Über den Gehalt und die Aussagekraft von TV-Duellen konkurrierender Politiker wird gestritten, seitdem es sie gibt. Einigkeit herrscht jedoch weitgehend darüber, dass sie zu einem Teil der politischen Kultur geworden sind. Insbesondere im Vorfeld von Wahlen zeugen öffentliche Debatten zwischen den Bewerbern um das zu vergebende Amt zuallererst von gegenseitigem Respekt und dem demokratischen Grundverständnis, dass auch derjenige, dessen Meinung der eigenen entgegensteht, das Recht hat, sie kundzutun.

In der vergangenen Woche fand in den USA das letzte von vier TV-Duellen der Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur der Republikanischen Partei statt. Und was Gehalt und Aussagekraft angeht, lassen sich durchaus ein paar Dinge festhalten: Ron DeSantis ist ein bigotter Philister von so entschlossener Farblosigkeit, dass man sich fragt, wie er je zum Gouverneur von Florida gewählt werden konnte. Der Unternehmer Vivek Ramaswamy ist ein schlecht erzogener, verschwörungsgläubiger Parvenü, der sich so dreist an den rechten Parteibodensatz ranwanzt, dass es fast an eine Parodie grenzt. Nikki Haley, die einstige Uno-Botschafterin, inszeniert sich immerhin nicht erfolglos als moderat konservative Realpolitikerin. Chris Christie schließlich, der frühere Gouverneur von Florida, scheint nur ein Programm zu haben – Donald Trump zu verhindern.

Ach ja, Donald Trump. Der will ja auch wieder Präsident anstelle des Präsidenten werden, wozu es auch für ihn erst einmal gilt, die Nominierung seiner zu Partei ergattern. Er blieb allen vier Debatten fern, und das hat ebenso viel Aussagekraft, als wenn er da gewesen wäre. Wenn nicht noch mehr.

Denn dass das Fernsehpublikum – jeweils bis zu 12,8 Millionen Amerikaner sahen bei den TV-Debatten zu – einem Austausch von Argumenten lauscht, vorgebracht von Personen auf Augenhöhe, angeleitet von einem tendenziell neutralen Moderator: Diese Idee läuft Trumps Wesen und seiner autoritären Gesinnung völlig zuwider. Die sieht ihn über allen anderen stehen und das gleichmacherische Format einer Fernsehdebatte als fundamentalen Angriff auf sein Selbstverständnis als unumschränkter Führer. Einer wie er sieht Politik nicht als Wettstreit von Ideen, Ringen um Lösungen, Suche nach Dialog und politischer Rationalität. Umso weniger, da zu alldem auch das kritische Hinterfragen potenzieller Missetaten gehört wie versuchte Wahlmanipulation, Verfassungsbruch oder gar die Anstiftung zu einem Coup.

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Trumps Idol Wladimir Putin schafft es seit Beginn seiner Regentschaft vor 24 Jahren, jeder Diskussion erfolgreich aus dem Weg zu gehen. Immer wieder warben Oppositionsparteien dafür, die Gesetze dahingehend zu ändern, dass sich Kandidaten, die sich fürs Parlament oder die Präsidentschaft bewerben, TV-Debatten stellen müssen – aber natürlich vergebens. Putin habe genug damit zu tun, das Land zu regieren, für kleinkrämerisches Gezänk habe er keine Zeit, lässt er gerne verbreiten. Stattdessen inszenieren seine Domestiken Bürgerrunden, in denen Putin staatsmännisch auf vorgefertigte Fragen handverlesener Untertanen antwortet.

Nach ähnlichem Muster und mit ähnlichem Mindset verfährt auch Viktor Orbán. Der ungarische Premierminister hat zuletzt im Jahr 2006 an einer TV-Debatte teilgenommen – und in der anschließenden Wahl gegen den amtierenden sozialistischen Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsány verloren. Daraus ist er schlau geworden, das tut er sich nicht mehr an. Seit Orbán 2010 an die Macht kam, hat er sich noch jedem oppositionellen Ansinnen auf einen televisionären politischen Schlagabtausch verweigert. Oppositionelle sind für jemanden wie ihn Volksfeinde, ein TV-Duell würde sie zu ernst zu nehmenden Kombattanten adeln und womöglich ihn selbst als über alle Zweifel erhabenen Führer infrage stellen. Auch in Ungarn scheiterte 2018 erwartungsgemäß eine Gesetzesinitiative der Opposition, mit der Fernsehdebatten der Präsidentschaftskandidaten verpflichtend vorgeschrieben werden sollten.

Es ging ein bisschen unter, dass das Republican National Committee, die Parteiorganisation der Republikaner in den Vereinigten Staaten, schon vor einiger Zeit beschlossen hat, den nächsten Präsidentschaftskandidaten der Partei von der Pflicht zu entbinden, sich dem Präsidenten Biden in einem oder mehreren TV-Duellen zu stellen. Diese selbst in der amerikanischen Presse wenig beachtete Entscheidung war natürlich ganz auf Donald Trump zugeschnitzt. Sollte der sich also die Nominierung sichern, wird es mutmaßlich zum ersten Mal seit 1976, als sich Gerald Ford und Jimmy Carter gegenüberstanden, kein TV-Duell geben. Motto: Diktatoren diskutieren nicht. Amerika sollte gewarnt sein.

QOSHE - Republikanische TV-Duelle ohne Donald Trump: Diktatoren diskutieren nicht - Christian Seidl
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Republikanische TV-Duelle ohne Donald Trump: Diktatoren diskutieren nicht

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11.12.2023

Über den Gehalt und die Aussagekraft von TV-Duellen konkurrierender Politiker wird gestritten, seitdem es sie gibt. Einigkeit herrscht jedoch weitgehend darüber, dass sie zu einem Teil der politischen Kultur geworden sind. Insbesondere im Vorfeld von Wahlen zeugen öffentliche Debatten zwischen den Bewerbern um das zu vergebende Amt zuallererst von gegenseitigem Respekt und dem demokratischen Grundverständnis, dass auch derjenige, dessen Meinung der eigenen entgegensteht, das Recht hat, sie kundzutun.

In der vergangenen Woche fand in den USA das letzte von vier TV-Duellen der Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur der Republikanischen Partei statt. Und was Gehalt und Aussagekraft angeht, lassen sich durchaus ein paar Dinge festhalten: Ron DeSantis ist ein bigotter Philister von so entschlossener Farblosigkeit, dass man sich fragt, wie er je zum Gouverneur von Florida gewählt werden konnte. Der Unternehmer Vivek Ramaswamy ist ein schlecht erzogener, verschwörungsgläubiger Parvenü, der sich so dreist an den rechten Parteibodensatz ranwanzt, dass es fast an eine Parodie grenzt. Nikki Haley, die einstige Uno-Botschafterin, inszeniert sich immerhin nicht erfolglos als moderat konservative........

© Berliner Zeitung


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