In der Politik wächst die Nervosität angesichts des Erfolgs der AfD. Im politischen Berlin wird in Krisensitzungen um den richtigen Kurs im Umgang mit den Rechten gerungen: Es gibt Forderungen nach einem Parteiverbot und Aufrufe zu bundesweiten Demos gegen rechts. Panisch fragt man sich, wie die Partei im Superwahljahr 2024 noch zu stoppen ist – und vor allem die Ampel wirkt derzeit wie getrieben angesichts der miesen Umfragen und der massiven Proteste gegen die Regierungspolitik. Aber auch in der Union wächst die Sorge.

Die Zeit drängt, bald sind Wahlen – und die schweben wie ein Damoklesschwert über den Köpfen der Ampel-Politiker, aber auch der Union. Am 9. Juni ist die Europawahl und im September sind gleich drei Landtagswahlen: in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Überall liegt die AfD in Umfragen auf Platz eins und kommt auf mehr als 30 Prozent. In Sachsen könnte sie sogar die absolute Mehrheit erreichen. In Thüringen ist die AfD unter Björn Höcke so stark, dass eine Regierung ohne die Partei schwierig werden könnte. Auch in Brüssel wird ein Rechtsruck nicht ausgeschlossen.

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Die Aufregung und Nervosität sind umso größer, seit bekannt geworden ist, dass sich AfD-Politiker im Geheimen mit Mitgliedern der CDU und der erzkonservativen Werteunion in Potsdam getroffen haben, um über „Remigration“ zu sprechen. „Viele sind seitdem noch beunruhigter“, sagt ein SPD-Politiker zur Berliner Zeitung. Und auch die Wut bei den jüngsten Bauernprotesten habe viele in der Fraktion verschreckt.

Daher beschäftigt sich nun der Bundestag mit dem AfD-Geheimtreffen. Am Donnerstag soll es auf Initiative der Ampel eine Aktuelle Stunde geben. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hofft, Antworten von der AfD zu erhalten und darauf reagieren zu können. Er sagt: „Das ist ganz wichtig. Wir brauchen eine politische Auseinandersetzung.“

Skepsis gibt es dagegen im Bundesinnenministerium (BMI). Ein Sprecher sagt zur Berliner Zeitung: „Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat immer betont, dass es im Umgang mit der AfD zuallererst um eine politische Auseinandersetzung geht, der sich alle demokratischen Parteien stellen müssen.“ Hintergrund: Parteiverbote sind nur selten erfolgreich. Die Hürden sind sehr hoch. In der Geschichte der Bundesrepublik wurden erst zwei Parteiverbotsverfahren erfolgreich durchlaufen. Ein Verfahren gegen die rechtsextreme NPD war 2017 gescheitert.

Das Bundesverfassungsgericht entschied damals, dass die NPD zwar eindeutig verfassungsfeindlich sei, aber als Splitterpartei zu unbedeutend, um eine Gefahr für die Demokratie darzustellen. Zumindest dieses Argument dürfte bei einem eventuellen AfD-Verbotsverfahren nicht zum Tragen kommen. Diskutiert werden aber noch weitere Optionen: ein Verbot der AfD-Nachwuchsorganisation Junge Alternative oder eine Einschränkung der Parteienfinanzierung. Leicht durchzusetzen wäre auch davon nichts.

Damit nicht genug: Die SPD-Politikerin Katja Mast ruft unter anderem zu weiteren bundesweiten Demos auf, zu einem Bündnis gegen rechts. Mitunter gibt es auch verbale Entgleisungen: Die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann positionierte sich jüngst gegen Rechtspopulisten, sprach unter anderem von einem „Haufen Scheiße“. Vor kurzem flippte auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert gegenüber CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst aus. Nach dem rechtsextremen Geheimtreffen in Potsdam forderte NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst in der Migrationsfrage eine „Allianz der Mitte“. Sie könne die AfD schwächen.

Kühnert wies Wüsts Vorstoß „insbesondere in diesen Tagen als taktlos“ zurück. „Vor dem Hintergrund jüngst aufgedeckter Umsturz- und Deportationspläne in Kreisen von AfD-Funktionären, Unternehmern und rechtsradikalen Aktivisten braucht es keine Zugeständnisse an die immer radikalere AfD“, sagte er dem Tagesspiegel. „Es braucht vielmehr ein Bündnis der demokratischen Mehrheit, um dem völkischen Furor von AfD und Co entgegenzutreten.“ Die Nerven liegen blank.

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Und auch die Union will ihren Kurs ändern. Ein Abgeordneter sagt zur Berliner Zeitung: „Worthülsen, die wir immer gebraucht haben, wie ‚Brandmauer gegen rechts‘ bewirken gar nichts, wir müssen inhaltlich mehr mit der AfD streiten.“ Es reiche nicht, die Partei nur zu beschimpfen. Die CDU-Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann sagt zur Berliner Zeitung: „Das beste Mittel gegen die AfD ist verlässliche, nachvollziehbare Politik.“ Leider sei die Ampel davon meilenweit entfernt. „Ihr Chaos, ihr Dauerstreit produzieren Frust, Angst, Wut – ein Turbo für Extremisten. Das geht aber alle an, auch uns in der CDU.“

Sie sagt weiter: „Wer Vertrauen zurückgewinnen will, muss wieder denken und sprechen wie die Bürger in diesem Land: pragmatisch, realistisch, klar, verständlich, geradeaus.“ Ebenso wichtig sei es, der AfD nicht die Verbände zu überlassen, betont Connemann: „Parteiarbeit steht und fällt mit der Arbeit bei den Menschen vor Ort. Hier versucht die AfD mit großem Druck, Boden gutzumachen. Die demokratischen Parteien müssen ihre Basisarbeit intensivieren, um der AfD inhaltlich und wirksam etwas entgegenzusetzen.“

QOSHE - Panik vor den Rechten: Was kann die AfD im Superwahljahr im Osten noch stoppen? - Anne-Kattrin Palmer
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Panik vor den Rechten: Was kann die AfD im Superwahljahr im Osten noch stoppen?

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17.01.2024

In der Politik wächst die Nervosität angesichts des Erfolgs der AfD. Im politischen Berlin wird in Krisensitzungen um den richtigen Kurs im Umgang mit den Rechten gerungen: Es gibt Forderungen nach einem Parteiverbot und Aufrufe zu bundesweiten Demos gegen rechts. Panisch fragt man sich, wie die Partei im Superwahljahr 2024 noch zu stoppen ist – und vor allem die Ampel wirkt derzeit wie getrieben angesichts der miesen Umfragen und der massiven Proteste gegen die Regierungspolitik. Aber auch in der Union wächst die Sorge.

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Die Aufregung und Nervosität sind........

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