren dürfe. Wegen der Geflügelpest durften Hühner auch nicht frei herumlaufen. Außerdem seien Seidenhühner kälteempfindlich. Sie forderten Mandy H. auf, ihre Personalien anzugeben.

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Mandy H., eine dünne Frau, die nervös auf dem Stuhl im Gerichtssaal herumrutscht, sagt: „Sie haben sich nicht ausgewiesen, sie sind auf mich zu gerannt und haben mir die Tasche mit den Hühnern aus der Hand gerissen. So was macht man ja nicht. Da hab’ ich rotgesehen.“ Sie habe gedacht, man wolle ihr die Hühner stehlen.

Tierärztin Janine B., die als Zeugin geladen ist, sagt: „Es war gar nicht geplant, die Hühner sicherzustellen. Ich war erstaunt, wie schnell sich das alles hochspulte.“ Nach ihrer Schilderung stopfte die Frau das Huhn zu dem anderen Huhn in die Tasche und verdrehte dabei auch noch den Kopf des Tieres. Mit artgerechtem Transport hatte das alles nichts zu tun. Dann warf die Frau die Handtasche über ihre Schulter und schwang sich aufs Fahrrad, worauf sich ihr die Ärztin in den Weg stellte.

Nun griff Mandy R. die Tierärztin an. Sie nahm Janine B. in den Schwitzkasten und schlug sie. Deren Kollegin nahm die Hühnertasche, worauf die Angreiferin von der Tierärztin abließ und nun auf deren Kollegin einschlug. Als die Angreiferin erneut auf Janine B. losging, gelang es der Kollegin, die Tasche im Kofferraum ihres Dienstautos zu verstauen. Die Praktikantin wählte derweil den Notruf der Polizei. Mandy H. rief immer wieder: „Das sind meine Hühner!“

„Ich verstehe ja, sie war allein und wir zu dritt. Aber warum muss sie mich denn angreifen?“, fragt Janine B. „Wir haben ihr mehrmals gesagt, dass wir vom Veterinäramt sind. Sie hat es wohl nicht wahrgenommen“, räumt sie ein.

Die Veterinärin war danach krankgeschrieben. Sie hatte Schmerzen an Hals, Schulter und Rücken. Ihre Kollegin hatte ein geschwollenes Augenlid, eine Schädelprellung und eine Halswirbelsäulen-Verstauchung. Die Seidenhühner kamen ins Tierheim. „Sie sahen nicht gut aus“, sagt die Beamtin.

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Was anmutet wie ein skurriler Streit, ist ein weiterer Punkt in einem Leben voller Probleme. Mandy H., von Beruf Schneiderin, lebt von Sozialhilfe. Sie hat Schulden. Diese resultieren wohl auch aus ihren vielen Geldstrafen. Sechs Verurteilungen wegen Diebstahl stehen im Zentralregister, davon einmal zu zwei Monaten Haft, ausgesetzt zur Bewährung.

Für tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte und gleichstehende Personen kann Haft zwischen drei Monaten und fünf Jahren drohen. Die Richterin folgt dem Antrag der Staatsanwaltschaft und verurteilt die Frau wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu 120 Tagessätzen zu je zehn Euro. Die Kosten des Verfahrens muss sie ebenso tragen.

Sie habe die Veterinärärztinnen „enorm angegangen“, begründet die Richterin. „Sie haben auch erhebliche Vorstrafen. Ich denke, sie sind hier ganz gut weggekommen.“

Schon vor dem Urteil hatte die Anwältin gesagt, dass ihre Mandantin die Hühner gern besuchen würde. Und Mandy H. sagte zu der Tierärztin: „Es tut mir leid. Ich möchte mich entschuldigen.“

QOSHE - Hühner in der Handtasche: Berlinerin verprügelt und verletzt zwei Tierärztinnen - Andreas Kopietz
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Hühner in der Handtasche: Berlinerin verprügelt und verletzt zwei Tierärztinnen

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24.04.2024

Das Seidenhuhn ist eine sehr hübsche Geflügelrasse. Das Huhn ist klein, und sein Federkleid mutet recht plüschig an. Dem aus Asien stammenden Vogel wird ein äußerst sozialer Charakter nachgesagt. „Auch wegen ihres harmonischen Wesens können sie als perfekte Anfängerhühner empfohlen werden“, heißt es auf einer Züchterseite im Internet.

Eine Anfängerin in der Hühnerhaltung war Mandy R. damals auch. Anfang vergangenen Jahres überließ ihr jemand zwei Seidenhühner, die sie fortan in ihrer Wohnung in Niederschöneweide hielt. „Sie war sehr verliebt in ihre Hühner“, sagt ihre Verteidigerin, als sich die 41-jährige Mandy R. an diesem Mittwoch vor dem Amtsgericht Tiergarten wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte verantworten muss. Was war passiert?

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© Berliner Zeitung


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