Juliette Binoche muss als französische Modeikone Coco Chanel ein akzentgetränktes Englisch sprechen; verkörpert durch Ben Mendelsohn ist ihr Design-Rivale Christian Dior plötzlich rank und schlank, und über allem liegt ein instagramtauglicher Blauschleier.

Man wundert sich schnell, wie unelegant einige Lösungen in „The New Look“ für eine Serie wirken. Gerade für eine Serie, die von Schönheit erzählen will. Eine Schönheit immerhin so groß, dass sie denen, die sie schufen, während der deutschen Besetzung Frankreichs das Leben rettete – und denen, die sie später sahen, eine Hoffnung auf einen Neuanfang versprach.

So erklärt es zumindest der über seinen Erfahrungen nervös gewordene Christian Dior in einem Vortrag vor Studenten an der Sorbonne im Jahr 1955, der rahmensetzenden Auftaktsequenz. Abwechselnd dazu ist die gerade aus der Schweiz zurückgekehrte Coco Chanel zu sehen, im Interview mit Journalisten. Sie will in Paris zu altem Ruhm finden, gibt sich überaus selbstgefällig und zieht über ihren Kollegen her. Doch Christian Dior und sein titelgebender Stil, der „New Look“, haben sie schon längst von der Spitze der Haute Couture verdrängt.

Was diese Designs ausmachte, wie sie ihre Wirkmacht entfalteten, weiß man nach zehn Folgen der von Todd A. Kessler („Die Sopranos“) erdachten Erzählung allerdings nicht so recht. Das Kreieren von Mode spielt in „The New Look“ sowieso eine erstaunlich untergeordnete Rolle. Stattdessen geht es darum, wie zwei Ikonen der Modewelt die Herrschaft der Nationalsozialisten er- und überleben, und um die moralischen Dilemmata, in die sie geraten – und welche unterschiedlichen Wege sie finden, um mit ihnen umzugehen.

Christian Dior, der anfangs noch in Diensten von Lucien Lelong (John Malkovich) steht und wider Willen zum Ausstatter der Nazi-Schergen wird, hat letztlich das deutlich reinere Gewissen der beiden. Seine Schwester Catherine (Maisie Williams) ist im Widerstand, wird gefangengenommen und gefoltert, weswegen ein Gros der Spielzeit seine Versuche zeigt, sie aufzuspüren und auszulösen. Wirklich nahe kommt die Serie ihrem Dior zwischen wenig aussagekräftigen Rückblenden und repetitiven Szenen voller Selbstzweifel und -vorwürfe aber nicht.

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Die deutlich interessantere Figur ist da eindeutig Coco Chanel, die mit einer gefährlichen Mischung aus charmanter Exaltiertheit, naivem Geltungsdrang und der Aussicht, die Kontrolle über ihren Konzern zurückzuerlangen, zur Kollaborateurin wird. Sie wird zum privaten Dinner mit Heinrich Himmler (Thure Lindhardt) geladen und soll Winston Churchill persönlich Nachrichten des Nazi-Regimes übermitteln. Juliette Binoche verleiht den Widersprüchlichkeiten einer im Abstieg befindlichen Größe emotionales Gewicht, insbesondere im Zusammenspiel mit Claes Bang, der als doppelzüngiger Liebhaber und schmieriger deutscher Agent brilliert.

Doch selbst der bestechende Cast kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass „The New Look“ die historischen Verstrickungen der beiden Protagonisten gehörig dramatisieren und strecken muss, um genug spannendes Material für eine ganze Staffel aufzubringen. Wahrscheinlich ist es den unzähligen ins Nichts führenden erzählerischen Ausflügen geschuldet, dass die Serie niemals zu etwas Wesentlichem durchzudringen vermag.

„Das Geheimnis der Eleganz liegt in der Schlichtheit“, sagte Christian Dior einmal. Vielleicht hätte Todd A. Kessler, der angeblich über viele Jahre am Stoff zur Serie arbeitete, diesen Worten größere Beachtung schenken sollen. Oder eben denen Coco Chanels, die mit der Einfachheit einen ganz ähnlichen Schlüssel zur Eleganz benannte. Hierin immerhin scheinen sich diese sehr unterschiedlichen Modeikonen einig gewesen zu sein. Darin, dass „The New Look“ wenig von dem besonderen Glanz versteht, den ihre Kreationen zu erzeugen suchten, wären sie es wahrscheinlich auch.

The New Look. Serie, 10 Episoden, Apple TV

QOSHE - „The New Look“ auf Apple TV: Coco Chanel, Christian Dior und die Nazis in Paris - Arabella Wintermayr
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„The New Look“ auf Apple TV: Coco Chanel, Christian Dior und die Nazis in Paris

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16.02.2024

Juliette Binoche muss als französische Modeikone Coco Chanel ein akzentgetränktes Englisch sprechen; verkörpert durch Ben Mendelsohn ist ihr Design-Rivale Christian Dior plötzlich rank und schlank, und über allem liegt ein instagramtauglicher Blauschleier.

Man wundert sich schnell, wie unelegant einige Lösungen in „The New Look“ für eine Serie wirken. Gerade für eine Serie, die von Schönheit erzählen will. Eine Schönheit immerhin so groß, dass sie denen, die sie schufen, während der deutschen Besetzung Frankreichs das Leben rettete – und denen, die sie später sahen, eine Hoffnung auf einen Neuanfang versprach.

So erklärt es zumindest der über seinen Erfahrungen nervös gewordene Christian Dior in einem Vortrag vor Studenten an der Sorbonne im Jahr 1955, der rahmensetzenden Auftaktsequenz. Abwechselnd dazu ist die gerade aus der Schweiz zurückgekehrte Coco Chanel zu sehen, im Interview mit Journalisten. Sie will in Paris zu altem Ruhm finden, gibt sich überaus selbstgefällig und zieht über ihren Kollegen her. Doch........

© Berliner Zeitung


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