Pulsierende Musik ertönt mit dem ersten Bild auf der Leinwand. Die Hauptfigur Trojan sitzt im Auto. Noch ist der Berufsverbrecher in Frankfurt, doch schon bald soll seine Reise nach Berlin gehen, wo er noch Kontakte aus alten Zeiten hat.

Alte Zeiten? Bereits 2010 kam Trojan, gespielt von Mišel Matičević, im Gangsterfilm „Im Schatten“ des Regisseurs Thomas Arslan zum Einsatz. Jetzt feiert seine Fortsetzung „Verbrannte Erde“ in der Sektion Panorama der Berlinale Premiere. Angekommen in der Hauptstadt, hat der Protagonist aber erst mal nichts zu feiern, schließlich sind seine alten Verbindungen „verbrannt“.

Vor zwölf Jahren verließ Trojan fluchtartig Berlin, musste untertauchen. Jetzt ist er wieder da, der eiskalte Profi im Möwenblick des organisierten Verbrechens. Er ist rätselhaft, misstrauisch, kalt. Über sein Privatleben weiß man nichts, doch das spielt auch keine Rolle. Im Vordergrund steht ein Überfall und dessen Ablauf.

Trojan soll für einen privaten Kunden der Vermögensberaterin Rebecca (Marie-Lou Sellem) ein Gemälde von Caspar David Friedrich aus einem Berliner Museum stehlen. Dabei erhält er Unterstützung von Luca (Tim Seyfi), der Fahrerin Diana (Marie Leuenberger) und dem Computerexperten Chris (Bilge Bingül).

101 Minuten lang gibt es ein Schauspiel, das nicht auf Worte, sondern auf Handlung setzt. Oft beherrscht Stille das Kino und erzeugt Spannung. Auf Präzision kommt es an, befreit von Überflüssigem, reduziert auf die Bewegungen der Figuren, auf deren Gestik – die Mimik bleibt meist unverändert, vor allem die der Hauptfigur.

Obwohl der Diebstahl problemlos, sogar überraschend einfach verläuft, kommt es im Nachhinein zu Komplikationen: Die Übergabe des Gemäldes „Frau vor der untergehenden Sonne“ läuft anders als abgesprochen. Der Mittelsmann Victor, gespielt von Alexander Fehling, lässt die Bande zappeln, will schließlich die Ware, ohne die abgemachten 1,4 Millionen Euro zu zahlen.

Berlin ist die Bühne für diesen kühnen Coup, bei dem es am Ende nur noch um eines geht: Leben oder Tod. Schüsse fallen kaum, und wenn, dann sind sie gezielt, laut, erschreckend. Trojan agiert perfektionistisch, jede Bewegung sitzt, nichts wird dem Zufall überlassen. Auch Arslan bringt filmisch alles auf den Punkt, sieht von Ausschmückungen und Details ab, setzt auf Qualität statt Quantität.

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19.02.2024

Die Bilder wechseln schnell, es ist ein Spiel aus Schatten und Licht. Obwohl die Spannung zuweilen intensiv ist, handelt es sich bei „Verbrannte Erde“ nicht um einen reißerischen Thriller. Vielmehr ergibt eine Situation die andere, der Zuschauer will wissen, wie es weitergeht, ob das Quartett am Ende das Geld für das Gemälde bekommt.

Manchmal ist es auch ein bisschen lächerlich, was sich rund um das Museum in Dahlem abspielt. Als die Diebe bemerken, dass bei der Übergabe des Gemäldes etwas nicht stimmt und der Vermittler sie verdächtig hinhält, versuchen sie, die Ware wieder ans Museum zu verkaufen. Doch hier wird eine Anwältin (Katrin Röver) vorgeschickt, die sich dann allein im Wald mit Trojan über die Summe austauscht. Dass er im Besitz des Gemäldes ist, zeigt er ihr mit einem Foto, in der eine aktuelle Ausgabe des Berliner Kuriers auf dem Kunstwerk zu sehen ist. Eine Versicherung habe das Museum nicht, heißt es, das wäre zu teuer – einer von zahlreichen Momenten, der das Publikum zum Schmunzeln, wenn nicht sogar zum Lachen bringt.

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Den Höhepunkt des Spektakels bildet Victors brennendes Auto, in dem sich nicht nur die Ware, sondern auch 800.000 Euro befinden. Ganz zufällig wurde er bei einer Verfolgungsjagd von einem schwarzen Transporter angefahren. Doch wichtiger: Als Diana zum Auto geht und das Geld herausholen will, scheitert sie an den verschlossenen Türen des kaputten Wagens und kann schließlich nur eine Tasche mit 100.000 Euro durch das offene Fenster ziehen. Der zweite Koffer mit dem restlichen Geld bleibt zurück. Das stört die Überlebenden nicht wirklich.

Aber der Zuschauer ärgert sich. Denn ganz ehrlich: Wer es schafft, ein hoch gesichertes Gemälde zu stehlen, mit der Museumsanwältin verdeckt zu verhandeln und erfolgreich einen Killer verfolgt, der sollte doch auch mit zwei verschlossenen Hintertüren eines Autos zurechtkommen, an dem ohnehin schon die Vordertüren fehlen.

Trotz dieser fragwürdigen, aufwühlenden Szene ist „Verbrannte Erde“ ein gelungenes Spiel von Bewegung und Stille. Berlin zeigt Arslan nicht mit dem Fernsehturm, dem Alexanderplatz oder dem Kurfürstendamm. Eher finden sich billige, unpersönliche Hotels, kühle Bürogebäude und dreckige Straßen in seinem Film wieder. Ein Berlin, in dem man nie man weiß, wo man sich befindet.

Die Romanze zwischen Trojan und seiner Partnerin erstickt im Keim. Er sitzt dann wieder allein im Auto wie am Anfang des Films – dieses Mal auf den Straßen Berlins.

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Berlinale-Film „Verbrannte Erde“: Ein Berlin-Thriller, aber nicht knallhart

9 0
21.02.2024

Pulsierende Musik ertönt mit dem ersten Bild auf der Leinwand. Die Hauptfigur Trojan sitzt im Auto. Noch ist der Berufsverbrecher in Frankfurt, doch schon bald soll seine Reise nach Berlin gehen, wo er noch Kontakte aus alten Zeiten hat.

Alte Zeiten? Bereits 2010 kam Trojan, gespielt von Mišel Matičević, im Gangsterfilm „Im Schatten“ des Regisseurs Thomas Arslan zum Einsatz. Jetzt feiert seine Fortsetzung „Verbrannte Erde“ in der Sektion Panorama der Berlinale Premiere. Angekommen in der Hauptstadt, hat der Protagonist aber erst mal nichts zu feiern, schließlich sind seine alten Verbindungen „verbrannt“.

Vor zwölf Jahren verließ Trojan fluchtartig Berlin, musste untertauchen. Jetzt ist er wieder da, der eiskalte Profi im Möwenblick des organisierten Verbrechens. Er ist rätselhaft, misstrauisch, kalt. Über sein Privatleben weiß man nichts, doch das spielt auch keine Rolle. Im Vordergrund steht ein Überfall und dessen Ablauf.

Trojan soll für einen privaten Kunden der Vermögensberaterin Rebecca (Marie-Lou Sellem) ein Gemälde von Caspar David Friedrich aus einem Berliner Museum stehlen. Dabei erhält er Unterstützung von Luca (Tim Seyfi), der Fahrerin Diana (Marie Leuenberger) und dem Computerexperten Chris (Bilge Bingül).

101 Minuten lang gibt es ein Schauspiel, das nicht auf Worte, sondern auf Handlung setzt.........

© Berliner Zeitung


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