In Köln gibt es ein Sprichwort: Et hätt noch immer jot jejange. Wird schon alles, sagten sich beispielsweise 1999 viele Rheinländer, als sie wie gestrandete Robben am Ufer der Spree lagen, weil sie mit der Regierung aus dem beschaulichen Bonn nach Berlin gezogen waren. Abends saßen sie häufig wehmütig und seufzend im Restaurant Ständige Vertretung am Schiffbauerdamm, um sich mit Kölsch und Musik der Bläck Fööss aufzumuntern.

Doch der Kulturschock und die Trübsal waren – und das ist auch bis heute so – spätestens nach dem dritten Bier vorbei. Dann feierten die Rheinländer eben in Berlin oder fuhren in der fünften Jahreszeit in die alte Heimat. Alaaf. Helau und überhaupt.

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Was viele Berliner bis heute bestimmt befremdlich finden. Da rennen in Köln tagelang überdrehte Cowboys, Carmens, Lolitas und Teletubbies in Horden tanzend, schunkelnd und singend über die Straßen. Es gibt nichts anderes mehr, die Läden machen dicht, Rosenmontag ist nur ein halber Arbeitstag – es gibt dann im Rheinland nur noch Frohsinn mit viel Kölsch.

Politisch wird es natürlich auch: Kanzler Olaf Scholz „fährt“ dieses Jahr als Faultier in Pappmaché und AfD-Chefin Alice Weidel als eine von den Ampel-Spitzen aufgeblasene Puppe beim Rosenmontagszug in Köln mit. Humor ist, wenn man trotzdem lacht.

In der Hauptstadt gibt es zwar auch Karneval, allerdings in erheblich abgespeckter Form. Aber dass gefühlt beinahe eine ganze Stadt raderdoll ist – Gott bewahre im eher nüchternen Berlin. Doch gerade der Hauptstadt würde es mal guttun, etwas leichter mit allem umzugehen. Das nicht alles ein Drama ist. Viel zu oft tun sich in der Hauptstadt Fronten auf, die man in Köln vielleicht eher wegschunkeln würde.

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Denn: Auch dort und in anderen Jecken-Hochburgen ziehen Krisen am Volk nicht vorbei. Seit Weiberfastnacht regnet es aktuell im Rheinland. Im TV sieht man lauter Clowns unter bunten Schirmen. Am Donnerstag verzogen sich viele Jecken gleich in die Kneipen.

Zugegeben, das ist eine Mini-Krise, aber dann gibt es noch die Terrorgefahr, weswegen 62.000 Polizisten in den Jecken-Hochburgen verteilt worden sind – vor Kurzem war noch der Kölner Dom im Visier von möglichen Attentätern.

Und auch das Problem sexueller Übergriffe gibt es. Dieses Jahr ist erneut eine englischsprachige Sondertruppe der Einsatzkräfte losgeschickt worden, die verhindern soll, dass manche die losgelöste Stimmung nicht missverstehen. Dass Bützchen (Küsschen) und Schunkeln eben keine Aufforderung zu Missbrauch sind.

Lösungen für diese Probleme: Man muss sie angehen. Am besten zwischen den Karnevals-Sessionen, aber auch im Rest des Landes. Dann können die Rheinländer wieder ordentlich feiern und auch in Berlin würde es nicht mehr so düster aussehen. Die Menschen wären nicht so schlechter Grundstimmung und nicht so leicht gegeneinander aufhetzbar.

Am Dienstag werden die Jecken im Rheinland traditionell den Nubbel verbrennen. Es ist eine Prozedur mit einer Strohpuppe, die alle Narren, die zu temperamentvoll gefeiert haben, von ihren Sünden der vergangenen Tage reinwaschen soll. Dann folgt der Aschermittwoch und die jecke Zeit ist vorbei. Bis Ostern werden viele Jecken noch fasten, ist ja hauptsächlich katholisch, das Rheinland. Getreu dem Motto: Et hätt noch immer jot jejange.

QOSHE - Karneval am Rhein: Warum auch Berlin mehr Leichtigkeit gut tun würde - Anne-Kattrin Palmer
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Karneval am Rhein: Warum auch Berlin mehr Leichtigkeit gut tun würde

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10.02.2024

In Köln gibt es ein Sprichwort: Et hätt noch immer jot jejange. Wird schon alles, sagten sich beispielsweise 1999 viele Rheinländer, als sie wie gestrandete Robben am Ufer der Spree lagen, weil sie mit der Regierung aus dem beschaulichen Bonn nach Berlin gezogen waren. Abends saßen sie häufig wehmütig und seufzend im Restaurant Ständige Vertretung am Schiffbauerdamm, um sich mit Kölsch und Musik der Bläck Fööss aufzumuntern.

Doch der Kulturschock und die Trübsal waren – und das ist auch bis heute so – spätestens nach dem dritten Bier vorbei. Dann feierten die Rheinländer eben in Berlin oder fuhren in der fünften Jahreszeit in die alte Heimat. Alaaf. Helau und überhaupt.

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Was viele Berliner bis heute bestimmt........

© Berliner Zeitung


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