Millionen von Flüchtlingen sollen ihre Asylgelder wohl schon ab Juni nicht mehr in bar bekommen, sondern in Form einer Scheckkarte. Einige Städte testen das Verfahren bereits und melden Erfolge. In SPD-regierten Ländern gibt es Vorbehalte, vorneweg in Berlin. Bislang jedenfalls. Nun soll die Bezahlkarte doch kommen, allerdings unter Vorbehalt.

Das hat der Berliner Senat am Dienstag beschlossen, auch weil der Druck der anderen Bundesländer zu hoch geworden war. Der erste Schritt: Berlin wird dem länderübergreifenden Vergabeverfahren zur Einführung einer Bezahlkarte für Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beitreten.

Die erforderliche Erklärung zur verbindlichen Teilnahme am Vergabeverfahren für das Land Berlin erfolgt durch die Senatskanzlei. Danach liegt die Federführung bei Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe.

Damit ist ein schwarz-roter Konflikt vorerst vom Tisch: Die CDU wollte die Bezahlkarte, die SPD, vor allem Kiziltepe, sah diese bislang kritisch. Das sei auch weiterhin so, sagt die SPD-Politikerin Cansel Kiziltepe am Dienstag zur Berliner Zeitung: „Ich bleibe dabei: Den Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom November 2023, durch die Einführung einer Bezahlkarte Migrantinnen und Migranten abzuschrecken, habe ich nicht unterstützt und werde ich auch künftig nicht unterstützen.“

gestern

gestern

•vor 7 Std.

27.01.2024

gestern

Sie räumt allerdings auch ein: „Eine Bezahlkarte kann Vorteile haben. Sowohl für die Betroffenen als auch für die Verwaltung. Eine bundeseinheitliche Lösung mit Mindeststandards schafft eine ortsunabhängige Grundlage.“ Und fügt hinzu: „Eine solche Karte muss einen Mehrwert haben. Sie darf Menschen nicht stigmatisieren und muss den notwendigen persönlichen Bedarf mit Bargeld decken.“ Die Bezahlkarte sei aber „kein Selbstzweck und schon gar nicht ein Instrument zur Steuerung von Migration. Das zu glauben, ist lächerlich und populistisch“.

Es sei nun ein Konsens im Senat erzielt, „dass mit der Bezahlkarte kein Sachleistungsprinzip eingeführt wird, es also weiterhin möglich sein wird, Bargeld zu nutzen“, so die Senatorin. Wie hoch der Bargeldbetrag künftig sein soll und ob es für Migranten dann eine Wahl zwischen Karte und Cash gibt, das ist jedoch weiterhin unklar. Ein Sprecher der Senatorin sagt am Dienstag: „Wir stehen mit dem heutigen Senatsbeschluss am Anfang eines umfangreichen Prozesses. Viele Fragen müssen nun noch geklärt werden. Das geschieht jetzt.“

Flüchtlingsunterkünfte auf dem Tempelhofer Feld: Sportverein bangt um seine Anlagen

vor 5 Std.

Asylbewerberzahlen steigen: kleinere Unterkünfte

25.01.2024

Es gibt auch andere Stimmen aus der SPD: Laut Wirtschaftsministerin Franziska Giffey sei sich die Partei jetzt „fein“. Sie selbst bewertet den Einstieg in das Vergabeverfahren als „sehr gut“. Die Hauptstadt könne sich nicht ausgrenzen und eine Extrawurst braten, so Giffey am Dienstag nach der Senatssitzung. Die Bezahlkarte könnte 2025 kommen, heißt es aus dem Senat. Insgesamt entstünden nach aktuellem Stand für Ausschreibung und Projektmanagement Kosten von 500.000 Euro, die per Königsteiner Schlüssel auf die Länder umgelegt werden. Demnach könnte Berlin die Anschaffung der Karten etwa 25.000 Euro kosten.

Deutlich mehr als für die Anschaffung dürfte aber für die Gebühren für die Transaktionen anfallen. Ersten groben Schätzungen zufolge könnten es laut Tagesspiegel jährlich bis zu zehn Millionen Euro sein.

Die Debatte um die Bezahlkarte läuft seit Wochen auf Hochtouren, auch nachdem sich die Ministerpräsidentenkonferenz Anfang November auf eine Reihe an Maßnahmen geeinigt hat, mit denen irreguläre Migration nach Deutschland verringert werden soll. Bei der gemeinsamen Runde der Länder mit dem Bund wurde konstatiert, dass derzeit zu viele Menschen nach Deutschland flüchteten.

„Klare und zielgerichtete Maßnahmen gegen unkontrollierte Zuwanderung“ seien daher nötig, hieß es. Laut Einigung der Länder soll damit verhindert werden, dass Geldsummen ins Ausland überwiesen werden.

Bereits seit November ringen die Länder daher um einheitliche Standards, viele Vorschläge liegen auf dem Tisch: Die Karte selbst soll nicht im Ausland eingesetzt werden können. Bargeldauszahlungen werden dem Plan nach zwar weiter möglich sein, aber nur über einen vorher definierten Betrag. Im Raum steht ferner, ob die Bezahlkarte nur im regionalen Raum eingesetzt werden kann, um die Flüchtlinge in ihren Gebieten zu halten und diese nicht in die großen Städte weiterwandern.

Doch die Zeit drängt: Viele Bundesländer wollen unbedingt, dass Flüchtlinge die Bezahlkarte haben, bevor im Osten die Landtagswahlen stattfinden. Man wolle so sicherstellen, dass man das Thema nicht der AfD überlasse. In Sachsen, Thüringen und Brandenburg wird im September gewählt. Den Umfragen nach liegt die AfD in allen drei Bundesländern vorn.

Einige Kommunen testen die Bezahlkarte bereits, so etwa die Städte Hannover, Leipzig oder der Ortenaukreis in Baden-Württemberg. Dort bekommen Geflüchtete bereits seit vergangenem Jahr eine Geldkarte ausgehändigt.

Auch in Eichsfeld (Landkreis in Thüringen) gibt es nach ersten Tagen der Testphase bereits Erfolge zu vermelden. Im vergangenen Jahr entschied dort der CDU-Kreisrat Werner Henning, dass es für Geflüchtete eine Bezahlkarte geben soll. Nun zieht die Stadt eine erste Zwischenbilanz, dass einige Asylanten, kaum gab es kein Bargeld mehr, abgereist seien. Von 135 Geflüchteten, viele aus Serbien und Nordmazedonien, kehrten 35 wieder in ihre Heimat zurück, andere suchten sich einen Minijob, heißt es dort. Hennings Botschaft: „Ich möchte, dass sich Geflüchtete eine Arbeit suchen.“ Oder aber wieder das Land verlassen.

QOSHE - Kein Cash für Flüchtlinge: Berlin will Bezahlkarte plötzlich nun doch einführen – nur wie? - Anne-Kattrin Palmer
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

Kein Cash für Flüchtlinge: Berlin will Bezahlkarte plötzlich nun doch einführen – nur wie?

14 0
30.01.2024

Millionen von Flüchtlingen sollen ihre Asylgelder wohl schon ab Juni nicht mehr in bar bekommen, sondern in Form einer Scheckkarte. Einige Städte testen das Verfahren bereits und melden Erfolge. In SPD-regierten Ländern gibt es Vorbehalte, vorneweg in Berlin. Bislang jedenfalls. Nun soll die Bezahlkarte doch kommen, allerdings unter Vorbehalt.

Das hat der Berliner Senat am Dienstag beschlossen, auch weil der Druck der anderen Bundesländer zu hoch geworden war. Der erste Schritt: Berlin wird dem länderübergreifenden Vergabeverfahren zur Einführung einer Bezahlkarte für Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beitreten.

Die erforderliche Erklärung zur verbindlichen Teilnahme am Vergabeverfahren für das Land Berlin erfolgt durch die Senatskanzlei. Danach liegt die Federführung bei Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe.

Damit ist ein schwarz-roter Konflikt vorerst vom Tisch: Die CDU wollte die Bezahlkarte, die SPD, vor allem Kiziltepe, sah diese bislang kritisch. Das sei auch weiterhin so, sagt die SPD-Politikerin Cansel Kiziltepe am Dienstag zur Berliner Zeitung: „Ich bleibe dabei: Den Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom November 2023, durch die Einführung einer Bezahlkarte Migrantinnen und Migranten abzuschrecken, habe ich nicht unterstützt und werde ich auch künftig nicht unterstützen.“

gestern

gestern

•vor 7 Std.

27.01.2024

gestern

Sie........

© Berliner Zeitung


Get it on Google Play