Für Kanzler Olaf Scholz sind es unbequeme Zeiten – die Umfragewerte für ihn und seine Ampel-Koalition sinken, immer wieder muss er viel Schelte einstecken, aktuell, weil er keine Taurus-Marschflugkörper in die Ukraine liefern möchte. Dann ist da noch die Debatte um die Flüchtlingskrise, die genauso zeigt, wie zerstritten die Regierung meistens ist.

Da wirkt seine Teilnahme am Freitagabend in der NDR-Talkshow „3nach9“ etwas irritierend, wie ein lauschiges Kaffeekränzchen. Ganz nach dem Motto: Der Olaf kann auch mal anders, nicht ganz so steif und verkopft über die Lage der Ampel-Koalition, die Liebe zu seiner Ehefrau Britta Ernst, Zander und den warmherzigen Papst plaudern.

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Er ist allerdings nicht allein da. Neben dem Kanzler haben die Gastgeber Judith Rakers und Giovanni di Lorenzo nämlich auch die ehemalige Tennisspielerin und Schriftstellerin Andrea Petković, die Wissenschaftlerin Mai Thi Nguyen-Kim, die Kulturwissenschaftlerin Marie Meimberg, sowie den ehemaligen Ministerpräsidenten Bernhard Vogel, den Ex-Fußballprofi Thomas Hitzlsperger und den Neurologen Volker Busch geladen.

Es bleibt daher erst recht verwunderlich bis zum Schluss, warum er als erster Bundeskanzler Platz zwischen den üblichen Talkshow-Stammgästen nimmt. Aber fern jedes Unkens, vielleicht ist der Hanseat Scholz einfach nur zu der Regionaltalkshow erschienen, weil es die 600. Ausgabe der NDR-Sendung ist? Oder weil es die Lieblings-Talkshow des Kanzlers ist, wie er sagt. „Heute wird es ganz, ganz besonders“, verspricht jedenfalls Moderator Giovanni di Lorenzo.

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Dieser weist ebenfalls gleich zu Beginn darauf hin, dass es eine Unterhaltungssendung sei. Der Kanzler also eher nach Privatem gefragt werde. Im vergangenen Jahr war bereits Außenministerin Annalena Baerbock in der Talkrunde und redete übers Plätzchenbacken. Scholz lächelt wie ein kleiner Junge, er ist bereit.

Und doch geht es zunächst ums Politische, um die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, den Rechtsruck in Deutschland und vielen europäischen Ländern. Über alles gibt sich der Kanzler menschlich besorgt – genauso belaste ihn auch der ewige Ampel-Zoff, weshalb große Teile der Bevölkerung mit der Politik der Regierung unzufrieden sind, gibt er zu und zeigt sich selbstkritisch: Es werde angesichts der unsicheren Zeiten sehr sorgfältig diskutiert, viele unterschiedliche Meinungen zusammengebracht – das schaffe oft nicht die Klarheit, die sich die Bürger wünschten.

Es sei schwer, drei Parteien zusammenzuführen. Erreicht habe die Ampel aber dennoch viel, bekräftigt er. „So viel Tempo, so viele Entscheidungen hat es schon lange nicht mehr gegeben. Aber das wird alles verdeckt von dem Lärm. Das ist etwas, was wirklich bedrückend ist.“ Die Koalition müsse sich mehr selbst loben.

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Als Beispiel nennt er die Migrationspolitik. Die Koalition habe die weitreichendsten Beschlüsse der letzten 20, 25 Jahre getroffen, unter anderem zum Staatsangehörigkeitsrecht, zur Zuwanderung von Arbeitskräften und zur irregulären Migration. „Das ist eine Entscheidung, die durch viel Arbeit möglich gewesen ist.“ Doch anstatt das in den Mittelpunkt zu stellen, werde darüber diskutiert, an welcher Einzelregelung der Bezahlkarte acht Stunden oder zwei Wochen gewerkelt werden sollte.

Scholz räumt dann auch ein, dass sein Job als Bundeskanzler und das Regieren mit der Ampel-Koalition ist für ihn stressiger als gedacht sei. „Ich will gerne sagen, dass ich es mir etwas weniger dramatisch vorgestellt hatte“, sagt der SPD-Politiker in der Radio-Bremen-Talkshow.

„Wie halten Sie diese Form der Anfeindungen aus?“, fragt Moderator di Lorenzo noch einfühlsam. Scholz antwortet: Ihm helfe, innerlich gefestigt zu sein: „Wer Politik mit Schaum vorm Mund macht, macht es falsch.“

Di Lorenzo wirft ihm einen neuen Ball zu. Erst eine Woche vor seinem Bremen-Besuch habe der Kanzler im Vatikan den Papst getroffen. Der Moderator erzählt, dass er einst selbst das Kirchenoberhaupt interviewte und der Papst auch über seine Selbstzweifel sprach. Ob Scholz auch solche Selbstzweifel kenne? „Alles andere wäre eine furchtbare Nachricht“, antwortet der Kanzler. „Und alle, die sich damit brüsten, dass sie keine Selbstzweifel haben, muss man um ihre mentale Gesundheit befragen.“ Der Zuschauer erfährt außerdem, dass Scholz den Papst als sehr warmen Menschen empfunden habe.

Und dann spricht er über sein Privatleben, seine Frau Britta Ernst. Was er von seiner Frau gelernt hat, die er schon als Jung-Jurist lieben gelernt hat? „Andere Menschen zu mögen ist das, was einen begleiten sollte. Die Zuneigung, die Liebe – das ist das, was ich am meisten mitgenommen habe.“

Er bekommt auffallend viel Applaus. Und fühlt sich ermutigt, auch über seine Kochkünste zu reden. Bei ihm zu Hause stehen am Wochenende oft Königsberger Klopse auf dem Speiseplan. „Wenn man einmal weiß, wie’s geht, ist das ganz einfach zuzubereiten.“ Und er verrät auch: „Ich esse gerne ganze Fische. Der letzte war ein Zander. Ist gut gelungen.“ Mit Salzkruste, will di Lorenzo wissen? Nein, so der Kanzler, er haben ihn einfach im Ofen garen lassen.

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Di Lorenzo will dann auch noch wissen, ob Scholz mal einen Lieferdienst und wenn ja unter welchem Namen bestelle? „Das machen wir gar nicht mehr“, antwortet der Kanzler. „Aus Sicherheitsgründen?“, hakt der Gastgeber nach. Der Kanzler: „Nicht aus Sicherheitsgründen, wir können ja kochen!“

Am Ende seines mehr als 20-minütigen Auftritts lobt Moderator Giovanni di Lorenzo den Kanzler. Dieser habe ohne jegliche Auflagen zugesagt, auch habe ihn nicht gestört, dass er nicht allein als Gast geladen war. Das Publikum klatscht, Scholz lächelt glücklich. Offen bleibt nach wie vor, warum er bei der Runde dabei gewesen ist.

QOSHE - Kanzler Scholz plötzlich ganz privat in Talkshow: Warum er seine Frau und ganze Fische liebt - Anne-Kattrin Palmer
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Kanzler Scholz plötzlich ganz privat in Talkshow: Warum er seine Frau und ganze Fische liebt

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09.03.2024

Für Kanzler Olaf Scholz sind es unbequeme Zeiten – die Umfragewerte für ihn und seine Ampel-Koalition sinken, immer wieder muss er viel Schelte einstecken, aktuell, weil er keine Taurus-Marschflugkörper in die Ukraine liefern möchte. Dann ist da noch die Debatte um die Flüchtlingskrise, die genauso zeigt, wie zerstritten die Regierung meistens ist.

Da wirkt seine Teilnahme am Freitagabend in der NDR-Talkshow „3nach9“ etwas irritierend, wie ein lauschiges Kaffeekränzchen. Ganz nach dem Motto: Der Olaf kann auch mal anders, nicht ganz so steif und verkopft über die Lage der Ampel-Koalition, die Liebe zu seiner Ehefrau Britta Ernst, Zander und den warmherzigen Papst plaudern.

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Es bleibt daher erst recht verwunderlich bis zum Schluss, warum er als erster Bundeskanzler Platz zwischen den üblichen Talkshow-Stammgästen nimmt. Aber fern jedes Unkens, vielleicht ist der Hanseat Scholz einfach nur zu der Regionaltalkshow erschienen, weil es die 600. Ausgabe der NDR-Sendung........

© Berliner Zeitung


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