Eine Lola hat Corinna Harfouch schon zu Hause: 2003 bekam sie den Deutschen Filmpreis für die beste Nebenrolle als Hexen-Chefin Rabia in „Bibi Blocksberg und das Geheimnis der blauen Eulen“. Jetzt ist sie Anwärterin auf die Lola für die beste weibliche Hauptrolle. Sie gehört zur Besetzung des Dramas „Sterben“ von Matthias Glasner, das mit noch acht weiteren Nominierungen in die Gala am 3. Mai geht. Das Gespräch führt von der Situation in der Pflege alter Menschen über die Polarisierung in der Gesellschaft.

Frau Harfouch, wie geht es Ihnen?

Mir geht es sehr gut, wirklich gut.

Ich freue mich auch, Sie so wohl zu sehen. Sie spielen in „Sterben“ eine Frau, die nicht nur mit der Pflege ihres immer dementer und gebrechlicher werdenden Mannes überfordert ist, sondern auch selbst gesundheitlich nicht mehr gut drauf ist.

Die sehr krank ist.

Hatten Sie Angst, dass das Publikum Sie wegen der Rolle nun auch alt finden würde?

So ein Gedanke ist mir nie gekommen. Ich bin in dem Alter dieser Frau, sie ist mit etwa 70 angelegt. Ich werde dieses Jahr 70 und bin also auch schon ganz schön alt. Im Grunde befreit eine solche Rolle einen eher von diesem ewigen Anspruch, dass man immer noch ganz gut aussehen muss. Die Filmkamera ist so gnadenlos, die zoomt wie eine Riesenlupe an alles heran, was im Alltag gar kein Problem ist. In dieser Rolle musste ich mich darum nicht sorgen.

Dennoch stelle ich mir vor, dass einiges schwer zu spielen war. War es keine Überwindung in dieser Szene, da der Mann wegläuft, aber die Frau noch ...

... in ihrer Kacke liegt?

Vom eigenen Kot beschmutzt ist, wollte ich vorsichtig fragen.

Erstens ist es ja Schokolade beim Dreh, also wirklich nicht schlimm. Und zweitens habe ich überhaupt keine Berührungsängste mit diesen Dingen. Im Gegenteil, ich bin eher daran interessiert, dass kein Bogen darum gemacht wird. Und wir sollten nicht die Augen davor verschließen, denn wir steuern alle darauf zu. Man muss die Situation in der Pflege und in den Heimen darstellen, wie sie ist. Da passiert noch viel mehr, als wir mit diesem Film zeigen. Ich bin gelernte Krankenschwester, habe einen hundertjährigen Vater im Heim – wir haben vor drei Wochen seinen Geburtstag gefeiert. Ich durfte die letzten Wochen bei meiner Mutter sein, bevor sie starb, das war in dem Krankenhaus, in dem ich gelernt habe. Das ist etwas sehr Intimes, etwas ganz Wichtiges.

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gestern

Haben Sie das gemacht, weil nicht genug Personal da war?

Nein, weil ich bei ihr sein wollte. Und ihr war es auch viel angenehmer, dass ich es übernommen habe.

Das wesentliche Problem der Pflegesituation in Deutschland ist ja nicht, dass man nicht hinschauen würde, sondern dass nicht genügend Pflegekräfte da sind.

Nein, das wirklich Schlimme ist, wie das alles organisiert ist. Das ist von Grund auf schlecht gedacht. So viele Pflegekräfte kann es gar nicht geben, wie gebraucht würden, wenn man an diesem System Pflegeheim festhält. Das ist ein einziges Abschieben. Glauben Sie mir: Es ist unwürdig, dort gemeinsam mit anderen, meist dementen Menschen alt zu sein. Die Grundidee ist falsch. Die einzigen körperlichen Berührungen, die es gibt, sind diese Pflegeberührungen. Zack, zack, zack, es ist alles durchgetaktet. Es gibt ja inzwischen Versuche, es zu ändern. Wir kommen vom Thema ab ...

... aber das ist wichtig – und der Film lenkt ja die Gedanken zur Pflege.

In Dänemark gibt es seit Jahren ein Konzept organisierter Nachbarschaftshilfe, in dem Menschen viel länger und besser zu Hause unterstützt werden. In den Stadtvierteln lernen die Menschen, einander zu umsorgen und ihre Berührungsängste zu verlieren. Und ich habe gehört, dass man das endlich in Deutschland auch testen will. Denn so kann es nicht weitergehen.

Und da wir Boomer bald alle abtreten, nimmt die Zahl der Pflegebedürftigen zu. Zum Wir- oder Ich-Sagen bietet „Sterben“ viel Anlass. Ich habe mich selbst beim Zuschauen öfter wiedererkannt, ob als Mutter, Tochter oder Schwester. Sie selbst haben diese Rollen im Leben auch – wie ging es Ihnen beim Spielen?

Man ist als Schauspielerin wahnsinnig froh über solches Material. Man muss sich nicht intellektuell lange damit auseinandersetzen, was vielleicht gemeint sein könnte. Das Drehbuch ist fantastisch, weil man das alles in sich trägt, weil man das aus der Umgebung kennt und instinktiv weiß. Die lange Szene an dem Tisch mit meinem Sohn, also Lars Eidinger, die haben wir gar nicht geprobt. Als wir ankamen, hat Matthias gesagt: Wir drehen am besten gleich mal, und dann haben wir die ganze Szene durchgespielt.

Es ist sozusagen der Showdown, in dem die Mutter dem Sohn alles bisher Unausgesprochene hinwirft. Haben Sie dabei improvisiert, oder war es genau der Text?

Das sind Wort für Wort die Sätze aus dem Drehbuch, hundertprozentig. Weil das alles so stimmt – weil es mit einer gewissen Lebenserfahrung geschrieben wurde. Ich kam mir keinen Augenblick so vor, als würde ich irgendetwas spielen müssen.

Wie ging es Ihnen damit, als Sie dann den fertigen Film sahen?

Gott sei Dank wurde der Film dem Team noch vor der Premiere im Wettbewerb der Berlinale einmal gezeigt. Das war ein sehr inniger Moment. Wir waren glücklich, auch erstaunt und voll Bewunderung für Matthias. Wir haben ja so viel mehr noch gedreht, es gab so viele Möglichkeiten, diesen Film zu schneiden.

Man merkt kaum, dass der Film drei Stunden geht, das Sitzen wird einem nicht schwer – zumal man ja auch lachen muss.

Ich war sehr froh, als bei der Premiere dann so viel gelacht wurde. Ich glaube, es könnte schwierig sein, diesen Film alleine zu Hause zu gucken. Aber zusammen im Saal, dieses erkennende, befreiende Lachen ist schön.

Auf der Berlinale im vergangenen Jahr startete Ihre Kollegin Gesine Cukrowski mit anderen die Initiative „Let’s change the picture“ für ein zeitgemäßes Altersbild von Frauen über 47 Jahren in Film und Fernsehen. Wir sprachen über das Alt-Sein in „Sterben“: Beschäftigt es Sie denn sonst, wie alt Sie besetzt werden?

Nein. Ich wünsche mir auch, dass es mehr Rollen gibt, die nicht nur bedeuten: Frau hatte einen Mann, er hat jetzt eine Jüngere, Frau ist traurig, und das Leben ist vorbei. Diese Stereotypen, das habe ich schon vor Jahren gesagt, möchte ich nicht mehr spielen. Weil das mit unserem Leben nichts zu tun hat, weil wir so viele Frauen kennen, die vielleicht auch verlassen werden, aber nicht daran kaputtgehen, sondern sich etwas einfallen lassen. Ich wünsche mir auch mehr Geschichten, in denen Frauen nicht immer nur das Anhängsel von ihrem Mann oder ihrem Sohn sind.

Also beschäftigt es Sie doch.

Ich lebe diesen Beruf nicht in völliger Abhängigkeit von meinen Angeboten für Kino und Fernsehen. Ich spiele Theater, und wenn ich keine Rolle im Theater und kein Filmangebot habe, mache ich halt Lesungen, und wenn es davon auch gerade keine geben sollte, mache ich was anderes, dann gehe ich zum Beispiel in ein Altersheim und lese dort. Dieser Beruf ist so vielfältig. Frauen über 47 sind unsichtbar? Das glaube ich nicht so richtig.

Deutscher Wettbewerbsfilm „Sterben“ mit Corinna Harfouch und Lars Eidinger

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Sie spielen am Deutschen Theater und am Gorki, am 5. Mai wird Ihr nächster „Tatort“ ausgestrahlt, Sie sind also viel beschäftigt. Sie haben außerdem noch ein Theater gegründet. Wie kam das?

Es handelt sich nicht um ein Theater, das klingt viel zu groß. Ich habe vor etwa fünf Jahren den alten Festsaal des Dorfes gekauft, wir haben ihn um- und ausgebaut, damit es ein Raum wird, in dem Leute zusammenkommen – auf diese oder jene Weise. Was wir dort machen, ist Gemeindearbeit: sinnvoll, erfüllend, mich macht das sehr glücklich. Es gibt Disco oder Fasching, Gemeindeversammlungen oder Energieberatung, auch Theater und Konzerte.

Interessant daran finde ich, dass man Sie doch eigentlich eher als Großstadtpflanze wahrnimmt, etwa durch den „Tatort“.

Ich lebe aber schon sehr lange auf dem Land. Und ich komme aus einer Kleinstadt.

Sie kommen aus Suhl, wie ihre oscarnominierte Kollegin Sandra Hüller!

Nein, dort habe ich höchstens eine Woche im Krankenhaus verbracht nach meiner Geburt. Ich bin in Sachsen aufgewachsen, in Großenhain bei Dresden, da komme ich her.

Sie haben also Erfahrung mit ostdeutscher Provinz?

Ich bin Provinz! Lange Zeit wollte ich denken, ich komme nicht von denen. Als ich jung war und als Schauspielerin anfing, wollte ich keine Herkunft haben, als wäre ich vom Himmel gefallen und hätte mich ganz von selbst erfunden. Ich bin ja auch bewusst dort weg. Doch irgendwann ist es mir aufgefallen, dass es so anstrengend ist, mir da etwas vorzumachen. Und es ist ungerecht, meinen Eltern und Großeltern, all den Ahnen gegenüber. Bestimmte Ängste, Vorsichten, seltsame Verhaltensweisen, die einfach Kleinstadt sind, gehören auch zu mir. Das anzuerkennen, war fast eine Befreiung.

Der Osten, die ostdeutsche Provinz ist ja neuerdings ein großes Thema.

Warum wohl?

Wegen der Umfragewerte für die AfD?

Klar, weil alle Angst haben. Da haben wir etwas versäumt. Da ist etwas schiefgelaufen.

Merkt man gesellschaftliche Stimmungen auf dem Land, wo Sie ja größtenteils leben, deutlicher als in der Großstadt?

Man spürt alles viel deutlicher. Das ist auch reizvoll. Man kriegt die Menschen dort ganz anders zu fassen. Zwischen der Wahl der Partei und dem Menschen, wie er mir erscheint, liegt oft eine große Diskrepanz. Das sind oft sehr, sehr hilfsbereite Menschen, die aus Gründen, die oft ganz woanders liegen, ihr Kreuz bei dieser Partei machen.

Woanders?

Die liegen woanders als im Politischen. Dann allerdings wird es politisch. Wir sprechen hier eher von einem Trotzgefühl als von einer Positionierung: „Ich bin wer, und ich mache mich bemerkbar, indem ich etwas tue, was nicht so richtig gewollt ist.“ Es besorgt mich, dass dieser Trotz so weit gehen kann. Denn man könnte auch ein bisschen konstruktiver werden und sich etwas einfallen lassen, wie wirklich etwas zu verändern wäre an dem, was einen stört. In einer kleineren Gemeinschaft ist das alles sehr viel präsenter als in der Großstadt, wo viele Probleme eher theoretisch sind. Auf dem Land mischt sich das Menschliche mit den politischen Einstellungen.

Und das merken Sie auch ganz direkt?

Natürlich, ich rede mit jedem, über alles Mögliche, über Alltägliches, aber auch über Politik. Denn ich empfinde es als eine ganz krasse Entwicklung von links, von rechts, von oben, von unten, dass wir uns alle dermaßen positionieren und dann sozusagen von unserm Panzer aus nach außen schießen und uns abgrenzen von allen, die gerade nicht in unserem Lager sind. Das können wir uns eigentlich gar nicht leisten. Wenn wir uns so schlau vorkommen, wenn wir unsere Weltsicht und Haltung für die einzig richtige halten und die anderen für bescheuert – das geht doch nicht. Wir, die wir vielleicht denken, wir sind auf der richtigen Seite, wir müssen uns ein kleines bisschen mehr Mühe geben und reingehen in die Diskussion. Im weitesten Sinne geht es in meiner Arbeit auf dem Dorf auch darum.

Wenn Sie sagen, die Gründe liegen nicht im Politischen, meinen Sie damit: nicht im Regierungspolitischen, sondern allgemeiner im Gesellschaftlichen.

Ja, genau.

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Das ist ein Thema, das der Film auch behandelt. „Sterben“ kann man als einen politischen Film sehen, nicht nur, weil er auf die Pflegesituation hinweist. Die Probleme, die die Figuren miteinander haben, das Unverständnis zwischen den Generationen ist gewachsen aus einem Mangel an Interesse und durch fehlendes Bemühen.

Stimmt. Den Mikrokosmos dieser Familie kann man auch größer ziehen und die Gesellschaft darin erkennen. Und das trifft auch auf schwierige Charaktere zu, wie die Figur, die ich spiele. Ich bin manchmal erschrocken über die schnelle Abfertigung, die sie erfährt: Die ist gruselig, die ist kalt, mit der kann man sich nicht identifizieren, heißt es. Das sehe ich ganz anders.

Beschreiben Sie bitte diese Figur, wie Sie sie verstehen.

Ich sehe eine Frau, die im falschen Leben gelandet ist. Da sind wir alle nicht gut, wenn wir durch irgendwelche Umstände an einen Punkt kommen, wo wir eigentlich nicht hingehören. Die große Entfaltung ist dann gestört. Sie hatte sich schon von dem Mann getrennt, wurde aber schwanger, da blieben sie zusammen. Es war keine Liebesheirat. Sie wohnt bei den Schwiegereltern mit dem Baby, das permanent schreit. Die Voraussetzungen, das Kind zu lieben, sind sehr schlecht.

Man sieht, wie befangen sie ist, wenn sie sich trotz ihrer Notlage am Telefon mit den Kindern sofort zurückzieht und sagt: Ich weiß, du hast keine Zeit. Das ist ein Moment, da man sich beim Zuschauen zuordnet – ob man Besuch erwartet oder die Verpflichtung fühlt, sich bei den Eltern melden zu müssen. Nun spielen Sie die Mutter des Regisseurs und Drehbuchautors, ist das nicht seltsam?

Natürlich möchte ich nicht, dass Matthias mich als seine Mutter sieht. Er hat mir sehr viel erzählt von ihr, ein paar dieser Details habe ich aufgenommen. Aber der Stock, auf den sie sich beim Gehen stützt, der gehört meinem Vater. Den habe ich mir noch kurz vorm Dreh mitgenommen. In der Szene hieß es, sie hakt sich bei dem Sohn ein. Das wollte ich nicht glauben, da hat sie doch eine Scheu. Was macht sie dann, habe ich mich gefragt? Sie kann ja wirklich nicht gut laufen. Mit dem Stock ist sie sogar ziemlich schnell.

Nun sind Sie in dieser Rolle für die Lola nominiert. Einmal schon hatten Sie eine Nominierung für die beste Hauptrolle, das war 2010 für „This is Love“, auch von Matthias Glasner. Nun denkt man natürlich: Diesmal muss es klappen. Wie gehen Sie mit der Erwartung um?

Ich weiß nur, dass es eine ziemlich unangenehme Situation ist, wenn man da sitzt und die Kamera einen im Blick hat, wenn eine andere den Preis bekommt. Dann muss man sich trotzdem freuen. Dieser Moment ist – bei aller Achtung für die Kolleginnen – schrecklich. Das würde ich lieber nicht im Saal erleben.

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Corinna Harfouch: Wir schießen aus unseren Panzern auf alle, die nicht in unserem Lager sind

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27.04.2024

Eine Lola hat Corinna Harfouch schon zu Hause: 2003 bekam sie den Deutschen Filmpreis für die beste Nebenrolle als Hexen-Chefin Rabia in „Bibi Blocksberg und das Geheimnis der blauen Eulen“. Jetzt ist sie Anwärterin auf die Lola für die beste weibliche Hauptrolle. Sie gehört zur Besetzung des Dramas „Sterben“ von Matthias Glasner, das mit noch acht weiteren Nominierungen in die Gala am 3. Mai geht. Das Gespräch führt von der Situation in der Pflege alter Menschen über die Polarisierung in der Gesellschaft.

Frau Harfouch, wie geht es Ihnen?

Mir geht es sehr gut, wirklich gut.

Ich freue mich auch, Sie so wohl zu sehen. Sie spielen in „Sterben“ eine Frau, die nicht nur mit der Pflege ihres immer dementer und gebrechlicher werdenden Mannes überfordert ist, sondern auch selbst gesundheitlich nicht mehr gut drauf ist.

Die sehr krank ist.

Hatten Sie Angst, dass das Publikum Sie wegen der Rolle nun auch alt finden würde?

So ein Gedanke ist mir nie gekommen. Ich bin in dem Alter dieser Frau, sie ist mit etwa 70 angelegt. Ich werde dieses Jahr 70 und bin also auch schon ganz schön alt. Im Grunde befreit eine solche Rolle einen eher von diesem ewigen Anspruch, dass man immer noch ganz gut aussehen muss. Die Filmkamera ist so gnadenlos, die zoomt wie eine Riesenlupe an alles heran, was im Alltag gar kein Problem ist. In dieser Rolle musste ich mich darum nicht sorgen.

Dennoch stelle ich mir vor, dass einiges schwer zu spielen war. War es keine Überwindung in dieser Szene, da der Mann wegläuft, aber die Frau noch ...

... in ihrer Kacke liegt?

Vom eigenen Kot beschmutzt ist, wollte ich vorsichtig fragen.

Erstens ist es ja Schokolade beim Dreh, also wirklich nicht schlimm. Und zweitens habe ich überhaupt keine Berührungsängste mit diesen Dingen. Im Gegenteil, ich bin eher daran interessiert, dass kein Bogen darum gemacht wird. Und wir sollten nicht die Augen davor verschließen, denn wir steuern alle darauf zu. Man muss die Situation in der Pflege und in den Heimen darstellen, wie sie ist. Da passiert noch viel mehr, als wir mit diesem Film zeigen. Ich bin gelernte Krankenschwester, habe einen hundertjährigen Vater im Heim – wir haben vor drei Wochen seinen Geburtstag gefeiert. Ich durfte die letzten Wochen bei meiner Mutter sein, bevor sie starb, das war in dem Krankenhaus, in dem ich gelernt habe. Das ist etwas sehr Intimes, etwas ganz Wichtiges.

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Haben Sie das gemacht, weil nicht genug Personal da war?

Nein, weil ich bei ihr sein wollte. Und ihr war es auch viel angenehmer, dass ich es übernommen habe.

Das wesentliche Problem der Pflegesituation in Deutschland ist ja nicht, dass man nicht hinschauen würde, sondern dass nicht genügend Pflegekräfte da sind.

Nein, das wirklich Schlimme ist, wie das alles organisiert ist. Das ist von Grund auf schlecht gedacht. So viele Pflegekräfte kann es gar nicht geben, wie gebraucht würden, wenn man an diesem System Pflegeheim festhält. Das ist ein einziges Abschieben. Glauben Sie mir: Es ist unwürdig, dort gemeinsam mit anderen, meist dementen Menschen alt zu sein. Die Grundidee ist falsch. Die einzigen körperlichen Berührungen, die es gibt, sind diese Pflegeberührungen. Zack, zack, zack, es ist alles durchgetaktet. Es gibt ja inzwischen Versuche, es zu ändern. Wir kommen vom Thema ab ...

... aber das ist wichtig – und der Film lenkt ja die Gedanken zur Pflege.

In Dänemark gibt es seit Jahren ein Konzept organisierter Nachbarschaftshilfe, in dem Menschen........

© Berliner Zeitung


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