Katarzyna Meister ist ein wenig außer Atem. „Ich komme heute kaum zur Ruhe“, gesteht die Mitarbeiterin von GRG, einer der größten Gebäudereinigungsfirmen Deutschlands. Sie steht an einem Stand im Erdgeschoss der Industrie- und Handelskammer (IHK) im Ludwig-Erhard-Haus an der Fasanenstraße 85. Um sie herum laufen Menschen, sie sprechen Arabisch, Ukrainisch, Türkisch. Sie sind Flüchtlinge und suchen einen Job. Hier auf der Messe können sie es.

Katarzyna Meister lächelt: „Wir haben heute schon ganz viele Interessierte beraten, kommen kaum aus dem Reden raus. Meist sind es Frauen.“ Was ist für sie besonders wichtig bei Bewerbern? „Es steht und fällt leider mit der Sprache. Bei uns gibt es aber auch die Möglichkeit, weiter an Sprachkursen teilzunehmen“, sagt sie.

Es ist 13 Uhr, die Jobmesse für Flüchtlinge, an der sich 90 Unternehmen beteiligen, zählt bereits mehr als 3000 Besucher, später werden es 4500 sein. FuTog Berlin (#FutureTogetherBerlin) heißt die Veranstaltung, zu der zum fünften Mal die zwölf Berliner Jobcenter, die IHK Berlin, die Handwerkskammer Berlin und die Berliner Arbeitsagenturen eingeladen haben. Ziel ist es, dass Menschen mit Flucht- und Migrationserfahrung mit Arbeitgebern in Kontakt kommen können und so neue berufliche Möglichkeiten kennenlernen.

„Ein Job-Turbo vor Ort, um gemeinsam die Chancen für Integration in Arbeit zu nutzen“, wie Daniel Terzenbach sagt. Er ist der Sonderbeauftragte der Bundesregierung für die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten, die für ihn „sowohl eine gesamtgesellschaftliche Chance, aber noch vielmehr ökonomische Notwendigkeit“ ist. In diesem Jahr sollen bundesweit 2500 solcher Veranstaltungen im Rahmen des Job-Turbos stattfinden.

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15.04.2024

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Ziel ist es, die Menschen auch aus dem Bürgergeld herauszuholen. In Berlin sind (Stand März 2024) 25.082 Flüchtlinge arbeitslos, einschließlich Ukrainerinnen und Ukrainer. Bundesweit sind es um die 400.000.

Es erinnert ein wenig an Speeddating an diesem Tag. Oder wie es Berlins SPD-Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe sagt: „Das ist ein perfekter Ort für ein persönliches Kennenlernen und ein erfolgreiches Matching.“ Die Menschen ziehen von Stand zu Stand, reden kurz, hinterlassen ihre Lebensläufe und tauschen Visitenkarten. Über 90 Arbeitgeber aus Handel, Handwerk, Industrie, Dienstleistung, IT, Sicherheit, Verkehr und Logistik sind in diesem Jahr bei der Messe dabei. Auch sie haben Bedarf, suchen händeringend Personal. Etwa 200.000 Fachkräfte fehlen derzeit in Berlin.

Die Bezahlkarte für Flüchtlinge kommt – aber Berlin zaudert

10.04.2024

Senat sucht weitere Standorte für Flüchtlingsunterkünfte

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Eine Firma ist die Frisch & Faust Tiefbau GmbH. 200 Menschen arbeiten in dem Unternehmen, etwa 30 haben Migrationshintergrund. Für den kaufmännischen Leiter Dieter Mießen ist vollkommen klar, dass auch die Wirtschaft an der Integration mitarbeiten muss, sogar in der Pflicht steht. Gerade in Berlin, wo 27 Prozent der Erwerbstätigen Migrationshintergrund hätten, sagt er. Jetzt stellen sich wieder zwei junge Syrer an seinen Stand und nehmen Flyer mit.

Auch Messebesucherin Atefa Mansouri (60) ist an diesem Tag auf der Suche und schon eine Weile in den Hallen unterwegs. Die Afghanin lebt seit vier Jahren mit ihrem Sohn in Berlin. Sie spricht sehr gut Deutsch. „Ich hätte gerne einen Job, es kann auch eine neue Ausbildung sein“, sagt sie.

Jüngst habe sie eine Weiterbildung in der Gastronomie gemacht, ansonsten sei sie gelernte Sozialarbeiterin und habe außerdem Wirtschaft studiert. Für sie ist der Job auch der Schlüssel zur Integration, sagt sie. Ansonsten fühle sie sich nicht wohl. Aber zurück in ihr Land wolle sie auch nicht. „Wir haben hier ein besseres Leben ohne Krieg“, sagt sie.

So sieht das auch Tetiana. Die 35-Jährige ist Ukrainerin, kam vor zwei Jahren mit ihrer Tochter nach Berlin. Auch sie sucht Arbeit. „Ich bin gelernte Bankkauffrau und Finanzanalystin“, sagt sie. In dem Bereich würde sie gerne weiterarbeiten, „auch um mich besser zu integrieren“. „Meiner Tochter gelingt das besser, sie geht aber auch hier zur Schule“, sagt sie.

„Arbeit ist wichtig, denn wer arbeitet, dem fällt es leichter, sich zu integrieren“, sagt auch die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, die am Mittwoch ebenfalls in der Messe ist. Im Job knüpfe man Kontakte und lerne die deutsche Sprache schneller, sagt sie, fügt hinzu: „Um den deutschen Arbeitsmarkt zu verstehen, um einen Job zu finden, der auch wirklich zu den eigenen Qualifikationen passt, brauchen Geflüchtete unsere Unterstützung.“

Ob es an jenem Tag bei vielen geklappt hat, ist unklar. Ein junger Mann aus Syrien schaut etwas resigniert. „Ich habe zahlreiche Lebensläufe verteilt, doch ob sich die Firmen zurückmelden, sehen wir“, sagt er und zuckt mit den Schultern. Und auch ein Unternehmer sagt: „Es ist ein erstes Beschnuppern, alles andere wird sich zeigen. “

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Jung, geflüchtet, arbeitslos: Kann dieses Berliner Job-Speeddating helfen?

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17.04.2024

Katarzyna Meister ist ein wenig außer Atem. „Ich komme heute kaum zur Ruhe“, gesteht die Mitarbeiterin von GRG, einer der größten Gebäudereinigungsfirmen Deutschlands. Sie steht an einem Stand im Erdgeschoss der Industrie- und Handelskammer (IHK) im Ludwig-Erhard-Haus an der Fasanenstraße 85. Um sie herum laufen Menschen, sie sprechen Arabisch, Ukrainisch, Türkisch. Sie sind Flüchtlinge und suchen einen Job. Hier auf der Messe können sie es.

Katarzyna Meister lächelt: „Wir haben heute schon ganz viele Interessierte beraten, kommen kaum aus dem Reden raus. Meist sind es Frauen.“ Was ist für sie besonders wichtig bei Bewerbern? „Es steht und fällt leider mit der Sprache. Bei uns gibt es aber auch die Möglichkeit, weiter an Sprachkursen teilzunehmen“, sagt sie.

Es ist 13 Uhr, die Jobmesse für Flüchtlinge, an der sich 90 Unternehmen beteiligen, zählt bereits mehr als 3000 Besucher, später werden es 4500 sein. FuTog Berlin (#FutureTogetherBerlin) heißt die Veranstaltung, zu der zum fünften Mal die zwölf Berliner Jobcenter, die IHK Berlin, die Handwerkskammer Berlin und die Berliner Arbeitsagenturen eingeladen haben. Ziel ist es, dass Menschen mit Flucht- und Migrationserfahrung mit Arbeitgebern in Kontakt kommen können........

© Berliner Zeitung


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