Seit Monaten spiegelt sich der Nahostkonflikt auch in Berlin wider. Antisemitische Aktionen scheinen an der Tagesordnung, auf den Straßen wie an den Universitäten. Zuletzt schockierte eine antisemitisch motivierte Prügelattacke eines Studenten der Freien Universität auf einen jüdischen Kommilitonen.

Jetzt soll es ganz schnell gehen: Der Berliner Senat will noch vor der Sommerpause das Hochschulgesetz ändern, um gegen die Exzesse vorgehen zu können. Auf breite Unterstützung der Studenten braucht die Landesregierung – federführend der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und die Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) – dabei nicht hoffen. Die geplante Gesetzesänderung sei eine „Kampfansage“, heißt es. Die Fronten bleiben verhärtet.

Der Allgemeine Studierendenausschuss (Asta) der Humboldt-Universität (HU) in Berlin-Mitte positionierte sich mit scharfen Worten. „Wir verwehren uns dem Generalverdacht auf Antisemitismus, dem sich propalästinensischer Protest in öffentlichen Diskursen ausgesetzt sieht“, hieß es in der mehrseitigen Stellungnahme. Schließlich würden „Anklagen gegen Israel in Bezug auf Kriegsverbrechen und Genozid derzeit breit diskutiert und juristisch verhandelt“.

Die Grenze der Debattenkultur verlaufe „selbstverständlich dort, wo aus Meinungsäußerung Menschenfeindlichkeit wird und wo Meinungsäußerungen antisemitisch werden“, heißt es in dem HU-Papier weiter. Jedoch: „Wo diese Grenze überschritten wird, muss am konkreten Fall beurteilt werden; die Definition von Antisemitismus ist dabei oft nicht einfach und vielfach selbst wissenschaftlich umstritten.“

20.02.2024

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•vor 25 Min.

In jedem Fall sei die angekündigte Gesetzesänderung des Berliner Hochschulgesetzes eine „Kampfansage an die Berliner Studierendenschaften, an politische Organisation an den Berliner Hochschulen und an jegliche Politisierung der Universitäten“.

Der HU-Asta ist die einzige Berliner Studierendenvertretung, die sich zeitnah in der Debatte zu Wort meldet. Die Asten der Freien Universität (FU) und der Universität der Küste (UdK) antworteten auf eine Anfrage der Berliner Zeitung nicht. Von der TU hieß es, die Landes-Asten-Konferenz Berlin (LAK), arbeite an einer gemeinsamen Stellungnahme der Berliner Studierendenvertretungen. Diese werde vermutlich nächste Woche veröffentlicht.

In der Plenardebatte im Berliner Abgeordnetenhaus am Donnerstag erhielten die HU-Studenten sogar Zuspruch. Marcel Hopp, wissenschaftspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, verwies in seiner Rede explizit auf den HU-Beitrag. Die Studierenden hätten recht, es dürfe „unter keinen Umständen der demokratische und auch kritische Diskurs eingeschränkt“ werden. Man brauche dennoch ein zügiges Vorgehen und praktikable Instrumente, um dem Antisemitismus an Hochschulen beizukommen, so Hopp. Exmatrikulationen gehörten nach seiner Meinung dazu nicht. Diese seien oft nicht gerichtsfest und deshalb ungeeignet.

Damit bezog sich Hopp auf den Anlass der Debatte: Die AfD-Fraktion hatte vorgeschlagen, das alte Hochschulgesetz wieder einzuführen, das 2021 von der damals rot-rot-grünen Parlamentsmehrheit geändert worden war. Damals wurde das Ordnungsrecht gestrichen – und mit ihm die Möglichkeit der Exmatrikulation.

Studenten, die für ihre Kommilitonen eine Bedrohung darstellen können, müssen exmatrikuliert werden können.

Der CDU-Wissenschaftspolitiker Adrian Grasse sprach mit Blick auf den Antrag des AfD-Abgeordneten Martin Trefzer von einem „plumpen Schnellschuss“. Wer so etwas einem Parlament vorlege, „gehört eigentlich exmatrikuliert“, sagte er. Doch auch für ihn sei klar, so Grasse, dass die Abschaffung des Ordnungsrechts im Jahr 2021 ein Fehler gewesen sei. Deswegen reichten heute die Sanktionsmöglichkeiten der Universitätsleitungen nicht aus. Das Ziel sei glasklar: „Studenten, die für ihre Kommilitonen eine Bedrohung darstellen können, müssen exmatrikuliert werden können.“ Es sei einem Opfer nicht zuzumuten, mit einem Täter später im selben Seminar zu sitzen.

Tobias Schulze war 2021 einer der treibenden Kräfte bei der Abschaffung des Ordnungsrechts und der darin enthaltenen Möglichkeit der Exmatrikulation. So geschehen exakt zwei Tage vor der dann so desaströs verlaufenen Abgeordnetenhauswahl 2021.

Seit Wochen verteidigt der Linke-Politiker das damalige Vorgehen auf den allerletzten Drücker. Das alte Ordnungsrecht sei untauglich gewesen. Am Donnerstag attestierte Schulze seinen Parlamentskollegen etwas gönnerhaft, dass ihre Beiträge „doch schon deutlich anders klingen als die Law-and-Order-Ansagen der ersten Tage“. Gemeint sind die Tage nach dem Überfall auf den jüdischen Studenten vor mittlerweile fast drei Wochen.

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Doch es bleibe dabei, dass sich die Debatte in einem verfassungsrechtlich extrem schwierigen Gelände bewege, woran auch die jetzt vorliegenden Gesetzesentwürfe nichts änderten, so Schulze. „Sie sind nichts weiter als Aktionismus.“ Das Opfer werde weder mit dem alten Ordnungsrecht, wie es die AfD wieder herstellen will, geschützt noch mit einem möglichen neuen Gesetz mit der Möglichkeit einer Exmatrikulation. „Geschützt wird ein Opfer durch ein Hausverbot“, sagte Schulze. Im aktuellen Fall hat das FU-Präsidium gegen den Prügler ein dreimonatiges Hausverbot verhängt und damit die Maximallänge ausgeschöpft.

Längst ist die Debatte um antisemitische Vorfälle an Berlins Universitäten auch zur Diskussion über die Leitung jener Bildungs- und Forschungseinrichtungen geworden – aber auch über die Berliner Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra. Im Parlament war die SPD-Politikerin immer wieder Thema.

AfD-Mann Trefzer erinnerte daran, dass Czyborra noch im Dezember gegen eine Wiedereinführung des Ordnungsrechts gewesen sei. Damit und mit „anderen unsäglichen Äußerungen hat sie in der jüdischen Community viel Porzellan zerschlagen“, so Trefzer. Ob Czyborra „mehr ist als eine Senatorin auf Abruf, mag jeder für sich selbst entscheiden“, sagt er.

QOSHE - „Das ist eine Kampfansage“: Studenten gegen Exmatrikulation von Antisemiten - Elmar Schütze
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„Das ist eine Kampfansage“: Studenten gegen Exmatrikulation von Antisemiten

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22.02.2024

Seit Monaten spiegelt sich der Nahostkonflikt auch in Berlin wider. Antisemitische Aktionen scheinen an der Tagesordnung, auf den Straßen wie an den Universitäten. Zuletzt schockierte eine antisemitisch motivierte Prügelattacke eines Studenten der Freien Universität auf einen jüdischen Kommilitonen.

Jetzt soll es ganz schnell gehen: Der Berliner Senat will noch vor der Sommerpause das Hochschulgesetz ändern, um gegen die Exzesse vorgehen zu können. Auf breite Unterstützung der Studenten braucht die Landesregierung – federführend der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und die Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) – dabei nicht hoffen. Die geplante Gesetzesänderung sei eine „Kampfansage“, heißt es. Die Fronten bleiben verhärtet.

Der Allgemeine Studierendenausschuss (Asta) der Humboldt-Universität (HU) in Berlin-Mitte positionierte sich mit scharfen Worten. „Wir verwehren uns dem Generalverdacht auf Antisemitismus, dem sich propalästinensischer Protest in öffentlichen Diskursen ausgesetzt sieht“, hieß es in der mehrseitigen Stellungnahme. Schließlich würden „Anklagen gegen Israel in Bezug auf Kriegsverbrechen und Genozid derzeit breit diskutiert und juristisch verhandelt“.

Die Grenze der Debattenkultur verlaufe „selbstverständlich dort, wo aus Meinungsäußerung Menschenfeindlichkeit wird und wo Meinungsäußerungen antisemitisch werden“, heißt es in dem HU-Papier weiter. Jedoch: „Wo diese Grenze überschritten wird, muss am konkreten Fall beurteilt werden;........

© Berliner Zeitung


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