Die Kugel des Berliner Fernsehturms mit dem Restaurant befindet sich etwa in 200 Metern Höhe. Ungefähr dort, eher noch tiefer, ist am Montag der Fernsehturm von Charkiw abgebrochen. Getroffen von einem russischen Geschoss, sank die Spitze des bis zu jenem Tag 240 Meter hohen Turms zu Boden. Das Internet ist voll von Videos, die den Moment eingefangen haben. Russland habe eine „Einrichtung der Fernsehinfrastruktur“ getroffen, wird der Gouverneur von Charkiw in Medienberichten zitiert, es habe „Unterbrechungen des Signals für digitales Fernsehen“ gegeben.

Schon wenn man anfängt, sich die Frage zu stellen, warum auf den Turm gezielt wurde, liegt die Antwort auf der Hand. Natürlich sind es auch solche Bilder, mit denen die Angreifer zeigen, dass sie nicht nachlassen in ihrem Bestreben, der Ukraine ihren Willen zu diktieren. Und wenn damit die Berichterstattung im widerständigen Charkiw eingeschränkt wird, ist schon wieder ein Ziel erreicht.

Der Krieg, den Russland gegen die Ukraine führt, konzentriert sich seit dem 24. Februar 2022 immer wieder auf diese Stadt, die zweitgrößte des Landes. Einst hatte sie rund 1,5 Millionen Einwohner. Leserinnen und Leser, X- und Facebook-Nutzer bekommen seit nunmehr zwei Jahren einen Einblick in die Lage der Menschen dort, weil der Schriftsteller Serhij Zhadan unermüdlich aus Charkiw berichtet.

Einmal schrieb er, dass sich die Topografie der Stadt in kurzer Zeit völlig verändert habe, weil man in jedem Bezirk sofort sehen könne, ob er bereits getroffen wurde oder nicht. „Ich denke, nach dem Krieg werden wir unsere Stadt noch lange genau so sehen – hier hat es eingeschlagen, hier Gott sei Dank nicht.“ Dann aber werde die Sichtweise verwaschener werden, denn es sei inzwischen auch nicht mehr so klar, welche Viertel im August und September 1943 am stärksten unter Beschuss standen. „Im Moment tut es aber wirklich weh, die Stadt anzusehen.“ Das ist nachzulesen in dem Buch „Himmel über Charkiw“.

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Gerade erst sagte der Münchener Politikwissenschaftler Carlo Masala in Interviews, dass aus Charkiw ein zweites Mariupol gemacht werden solle, andere Experten widersprechen, weil die Stadt größer ist und strategisch weniger bedeutend, weil sie nicht am Meer liegt. Zweites Mariupol? Die verbliebenen Einwohner werden sich nicht um solch zweifelhaften Ruhm bewerben. Aber wie fragil die Situation in der Ukraine ist, das zeigen die neuen Bilder so oder so.

QOSHE - Der getroffene Fernsehturm von Charkiw: Wird die Stadt das nächste Mariupol? - Cornelia Geißler
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Der getroffene Fernsehturm von Charkiw: Wird die Stadt das nächste Mariupol?

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23.04.2024

Die Kugel des Berliner Fernsehturms mit dem Restaurant befindet sich etwa in 200 Metern Höhe. Ungefähr dort, eher noch tiefer, ist am Montag der Fernsehturm von Charkiw abgebrochen. Getroffen von einem russischen Geschoss, sank die Spitze des bis zu jenem Tag 240 Meter hohen Turms zu Boden. Das Internet ist voll von Videos, die den Moment eingefangen haben. Russland habe eine „Einrichtung der Fernsehinfrastruktur“ getroffen, wird der Gouverneur von Charkiw in Medienberichten zitiert, es habe „Unterbrechungen des Signals für digitales Fernsehen“ gegeben.

Schon wenn man anfängt, sich die Frage zu stellen, warum auf den Turm gezielt wurde, liegt........

© Berliner Zeitung


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