Helfen die sozialen Medien wie TikTok, jungen Menschen Lust auf das Bücherlesen zu machen? „Unsere Klientel ist eher 50+ und hält Influencer für eine Grippe, daher müssen wir uns damit nicht beschäftigen“, antwortet etwas lapidar Karla Paquet von der Buchhandlung Hertel aus Göttingen auf die Frage, ob BookTok in ihrer Buchhandlung das Geschäft ankurbelt. BookToker nennen sich Menschen auf TikTok, die in kurzen Videos (Reels) Bücher bewerten. Der Trend ist riesig: mehr als 180 Milliarden Aufrufe gibt es bereits unter dem Hashtag #booktok.
Im Jahr 2023 wurden über zwölf Millionen Bücher in Deutschland verkauft, die so markiert wurden. Seit April 2023 veröffentlichen TikTok und Media Control jeden Monat eine #BookTok-Bestsellerliste mit 20 Titeln. Und seit kurzem haben die meistverkauften Bücher unter diesem Hashtag auch einen Bestseller-Sticker. In den USA wird ein Buch, das BookToker bewerben, wie etwa „It ends with us“ von Colleen Hoover, mehr als acht Millionen mal verkauft. Da ist es für den Buchhandel keine Frage, auf diesen Zug aufzuspringen.
Der Georg-Büchner-Buchladen in Berlin hat zwar kein eigenes Regal für BookTok-Empfehlungen, aber Kundinnen, die Bücher nachfragen, die auf BookTok kursieren, kämen immer öfter, hat die Buchhändlerin Jennifer Jannack beobachtet. „Vor allem Young-Adult-Romane, oft Übersetzungen aus dem Englischen, sind bei dieser Zielgruppe gefragt“, so Jannack. Einige dieser Bücher hat sie im Laden auch vorrätig.
„Das solltest du tun, damit dein Bücherregal ordentlicher aussieht“ – so lautet eines der Reels der BookTokerin Marie, und sie zeigt ganz ernsthaft eine Methode, mit der sie es schafft, dass Bücher in einem Bücherregal nicht leicht schräg, sondern gerade stehen. Willkommen in der BookTok-Welt, in der das Äußere mindestens so wichtig ist wie der Inhalt von Büchern. Auch die Hände, die mit ins Bild kommen, sollten stets perfekt manikürt sein.
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•vor 5 Std.
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Ein Verlag, der Genres wie Young Adult und Romance im Programm hat, ist der Goldmann Verlag aus München. „BookToker gehören für uns als Verlag seit vielen Jahren zum geschätzten Kreis der Multiplikatoren“, sagt Claudia Hanssen von Goldmann. Sie bestätigt, dass sie BookToker mit kostenlosen Rezensionsexemplaren versorgt, und lobt sie überschwänglich: „Die große Kreativität, Authentizität und die Leidenschaft für Autoren, Bücher und Themen zeichnen viele Bloggende aus. Das ist wunderbar zu sehen“ formuliert sie. Bei der Frage, ob durch BookTok auch junge, unbekannte Autoren eine Chance bei ihrem Verlag hätten, weicht sie allerdings aus: „Die Entscheidung darüber, ein Buch zu verlegen, ist und bleibt in erster Linie eine inhaltliche Entscheidung.“
Julia, 24, aus Hannover, von Juliasbuchwelt, hat auf TikTok mehr als 12.000 Follower. Auf TikTok filmt sie sich gerne dabei, wie sie vor ihren weißen, randvoll mit Büchern gefüllten Ikea-Regalen Bücher vorzeigt und über sie erzählt. Die sind vorwiegend von großen Verlagen wie Goldmann, Heyne oder Blanvalet und haben englische Titel. Im März waren es so viele, dass sie gar nichts mehr dazu sagte, sondern nur schrieb: „Es kamen einfach zu viele gute Bücher raus, es ist eskaliert“.
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Jess ist eine der ganz Großen auf TikTok, sie hat mehr als 522.000 Follower und natürlich ein Management. Auch Jess geht nicht in den Buchladen, um sich Bücher zu kaufen, sie bekommt dauernd Pakete zugeschickt, die sie vor laufender Kamera auspackt und dann meist sagt, wie sehr sie sich schon auf die Lektüre freue. „Bookhaul“ nennt sie das, es bedeutet laut dem Branchenmagazin Buchreport, ein BookToker packt live eingetroffenes Bücherpaket aus. Neben den „hauls“ gibt es auch „unhauls“: so nennen die BookToker angelesene Bücher, die sie wieder aussortieren und die keinen Platz im Bücherregal erhalten.
Eine „Buchrezension“ sieht auf Jess’ Kanal meist so aus: Vor laufender Kamera gibt die BookTokerin eine kurze Zusammenfassung des Inhalts, und dann sagt sie, wie lesbar es war, beispielsweise „sehr flüssig“. Gespickt ist das Ganze mit vielen englischen Worten, wobei „okay“ fast in jedem Satz vorkommt. „Vor zehn Jahren war ich auf YouTube aktiv, dann auf Instagram, das habe ich jedoch nicht lange gemacht“, sagt Jess.
Zu Beginn war sie erst mit ganz anderen Videos auf TikTok aktiv. „Seitdem ich klein bin, liebe ich es zu lesen und habe schon immer eine Menge Bücher besessen“. Also fragten User sie, ob sie nicht mal die Bücher zeigen kann, die man auf ihren Reels im Hintergrund sieht. So kam es, dass Jess zur BookTokerin wurde.
Ihr Werdegang dürfte typisch für die Szene sein. Wie viele Bücher sie zugeschickt bekommt, variiert, sagt sie. Es können schon mal 15 Titel im Monat sein. Sie sagt allerdings, dass sie nur Bücher annimmt, die sie auch wirklich interessieren. Dazu zählt vor allem das Genre Dark Romance. Die Vorlieben bei Jess stehen beispielhaft für das Gros der BookToker. Literarisch anspruchsvolle Werke sind dabei selten zu finden, früher nannten sich solche Werke, die hier besprochen werden, Groschenromane. Wobei die Leser heute empfindlicher sind: Enthält ein Buch „schlimme“ Wörter, bauen die BookToker eine „Triggerwarnung“ ein.
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Eine der meistgehypten Autorinnen auf BookTok ist Colleen Hoover. Die 44 Jahre alte Autorin aus den USA schrieb ihren Erstling 2011, seitdem folgt jedes Jahr mindestens ein neuer Roman in den Genres Romance und Young Adult Fiction. Ihr jüngstes Werk „Nur noch einmal und für immer“ erhielt, wie immer, fast nur 5-Sterne-Bewertungen von den Leserinnen: „Verschlang es an einem Tag“, „war total geflasht“, oder „einfach mega“ lauten dabei typische Bewertungen. Natürlich haben die Cover der Bücher von Hoover, verlegt übrigens bei dtv, immer ähnliche Pastellfarben. Da ist die Sache mit dem Bücherregal ...
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