Nicht einmal mehr zwei Monate sind es bis zum Beginn der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland. Die „Euro 2024“ wird am 14. Juni in München eröffnet und endet am 14. Juli mit dem Finale in Berlin. Für die Sicherheitsbehörden bedeutet das Fußballfest die größte Herausforderung seit vielen Jahren.

Sie stellen sich auf verschiedene Bedrohungen ein: auf Terror, die Möglichkeit einer Massenpanik, Gewaltausbrüche unter Hooligans – und auf vermehrte alltägliche Kriminalität wie bandenmäßige Aktivitäten von Taschendieben.

Millionen Fußballfans werden in Berlin erwartet. Die Straße des 17. Juni in Tiergarten wird in ein riesiges Festgelände verwandelt. Im Olympiastadion, in das 71.000 Zuschauer passen, werden sechs Spiele ausgetragen: drei Vorrundenspiele, darunter Spanien gegen Kroatien, dazu ein Achtel- und ein Viertelfinale und das Endspiel am 14. Juli.

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Hört man sich in den Sicherheitsbehörden um, etwa bei der Berliner Polizei oder in der Senatsverwaltung für Inneres, dann geben sich – zumindest nach außen hin – alle grundentspannt. Die Polizei müsse die Sicherheitsvorgaben des Veranstalters, der Uefa, erfüllen. Deshalb tagen seit Monaten Arbeitsgruppen. In ihnen sitzen unter anderem der Staatsschutz sowie Analysten für Internetermittlungen, die das Netz nach Gewaltaufrufen durchforsten, sowie Beamte der Landesinformationsstelle Sport, die die Aktivitäten von Hooligans verfolgen. Vertreten sind leitende Beamte der Direktion Einsatz, die die Hundertschaften der Bereitschaftspolizei koordiniert.

„Wir haben bereits Erfahrungen beim Ausrichten der Weltmeisterschaft 2006 gemacht“, sagt ein Beamter aus der Berliner Polizeibehörde. „Daran orientieren wir uns und aktualisieren entsprechend unsere Sicherheitskonzepte.“

Das hört sich entspannt an. Doch 2006 waren Islamisten noch nicht auf die Idee gekommen, mit Lastwagen in Menschenmengen zu rasen, wie etwa beim Lkw-Anschlag in Nizza im Juli 2016, bei dem 86 Menschen getötet und mehr als 400 verletzt wurden. Menschenmengen als „weiche Ziele“ waren 2006 bei Islamisten ebenfalls noch nicht so stark im Visier. Inzwischen gibt es in verschiedenen Terror-Postillen Aufrufe und Anleitungen zum Zuschlagen.

18.04.2024

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•vor 3 Std.

Berliner Neonazi niedergestochen: War es die linksextreme „Hammerbande“?

gestern

Kürzlich berichtete die Bild-Zeitung, dass islamistische Terroristen die Fußball-EM immer offensiver ins Visier nähmen und zitierte aus der aktuellen Ausgabe der „Voice of Khorasan“, dem Propaganda-Magazin der Terrormiliz ISPK, dem gefährlichsten Ableger des „Islamischen Staates“. Aufgerufen wird darin, Anschläge auf den öffentlichen Nahverkehr zu verüben oder ein Fußballstadion mit einer Drohne aus der Luft anzugreifen.

Die Gefahr durch Killer-Drohnen gibt es erst seit einigen Jahren. Das Land Berlin investiert deshalb mehr als drei Millionen Euro in Technik zur Drohnenabwehr und beteiligt sich an einem gemeinsamen Projekt mit dem BKA. Angeschafft werden unter anderem sogenannte Jammer: Geräte, die die Funksignale einer ferngesteuerten Drohne stören. Die Technik soll nicht nur die EM schützen, sondern in Zukunft auch Einrichtungen der Kritischen Infrastruktur.

Ebenso hat nach Angaben aus Ermittlerkreisen auch das Bundeskriminalamt Drohnenabwehr installiert: im Parlaments- und Regierungsviertel und am Sitz des Bundesnachrichtendienstes in Mitte, weil dort im vergangenen Jahr eine ungewöhnlich hohe Zahl an ungeklärten Drohnen-Überflügen festgestellt wurde.

Die Bedrohung durch islamistischen Terror in Europa wird von den Behörden derzeit als äußerst hoch eingeschätzt, nicht zuletzt wegen der Lage in Nahost. So bereitet sich die französische Regierung darauf vor, die für den 26. Juli angesetzte Feier zur Eröffnung der Olympischen Spiele notfalls zu verlegen. Eigentlich soll die Zeremonie auf der Seine stattfinden. Präsident Macron sprach nun von einer Alternative an Land für den Fall, dass sich die Sicherheitslage verschlechtert. Nach dem Anschlag auf eine Konzerthalle in Moskau durch den IS Khorasan hatte Frankreich im März die höchste Terrorwarnstufe ausgerufen.

Aus der Berliner Innenverwaltung und der Polizei sind die üblichen Statements zu hören: Die Terrorgefahr sei abstrakt hoch, aber es lägen derzeit keine konkreten Hinweise auf einen geplanten Anschlag vor. Man sei im ständigen bundesweiten Austausch mit den anderen Behörden und werde die Sicherheitsmaßnahmen der aktuellen Lage anpassen. Unruhe soll nicht verbreitet werden.

Bei der Berliner Polizei werden die Mitarbeiter in bestimmten Bereichen keinen Urlaub nehmen und keine Überstunden abbauen dürfen. Diese Regelung wird flexibel gehalten und ist lageabhängig. Bereits mit den Fanfesten und Public-Viewing-Bereichen wird es genug zu tun geben. Die 36 Vorrundenspiele sollen erst um 21 Uhr beginnen. In der Finalrunde finden neun von 15 Spielen am Abend statt. Die meisten Spiele enden somit erst nach der gesetzlichen Nachtruhe. Das dürfte Konflikte mit Anwohnern erzeugen.

Als wunder Punkt gelten etwa die vielen Public-Viewing-Veranstaltungen. Die größte wird wieder die Fanmeile auf der Straße des 17. Juni zwischen Siegessäule und Brandenburger Tor sein, wo sämtliche Spiele live verfolgt werden können. Zudem gibt es dort ein umfangreiches Kulturprogramm. Die Bereiche um die Zugänge zur Fanmeile werden mit Überfahr-Sperren versehen, damit kein Auto in die Menschenmenge fahren kann. Die Polizei wird nicht nur massiv in Uniform, sondern auch in Zivil in der Menge unterwegs sein.

Gebraucht werden große Scharen an Polizisten auch, um anreisende Fans zu begleiten. Als problematisch gelten etwa manche Fußballanhänger aus Polen, den Niederlanden und England. Die Hooligans, die sich in der Vergangenheit gern zu Massenschlägereien verabredeten, haben die szenekundigen Beamten der Landesinformationsstelle Sporteinsätze ebenfalls im Auge. Allerdings sei das Thema Hooligans in letzter Zeit nicht mehr so akut wie früher, sagt ein Beamter. Die Szene sei etwas ruhiger geworden.

Wieviele Beamte während der EM im Einsatz sein werden, ist der Polizei noch nicht klar. Das hänge von der Gefährdungslage ab, heißt es. Ohne Unterstützung aus anderen Bundesländern wird die Berliner Polizei allerdings nicht auskommen. Nordrhein-Westfalen, das stets große Kontingente in die Hauptstadt entsendet, wird seine Einsatzkräfte größtenteils selber benötigen. Nicht nur, weil auch im Ruhrpott mehrere EM-Spiele stattfinden, Ende Juni will auch noch die AfD in Essen ihren Bundesparteitag mit 600 Delegierten abhalten. Das bindet jede Menge Polizei, um Störungen von linker Seite zu unterbinden.

Um die Sicherheitsauflagen der Uefa zu erfüllen, wird behördenübergreifend geübt. Im August vergangenen Jahres gab es eine dreitägige Stabsrahmenübung, bei der die Polizei Berlin gemeinsam mit der Projektgruppe Euro 2024 der Senatsverwaltung für Inneres und Sport, der Feuerwehr und der Bundespolizei die Zusammenarbeit trainierte. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe hatte dafür Szenarien entwickelt und die Übung, an der 200 Menschen beteiligt waren, geleitet.

Geübt wurde eine eskalierende Lage im ausverkauften Olympiastadion, wo die Begegnung zweier Mannschaften und deren Anhänger im Voraus als Hochrisikospiel eingestuft wurde. Danach verkündete Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD): „Sich auf unterschiedlichste Szenarien vorzubereiten, Begegnungsansätze auszubauen und das Zusammenspiel der Sicherheitsbehörden vorzudenken, ist daher ein absolutes Muss.“

In der vergangenen Woche gab es in der Leitstelle der Berliner Feuerwehr eine Übung. Angenommen wurde ein Szenario mit Hunderten Verletzten, darunter vielen Schwerverletzten und sieben Toten. In dem Szenario hatten Fußballfans in einem Tunnel einen Zug durch Pyrotechnik in Brand gesetzt.

An jedem der sechs Spieltage in Berlin wird die Berliner Feuerwehr eine „EM-Schicht“ einrichten, um bei einer außergewöhnlichen Situation reagieren zu können. Behördensprecher Vinzenz Kasch sagt dazu: „Was wir an Personal und Einsatzmitteln aufbieten werden, das ist wie sechs Mal Silvester.“

QOSHE - Terror und Massenpanik: Wie Berlins Polizei verhindern will, dass die EM zur Katastrophe wird - Andreas Kopietz
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Terror und Massenpanik: Wie Berlins Polizei verhindern will, dass die EM zur Katastrophe wird

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20.04.2024

Nicht einmal mehr zwei Monate sind es bis zum Beginn der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland. Die „Euro 2024“ wird am 14. Juni in München eröffnet und endet am 14. Juli mit dem Finale in Berlin. Für die Sicherheitsbehörden bedeutet das Fußballfest die größte Herausforderung seit vielen Jahren.

Sie stellen sich auf verschiedene Bedrohungen ein: auf Terror, die Möglichkeit einer Massenpanik, Gewaltausbrüche unter Hooligans – und auf vermehrte alltägliche Kriminalität wie bandenmäßige Aktivitäten von Taschendieben.

Millionen Fußballfans werden in Berlin erwartet. Die Straße des 17. Juni in Tiergarten wird in ein riesiges Festgelände verwandelt. Im Olympiastadion, in das 71.000 Zuschauer passen, werden sechs Spiele ausgetragen: drei Vorrundenspiele, darunter Spanien gegen Kroatien, dazu ein Achtel- und ein Viertelfinale und das Endspiel am 14. Juli.

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11.04.2024

Hört man sich in den Sicherheitsbehörden um, etwa bei der Berliner Polizei oder in der Senatsverwaltung für Inneres, dann geben sich – zumindest nach außen hin – alle grundentspannt. Die Polizei müsse die Sicherheitsvorgaben des Veranstalters, der Uefa, erfüllen. Deshalb tagen seit Monaten Arbeitsgruppen. In ihnen sitzen unter anderem der Staatsschutz sowie Analysten für Internetermittlungen, die das Netz nach Gewaltaufrufen durchforsten, sowie Beamte der Landesinformationsstelle Sport, die die Aktivitäten von Hooligans verfolgen. Vertreten sind leitende Beamte der Direktion Einsatz, die die Hundertschaften der Bereitschaftspolizei koordiniert.

„Wir haben bereits Erfahrungen beim Ausrichten der Weltmeisterschaft 2006 gemacht“, sagt ein Beamter aus der Berliner Polizeibehörde. „Daran orientieren wir uns und aktualisieren entsprechend unsere Sicherheitskonzepte.“

Das hört sich entspannt an. Doch 2006 waren Islamisten noch nicht auf die Idee gekommen, mit........

© Berliner Zeitung


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