Es gibt Persönlichkeiten in der britischen Adelsgeschichte, derer Historiendramen einfach nicht langweilig werden: Maria Stuart etwa, die im Laufe der Zeit sowohl von Katharine Hepburn und Zarah Leander als auch von Vanessa Redgrave sowie – in der jüngeren Vergangenheit – von Saoirse Ronan verkörpert wurde. Persönlichkeiten, deren Wirken bis in den letzten Winkel ergründet wurde und dem wahrlich nichts Neues mehr hinzuzufügen ist.

Und dann gibt es die delikaten Verwicklungen der Aristokratie, derer sich das Kino und die Streaming-Welt erst allmählich annehmen. Vermutlich, weil sie vormals als zu abseitig galten und mit Bildern einhergehen, die das Publikum bis vor kurzem noch als zu skandalös empfunden hätte. Solche Verwicklungen, die noch nicht allgemein bekannt sind und die deswegen wie aufregende Entdeckungen wirken.

„Mary & George“ fühlt sich exakt wie so ein fesselnder Fund an. Die siebenteilige Miniserie folgt einem furiosen Mutter-Sohn-Gespann, das sich am unteren Ende der Nahrungskette des niederen englischen Landadels zu Anfang des 17. Jahrhunderts befindet. Da ihr geistig eingeschränkter Erstgeborener (Tom Victor) keinen sozialen Aufstieg verspricht, muss Mary Villiers (Julianne Moore) nach dem Tod des gewaltbereiten Ehemannes eine weitere Zweckehe eingehen, um die Familie vor dem finanziellen Ruin zu retten.

•gestern

•vor 10 Min.

gestern

gestern

gestern

Der Abhängigkeit von den Männern leid und der Geringschätzung der wohlhabenderen Angehörigen ihrer gesellschaftlichen Kreise ebenso, versucht sie die Schönheit ihres zweitgeborenen Sohnes George (Nicholas Galitzine) für sich zu nutzen – und setzt alles daran, ihn in die Nähe des Königs (Tony Curran) zu bringen. James I. (interessanterweise der wenig beleuchtete Sohn von Maria Stuart) ist bekannt für die außerordentliche Zuneigung, die er jüngeren Männern entgegenbringt – und glücklicherweise gerade in der Grafschaft zugegen.

„Mary & George“ auf Sky: sprachgewaltige Dialoge, viel schwuler Sex

Die Homosexualität des Königs gilt unter Historikern zwar als umstritten, ein kurzer Blick in die sehnsuchtsvolle Korrespondenz zwischen James I. und George genügt allerdings, um sich ihrer – wortwörtlichen – geschichtlichen „Verbriefung“ zu vergewissern. Der Serienschöpfer D.C. Moore fokussiert sich in seiner düsteren Erzählung allerdings vor allem auf das sinistre Intrigenspiel, das George erst in die Position eines besonderen Günstlings des Königs bringt. Die ist mit dem ehrgeizigen Earl of Somerset (Laurie Davidson) eigentlich schon besetzt.

Die illustre Dekadenz, die Regisseur Oliver Hermanus („Living“) in Szenen von barocker Schönheit übersetzt, und die allgemeine Dynamik stark sexuell aufgeladener Ränkespiele erinnern zwar durchaus an Yorgos Lanthimos' „The Favourite“. Die modern gefärbten Dialoge wiederum lassen an kuriose Adelssatiren in Serien wie „The Great“ denken.

„Ferrari“ auf Amazon Prime Video: Adam Driver und Penélope Cruz als Hassliebespaar

02.03.2024

„The New Look“ auf Apple TV: Coco Chanel, Christian Dior und die Nazis in Paris

16.02.2024

Anders als diese nimmt der Drehbuchautor D.C. Moore, der bislang vor allem in britischen Theaterkontexten in Erscheinung getreten ist, seine Figuren allerdings ganz und gar ernst – was nicht nur in einem größeren Interesse an ihrer persönlichen Entwicklung, sondern auch in den sprachgewaltigeren Dialogen mündet.

Wahrlich in die Tiefe gehen zwar auch die Geschehnisse in „Mary & George“ nicht. Nicht zuletzt der enigmatischen Präsenz von Julianne Moore und der endlich zu größerer Aufmerksamkeit gelangenden Niamh Algar („Das Wunder“) in der Rolle ihrer Liebhaberin ist es geschuldet, dass man dem wahlweisen Mit- oder Gegeneinander zwischen einer unerbittlich nach Macht und Selbstbefreiung strebenden Mutter und ihrem allmählich zum Bösewicht mutierenden Sohn dennoch mit großem Vergnügen folgt.

Mary & George. Serie, 7 Episoden, Sky

QOSHE - „Mary & George“ auf Sky: Ein skrupelloses Mutter-Sohn-Gespann und deren Intrigen um den König - Arabella Wintermayr
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

„Mary & George“ auf Sky: Ein skrupelloses Mutter-Sohn-Gespann und deren Intrigen um den König

16 0
07.03.2024

Es gibt Persönlichkeiten in der britischen Adelsgeschichte, derer Historiendramen einfach nicht langweilig werden: Maria Stuart etwa, die im Laufe der Zeit sowohl von Katharine Hepburn und Zarah Leander als auch von Vanessa Redgrave sowie – in der jüngeren Vergangenheit – von Saoirse Ronan verkörpert wurde. Persönlichkeiten, deren Wirken bis in den letzten Winkel ergründet wurde und dem wahrlich nichts Neues mehr hinzuzufügen ist.

Und dann gibt es die delikaten Verwicklungen der Aristokratie, derer sich das Kino und die Streaming-Welt erst allmählich annehmen. Vermutlich, weil sie vormals als zu abseitig galten und mit Bildern einhergehen, die das Publikum bis vor kurzem noch als zu skandalös empfunden hätte. Solche Verwicklungen, die noch nicht allgemein bekannt sind und die deswegen wie aufregende Entdeckungen wirken.

„Mary & George“ fühlt sich exakt wie so ein fesselnder Fund an. Die siebenteilige Miniserie folgt einem furiosen Mutter-Sohn-Gespann, das sich am unteren Ende der........

© Berliner Zeitung


Get it on Google Play