Links auf der Bühne steht ein Tisch, dessen Gestell eine alte Singer-Nähmaschine bildet. Darüber hängen an einer Holzstange Küchenutensilien wie Kellen, Quirle und Schaber, eine Eierbox. Nach der Einblendung des Gedichts „Was über mich erzählt wird“, 1968 von Elke Erb geschrieben, setzen sich ein paar Leute um den Tisch. Die Anordnung wird sich noch zweimal verändern im Laufe des Vormittags: Es sind Dichterinnen und Dichter, die mit dieser Sonntagsmatinee in der Volksbühne an die vor einem Monat verstorbene Elke Erb erinnern.

Der Text auf der Leinwand schließt: „Und jeden Morgen kann ich mir nach dem ersten Ei auch noch / ein zweites leisten ganz wie ich will ein Ei oder zwei“. Man hört die Stimme der Poetin aus dem Off verklingen, ein Scheinwerfer richtet sich auf ein Marmor-Ei rechts auf der Bühne, bestimmt einen Meter hoch.

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„Guten Morgen, Freunde des Verses“, grüßt Volker Braun in den auch im Rang vollbesetzten Theatersaal. Die Zeit der Auftritte sei vorgegeben, sagt er. Und wenn später wieder und wieder die Eieruhr nach fünf Minuten klingelt, dann wird klar, wie streng das Korsett war, das Elke Erb sich zwei Jahre lang gegeben hatte: Innerhalb von fünf Minuten notierte sie, was ihr in den Kopf und unter die Feder kam, absichtslos und eigen. Der daraus entstandene Band „Sonanz“ erschien 2008 bei Urs Engeler. Der Verleger grüßt von der Leinwand, er gehört zu den Mitveranstaltern, wie auch Suhrkamp, wie auch die vier Berliner Literaturhäuser.

Jan Faktor erzählt frei von Elke Erbs Art zu sprechen, liest dann vor, wie er in seinem „Georg“-Roman versuchte, eine Figur wie sie reden zu lassen. Brigitte Oleschinski erzählt von der ersten Begegnung in West-Berlin, als sie eine Ostdeutsche erwartete und dann das Rheinische in Erbs Stimme hörte. Die 1938 nicht weit von Bonn Geborene kam 1949 mit der Familie in den Osten, nach Halle zunächst, ab 1968 war sie Berlinerin. Wer in Prenzlauer Berg oder Wedding in ihrer Küche saß wie einst Kathrin Schmidt oder Olga Martynova, Richard Pietraß oder Peter Wawerzinek, Steffen Pop und Monika Rinck, trägt nun Texte vor, die zeigen, was alles bei Elke Erb zum Gedicht werden konnte, das Ei wie der Esel.

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23.02.2024

„Poesie ist alles, was sich nicht verwalten lässt“, sagt Brigitte Struzyk, darin sei sie sich mit ihrer Freundin einig gewesen. Sie kramt mehrere Ausgaben der Gedichte aus einem bunten Stoffbeutel hervor, den zeigt sie dann dem Publikum: Elke Erb habe ihn genäht. Und sie erinnert, wie die Dichterin sich bei einem Leitersturz drei Rippen brach, die Rettungssanitäter vor der Fahrt ins Krankenhaus aber stoppte, sie müsse noch Bücher einstecken. Das fanden die abwegig, bekamen aber zu hören: „An Langeweile will ich nicht sterben!“

Der Büchertisch im Foyer der Volksbühne war anschließend dicht umlagert.

QOSHE - Volksbühne Berlin: Gedenk-Matinee für die Dichterin Elke Erb - Cornelia Geißler
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Volksbühne Berlin: Gedenk-Matinee für die Dichterin Elke Erb

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25.02.2024

Links auf der Bühne steht ein Tisch, dessen Gestell eine alte Singer-Nähmaschine bildet. Darüber hängen an einer Holzstange Küchenutensilien wie Kellen, Quirle und Schaber, eine Eierbox. Nach der Einblendung des Gedichts „Was über mich erzählt wird“, 1968 von Elke Erb geschrieben, setzen sich ein paar Leute um den Tisch. Die Anordnung wird sich noch zweimal verändern im Laufe des Vormittags: Es sind Dichterinnen und Dichter, die mit dieser Sonntagsmatinee in der Volksbühne an die vor einem Monat verstorbene Elke Erb erinnern.

Der Text auf der Leinwand schließt: „Und jeden Morgen kann ich mir nach dem ersten Ei auch noch / ein zweites leisten ganz wie ich will ein Ei oder zwei“. Man hört die Stimme der Poetin aus dem Off verklingen, ein........

© Berliner Zeitung


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