Thomas Wendt, 51, wohnt mit seiner Familie in einem Einfamilienhaus mit großem Garten am Rand von Berlin. Das Haus wirkt von außen wie viele Häuser dieser Art – vielleicht ist der Zaun etwas höher als bei anderen. Es gibt eine Alarmanlage, das ist heute bei Einfamilienhäusern nichts Ungewöhnliches mehr, aber keine Kameraüberwachung. „Kameras will ich nicht installieren, denn das macht nur nach außen den Eindruck, als ob hier was zu holen ist.“ Der vierfache Vater macht sich seit einiger Zeit vermehrt Gedanken über die Sicherheit seiner Familie. Er weiß, dass teure Autos vor dem Haus, ein untrüglicher Hinweis für Einbrecher sein können.

„Es begann so um das Jahr 2016 herum“, erinnert sich Wendt. Da kam im Gespräch mit Kumpels das Thema auf, in der Firma ein „zweites System“ zu haben – zur Sicherheit, falls das Hauptsystem versagen sollte. Wendt arbeitet als Projektleiter im Baubereich und ist viel unterwegs. Nach diesem Gespräch überlegte Wendt, auch in seinem Privatleben ein Ersatzsystem einzurichten. Es kann alles Mögliche passieren: Stromausfall, Feuer, Vandalismus, ein GAU, ein militärischer Ernstfall oder eine Naturkatastrophe.

Wendt besorgte sich Fachliteratur wie das „Handbuch für den Prepper“, und Bücher von Rüdiger Nehberg, dem 2020 verstorbenen deutschen Survival-Experten.

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Im Kriegsfall: Wie viele intakte Bunker gibt es in Berlin?

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Der 51-Jährige ist ein Mann der Praxis: Um einen Stromausfall zu simulieren, schaltet er kurzum den gesamten Strom im Haus ab und schaut, was passiert. „Nicht mehr viel“, lautet seine leicht vorhersehbare Erkenntnis. Damit beginnt die Präparierung seines Hauses für den Ernstfall. Er kauft Leitern, die bis zum Obergeschoss reichen und Löschdecken. Im Garten legt er Hochbeete an – er will seiner Familie zeigen, wie man sich aus dem eigenen Garten ernähren kann. Für den Kamin ist ein großer Holzvorrat da, denn wer weiß schon, wie konstant die Gasversorgung in Zukunft aussehen wird.

Manchmal muss ihn seine Familie in seinem Eifer bremsen, lässt Wendt zwischen den Sätzen durchblicken. Trotzdem hat er, wie von der Regierung empfohlen, einen Nahrungsvorrat für zwei Wochen angelegt – mit Konserven, Grundnahrungsmitteln und Getränken. Eine Batterie speist im Ernstfall die Notstromversorgung des Hauses.

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Einen Bunker würde Wendt nicht anlegen, so weit geht die Sicherheitsliebe dann doch nicht. Seit einigen Jahren ist Wendt aber regelmäßiger Teilnehmer von Workshops, die die Agentur Survicamp in Berlin unter anderem im Strandbad Plötzensee anbietet. Mehr als zwei Dutzend Kurse hat Wendt schon mitgemacht, einmal nahm er auch seinen zwölfjährigen Sohn mit: zu einem neuntägigen Überlebenstrip in der Wildnis Nordschwedens, Schnee inklusive.

Das Kursangebot von Survicamp ist vielseitig. Es gibt den eintägigen Kurs „Blackout“, bei dem man lernt, sich auf den Krisenfall – in diesem Fall ein Stromausfall – vorzubereiten. Ein anderer Tageskurs widmet sich Wildkräutern, die man essen kann, ein anderer dem Anbau von Lebensmitteln, dem Konservieren von Lebensmitteln, dem Upcycling und der Hausmedizin.

An einem Wochenende mit Wildniscamp lernen die Überlebenskünstler den Lagerbau, die Holzbearbeitung, das Feuermachen ohne Streichhölzer, welche Survival-Knoten wichtig sind, und das wetterunabhängige Schlafen unter freiem Himmel. Zudem werden folgende Fragen beantwortet: Wie orientiere ich mich im Gelände ohne Kompass, und wie finde ich einen guten Lagerplatz? Wie filtere ich Wasser so, dass ich es gefahrlos trinken kann? Wie leiste ich erste Hilfe ohne große Hilfsmittel? Wie baue ich mir eine Unterkunft, in der ich anschließend übernachte? Natürlich gibt es auch Unterricht im Bogenschießen, eine Fertigkeit, die nach wie vor bei vielen Menschen sehr beliebt ist.

Den Teilnehmern wird auch gezeigt, wie man sich einen richtigen Löffel aus Holz schnitzt, was begeisterte Nachahmer findet. Schließlich kann man den Löffel mit nach Hause nehmen – und damit vor Freunden angeben. Oft klingen die Survival-Kurse mit einem Lagerfeuer am Abend aus, ebenfalls eine Sache, die gute Stimmung vermittelt, und den Teilnehmern in guter Erinnerung bleibt.

Bei Survicamp betont man dabei den Unterschied zwischen Survival-Kursen und Bushcrafting: Beim Survival liegt der Fokus auf dem Überleben in einer unfreiwilligen Notsituation, während sich das Bushcrafting mehr auf das freiwillige Naturerlebnis fokussiert.

Das Survival-Camp ist bei Survicamp als Rollenspiel angelegt. Die Teilnehmer werden dabei mit einer realistischen Survival-Situation konfrontiert, auf die sie reagieren müssen. Und weil sich Frauen in Notsituationen manchmal anders verhalten als Männer, gibt es auch spezielle Survival-Camps für Frauen. Einige Aufgaben erinnern an Pfadfinderlager und bereiten auch Kindern Freude – entsprechend besuchen die Kurse auch viele Familien.

„Prepper – Bereit für den Untergang“: Sehnsucht nach dem Ende dieser Welt

21.04.2021

Daniel Schäfer, der Gründer von Survicamp, hat mit Benjamin Arlet das Buch „Das Überlebenshandbuch“ geschrieben. Gleich am Anfang geht er dabei auf das oft ziemlich negative Bild ein, das in Großteilen der Bevölkerung vom Prepper herrscht. „Angst ist ein schlechter Ratgeber“, behauptet Schäfer, der beruflich Stationen bei der Bundeswehr, der Polizei, als Unternehmensberater und Hochschuldozent durchlaufen hat. Damit gleicht sein beruflicher Hintergrund dem vieler Menschen, die sich sorgfältig auf Notfälle vorbereiten. Es ist kein Zufall, dass viele von ihnen aus der Bundeswehr, der Polizei, dem Technischen Hilfswerk oder der Feuerwehr kommen.

Schäfer nennt exemplarisch die Gastwirte, die sich gegen Schadenfälle teuer versichert haben, nach der Corona-Pandemie aber vergebens auf Schadenfallzahlungen warten mussten. Vertrauen auf bedrucktes Papier kann nach Schäfers Meinung so manches Mal enttäuschen. Er plädiert deshalb für handfeste Krisenvorsorge und meint damit vor allem Wissen. Wissen, das sich jeder aneignen kann.

Den Medien wirft er vor, wenn es um die Verantwortung des Einzelnen geht, beim Thema Prepper allzu oft nur in Verbindung mit Subkulturen und Extremismus zu berichten.

„Eine Versicherung, auf die man sich zu 100 Prozent verlassen kann“, nennt Schäfer seine Survival-Kurse, die man auch als weiteres Hobby zählen kann. Ein wichtiger Part, um in der Krise zu überleben, sei nicht nur die materielle Vorsorge, so Schäfer: „Es ist auch die richtige Haltung, Einstellung und Überlebenspsychologie.“

Seit der Corona-Krise, in der sich viele Menschen zwangsweise einigeln und somit auch in einer unfreiwilligen Notsituation auskommen mussten, stieg das Bewusstsein und Interesse an der Bewältigung von Krisensituationen. So wurde auch der Notfallratgeber, den das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe in Bonn herausgab, auf einmal viel häufiger bestellt.

Natürlich hat sich rund um Prepper mittlerweile auch ein Wirtschaftszweig entwickelt. Der Kopp-Verlag in Stuttgart beispielsweise profitiert von diesem Boom. Erhältlich sind dort etwa eine Petroleumheizung, die auch zum Outdoor-Kochen geeignet ist, ein Kurbelradio, eine Kurbel-Dynamo-Powerstation sowie Chlordioxid zur Trinkwasserdesinfektion. Sogar einen „Selbstverteidigungsregenschirm“, eine „hocheffektive Defensivwaffe gegen Angriffe“, kann man sich für 99 Euro zulegen. Den Vorratskeller können sich Prepper mit Butter- und Hühnervolleipulver oder Mehl in Dosen aufstocken. Natürlich darf auch das gute, alte Schweizer Taschenmesser, mit Säge, Dosenöffner, Korkenzieher und Flaschenöffner nicht fehlen – das auch zu normalen Zeiten gute Dienste leistet.

Als unabhängige Lichtquelle ist die Petromax-Lampe schon seit 1922 überall auf der Welt im Einsatz. Mit Petroleum erreicht sie eine Leuchtstärke zwischen 100 Watt und 400 Watt. Sie ist jedoch nicht ganz einfach zu bedienen, da man das Petroleum erst „aufpumpen“ muss, wozu einige Fachkenntnisse nötig sind.

Ganz neu ist das Phänomen Prepper ja übrigens nicht, wie ein Blick in den Keller der Großeltern beweist: Hier findet man nicht nur Tonnen von Heizkohle, sondern auch Nahrungsvorräte für den Winter, bestehend aus eingemachten Pflaumen, Kirschen, Birnen oder Rhabarber, eingelegte Gurken und Kürbis, und manchmal sogar Gepökeltes, Gedörrtes oder Räucherfisch, denn: Oma war prepared.

QOSHE - Besuch bei einem Berliner Prepper: Auf alles vorbereitet, von der Naturkatastrophe bis zum Krieg - Dirk Engelhardt
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Besuch bei einem Berliner Prepper: Auf alles vorbereitet, von der Naturkatastrophe bis zum Krieg

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24.04.2024

Thomas Wendt, 51, wohnt mit seiner Familie in einem Einfamilienhaus mit großem Garten am Rand von Berlin. Das Haus wirkt von außen wie viele Häuser dieser Art – vielleicht ist der Zaun etwas höher als bei anderen. Es gibt eine Alarmanlage, das ist heute bei Einfamilienhäusern nichts Ungewöhnliches mehr, aber keine Kameraüberwachung. „Kameras will ich nicht installieren, denn das macht nur nach außen den Eindruck, als ob hier was zu holen ist.“ Der vierfache Vater macht sich seit einiger Zeit vermehrt Gedanken über die Sicherheit seiner Familie. Er weiß, dass teure Autos vor dem Haus, ein untrüglicher Hinweis für Einbrecher sein können.

„Es begann so um das Jahr 2016 herum“, erinnert sich Wendt. Da kam im Gespräch mit Kumpels das Thema auf, in der Firma ein „zweites System“ zu haben – zur Sicherheit, falls das Hauptsystem versagen sollte. Wendt arbeitet als Projektleiter im Baubereich und ist viel unterwegs. Nach diesem Gespräch überlegte Wendt, auch in seinem Privatleben ein Ersatzsystem einzurichten. Es kann alles Mögliche passieren: Stromausfall, Feuer, Vandalismus, ein GAU, ein militärischer Ernstfall oder eine Naturkatastrophe.

Wendt besorgte sich Fachliteratur wie das „Handbuch für den Prepper“, und Bücher von Rüdiger Nehberg, dem 2020 verstorbenen deutschen Survival-Experten.

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21.10.2022

Im Kriegsfall: Wie viele intakte Bunker gibt es in Berlin?

01.08.2023

Der 51-Jährige ist ein Mann der Praxis: Um einen Stromausfall zu simulieren, schaltet er kurzum den gesamten Strom im Haus ab und schaut, was passiert. „Nicht mehr viel“, lautet seine leicht vorhersehbare Erkenntnis. Damit beginnt die Präparierung seines Hauses für den Ernstfall. Er kauft Leitern, die bis zum Obergeschoss reichen und Löschdecken. Im Garten legt er Hochbeete an – er will seiner Familie zeigen, wie man sich aus dem eigenen Garten ernähren kann. Für den Kamin ist ein großer Holzvorrat da, denn wer weiß schon, wie konstant die Gasversorgung in Zukunft aussehen wird.

Manchmal muss ihn........

© Berliner Zeitung


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