Der Ukraine-Krieg hat Europas Raffinerien herausgefordert. Große Ölkonzerne sehen sich bis heute nicht nur mit dem Netto-Null-Emissionsziel konfrontiert, sondern konkurrieren auch mit dem Hype um Elektrofahrzeuge. Dennoch sagen jetzt Energieanalysten eine profitable Zukunft für europäische Raffinerie-Geschäfte voraus, wie die britische Tageszeitung Financial Times berichtet.

Die Angebotsengpässe in Deutschland und anderen EU-Ländern verschärfen demnach zunehmend die Margen für raffinierte Ölprodukte, wie Diesel und Benzin. Der internationale Rohstoffhändler mit dem Hauptsitz in der Schweiz, Vitol, hat die Chancen auf dem zunehmend knappen Raffineriemarkt offenbar erkannt: Das Unternehmen unterbreitete im vergangenen Monat ein erstes Angebot zum Kauf einer der größten europäischen Ölraffinerien.

Bis zum Importverbot war Europa zu etwa einem Drittel seiner raffinierten Ölprodukte auf Russland angewiesen. „Das Leben in Europa ist komplizierter, weil unsere Produkte viel weiter kommen müssen (und) wenn wir Diesel brauchen, gibt es keine kurzfristigen Vorräte“, sagte Russell Hardy, Vorstandsvorsitzender von Vitol, kürzlich auf einer Energiekonferenz in London. Er erklärte, dass der Markt für Erdölprodukte wahrscheinlich „interessanter“ sei als der Markt für Rohöl.

„Für Raffinerien, die möglicherweise die Letzten sind, und für Unternehmen mit einer höheren Risikobereitschaft, die diese veralteten Vermögenswerte erwerben, lässt sich mit der Raffinierung von Rohöl in Europa wohl mehr Geld verdienen als je zuvor“, zitiert die FT den Leiter der Abteilung für europäische Raffinerieprodukte Preise des Datenkonzerns Argus Media, Elliot Radley.

13.03.2024

•gestern

13.03.2024

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Laut dem Experten wird die Rohöldestillationskapazität Europas bis 2026 im Vergleich zu 2020 voraussichtlich um etwa sieben Prozent gesunken sein. Mit Werksschließungen und -verkäufen einbezogen, werde Shell – eines der größten Energieunternehmen weltweit – seine Kapazität in diesem Zeitraum um 33 Prozent verringert haben, während das britische Mineralölunternehmen BP eine Senkung um zehn Prozent verzeichnen werde.

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Mit der sinkenden Kapazität habe sich die Prämie, die Raffinerien für Diesel gegenüber Rohöl verlangen können, in diesem Jahr bereits auf einen weltweiten Durchschnitt von 29,77 US-Dollar pro Barrel erhöht, berichtet Radley unter Berufung auf die letzten Daten von Argus Media. Zum Vergleich: Der Preisaufschlag für Benzin liegt in diesem Jahr demnach bei etwa 18,09 US-Dollar.

Obwohl die Werte unter den Spitzenwerten von 38,82 US-Dollar für Diesel und 24,21 US-Dollar für Benzin nach der Invasion der Ukraine im Jahr 2022 liegen, übertreffen sie trotz des schleppenden Wirtschaftswachstums in entwickelten Volkswirtschaften deutlich den Durchschnitt der letzten 14 Jahre. Zudem war der Anstieg der Prämien für raffinierte Produkte größer als die Entwicklung der Benchmark-Ölpreise: Die Gasöl-Futures, die den Destillathandel in Europa abbilden, sind in diesem Jahr um 13,2 Prozent gestiegen, während die Brent-Rohöl-Futures um 10,7 Prozent gestiegen sind.

Alan Gelder, Vizepräsident für Raffinerien, Chemikalien und Ölmärkte bei dem Beratungsunternehmen Wood Mackenzie, geht davon aus, dass die Raffinerien für den Rest des Jahrzehnts „gesunde Margen“ erzielen werden. Zu den Profiteuren gehört der in London ansässige Ölversorger Prax Group. Im Dezember stimmte das Unternehmen zu, einen Anteil von 37,5 Prozent an der PCK-Raffinerie in Schwedt im Nordosten Deutschlands von Shell zu erwerben.

Darüber hinaus wurde ein Vertrag zum Kauf einer Beteiligung an einer Raffinerie in Südafrika von TotalEnergies unterzeichnet. Sicher ist das Geschäft jedoch nicht: Laut Gelder besteht Möglichkeit, dass die Margen erneut sinken, falls neue Raffinerien im Nahen Osten und in Afrika eröffnet werden.

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Diesel und Benzin: Europas Raffinerien kassieren „mehr als je zuvor“

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15.03.2024

Der Ukraine-Krieg hat Europas Raffinerien herausgefordert. Große Ölkonzerne sehen sich bis heute nicht nur mit dem Netto-Null-Emissionsziel konfrontiert, sondern konkurrieren auch mit dem Hype um Elektrofahrzeuge. Dennoch sagen jetzt Energieanalysten eine profitable Zukunft für europäische Raffinerie-Geschäfte voraus, wie die britische Tageszeitung Financial Times berichtet.

Die Angebotsengpässe in Deutschland und anderen EU-Ländern verschärfen demnach zunehmend die Margen für raffinierte Ölprodukte, wie Diesel und Benzin. Der internationale Rohstoffhändler mit dem Hauptsitz in der Schweiz, Vitol, hat die Chancen auf dem zunehmend knappen Raffineriemarkt offenbar erkannt: Das Unternehmen unterbreitete im vergangenen Monat ein erstes Angebot zum Kauf einer der größten europäischen Ölraffinerien.

Bis zum Importverbot war Europa zu etwa einem Drittel seiner raffinierten Ölprodukte auf Russland angewiesen. „Das Leben in Europa ist komplizierter, weil unsere Produkte viel weiter kommen müssen (und) wenn wir........

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