Normalerweise ist es eine einfache Frage, die jeder Angeklagte bei einem Prozessauftakt dem Richter beantworten muss: die Frage nach dem Familienstand. Als der 31-jährige Bashir A. am Freitag im Saal 217 des Kriminalgerichts Moabit diese Frage gestellt bekommt, sagt er, er wolle nur antworten, wenn er eine Geschichte erzählen darf. „Ich hatte eine Ehefrau“, übersetzte eine Dolmetscherin für den Afghanen. „Aber sie hat mir einen Scheidungseintrag gestellt, ohne mir darüber etwas zu sagen.“ Für Bashir A. und seine Familie war klar, das sei „nicht zu akzeptieren“. Der Vorsitzende Richter Thomas Groß fragt noch einmal nach dem Familienstand. Die Antwort: Bashir A. ist noch verheiratet, seine Ehefrau Zahra A. lebt aber seit dem Frühjahr 2023 von ihm getrennt.

Bashir A. wird des versuchten Mordes an seiner Frau im April 2023 beschuldigt, sowie der gefährlichen Körperverletzung und versuchten Vergewaltigung. Das Paar hat fünf gemeinsame Kinder zwischen vier und zwölf Jahren. Geschichten von versuchten oder gelungenen Tötungen von Frauen durch ihre männlichen Partner, Femizide, sind in Berlin leider keine Seltenheit. Dennoch war es von vornherein keine Selbstverständlichkeit, dass es zu der Anklage gegen Bashir A. in dieser Form kommen würde. Denn die Berliner Staatsanwaltschaft hat ihn ursprünglich lediglich wegen des Verdachts der „Körperverletzung mit Todesfolge“ angeklagt.

Das aber sieht die 22. Große Strafkammer Berlins anders. Die Schwurgerichtskammer ist zuständig bei versuchten und vollendeten Tötungsdelikten und hat nun dieses Verfahren eingeleitet. „Der Angeklagte ist hinreichend verdächtig, bei dem mehraktigen Einwirken auf den Körper seiner Frau aufgrund der Trennung und ihres Scheidungswunsches deren Tod zumindest billigend in Kauf genommen zu haben“, so formuliert es Staatsanwalt Philipp Hujo am Freitag vor Gericht.

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Der Staatsanwalt verliest weiter die Details der „massiven Gewalt“, die Bashir A. gegen seine Frau begangen haben soll. Am Morgen des 24. April 2023 habe er sie auf der Straße in der Nähe des S-Bahnhofs Landsberger Allee bespuckt und als „Schlampe“ beschimpft. Ohne ihr Wissen folgte er ihr zurück zu der Wohnung, wo sie mit ihren gemeinsamen Kindern lebte, und überfiel sie, als sie gerade die Tür schließen wollte.

Dort soll er sie an ihrem Kopftuch (und den Haaren darunter) in die Küche gezerrt haben, wo er ihr wiederholt ins Gesicht und auf den Kopf schlug. Erst mit den Fäusten, dann mit einer Bratpfanne. Am ersten Prozesstag berichteten vier Polizeibeamte über ihre Erlebnisse am Tattag, als eine Freundin der Geschädigten die Polizei darüber informierte, dass Bashir A. in ihre Wohnung eingebrochen war. Bilder von den am Tatort gefundenen Gegenständen wurden im Gerichtssaal gezeigt, darunter auch die Bratpfanne. Die Delle in deren Mitte ist so tief, dass der gesamte Boden der Pfanne nach unten gebogen ist.

Bashir A. fügte seiner Frau weitere Verletzungen zu, indem er mit seinen Fingern auf ihre Augenäpfel drückte, sie mit ihrem Kopftuch würgte, wobei er ihr auch drohte habe, sie zu erwürgen. Schließlich nahm er ein 17 Zentimeter langes Küchenmesser und fügte ihr zwei tiefe Stichverletzungen an den Brüsten zu.

Dem Gericht werden im Prozess Bilder von zwei Messern gezeigt, mit denen Bashir A. seine Frau gequält haben soll; während des Angriffs brach die Klinge eines der Messer ab, die des anderen war verbogen. Ebenfalls werden Bilder der Würgemale an ihrem Hals und der Wunde an ihrer rechten Hand gezeigt. Diese stammt laut Protokoll von ihren Versuchen, sich zu verteidigen.

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Bashir A. soll seiner Frau dann den Pullover und ihr Oberteil ausgezogen haben und befahl ihr, ins Schlafzimmer zu gehen. Sie aber nutzte die Chance, aus der Wohnung zu flüchten, als der mutmaßliche Täter sich das Blut von den Händen waschen wollte. Ein Nachbar nahm Bashir A. laut Staatsanwalt bis zum Eintreffen der Polizei in den Schwitzkasten. Nur so konnte, so Hujo wörtlich, „eine angekündigte sexuelle Misshandlung“ verhindert werden.

Bashir A. sitzt ruhig auf der Anklagebank, hört über Kopfhörer den Worten seiner Dolmetscherin zu und verfolgt die Fragen des Richters und seiner Verteidiger mit ausdruckslosem Gesicht. Er äußert sich an diesem Tag nicht zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen.

Die Polizeibeamten, die am Tatort anwesend waren, berichten im Zeugenstand, A. habe am Tattag behauptet, nichts Schlimmes getan zu haben. Seine Frau habe sich ihre Wunden sogar selbst zugefügt. Seine Anwälte kritisieren jedoch, dass die Beamten nicht darauf geachtet hatten, dem afghanischen Staatsbürger eine angemessene Sprachvermittlung zu gewähren und ihn über sein Recht auf konsularischen Beistand zu informieren.

Der Prozess gegen Bashir A. wird über sieben weitere Termine im Januar und Februar fortgesetzt. Seine Ehefrau wird sich in einer späteren Anhörung vor Gericht äußern. Neben ihren Stichwunden soll sie durch den Angriff eine gebrochene Rippe und mehrere Hämatome erlitten haben.

Zu Beginn des Prozesses fragt Richter Thomas Groß Bashir A. nach seinem Beruf. Seine Antwort ist dieses Mal sehr kurz, nur ein Wort: „Metzger.“

QOSHE - 31-Jähriger sticht auf Ehefrau ein, weil die Trennung „nicht zu akzeptieren“ war - Elizabeth Rushton
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31-Jähriger sticht auf Ehefrau ein, weil die Trennung „nicht zu akzeptieren“ war

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© Berliner Zeitung


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