Ein „Kita-Chancenjahr“, das Kinder, die nicht richtig Deutsch sprechen und bis dato nicht in einer Kita betreut wurden, zum Besuch einer Kita verpflichtet. Ein erschwerter Zugang zu Gymnasien. Und ein elftes Pflichtschuljahr für Schüler, die zum Ende der zehnten Klasse noch keinen Ausbildungsplatz oder andere berufliche Perspektiven vorweisen können.

Diese Themen, die Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) am Montag bei der Vorstellung der Novelle des Berliner Schulgesetzes mal wieder ansprach, sind seit Wochen und Monaten bekannt. Neues gibt es allerdings bei der umstrittenen Einführung von Religion als Wahlpflichtfach.

Zum „Kita-Chancenjahr“ mit seiner verpflichtenden vorschulischen Sprachförderung erinnerte Günther-Wünsch erneut an den Bedarf auf dem Gebiet. Derzeit hätten knapp 3600 Schulkinder zuvor nie eine Kita besucht. Unter ihnen gebe es gewaltigen Förderbedarf. Diesem wolle man durch das Pflichtjahr begegnen.

Auch der Übergang von der Grundschule auf ein Gymnasium sei reformbedürftig, so die Politikerin. Dabei geht es vielfach um die Folgen, wenn Eltern ihr Kind unbedingt auf einem Gymnasium sehen wollten, obwohl das Kind keine entsprechende Empfehlung hat. Derzeit müssen 34 Prozent der Kinder ohne Gymnasialempfehlung die Schule nach dem Probejahr wieder verlassen.

06.04.2024

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05.04.2024

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Das sei schädlich und im Übrigen bundesweit unerreicht, so Günther-Wünsch. Künftig sollen die Noten in den Hauptfächern Deutsch, Mathematik und Englisch für die Empfehlung zurate gezogen werden. Sollten sich Eltern dann entgegen der Empfehlung dennoch für ein Gymnasium aussprechen, müssen ihre Kinder in einem Probeunterricht ihre Eignung nachweisen.

Das elfte Pflichtschuljahr soll denjenigen helfen, die nach Beendigung ihrer Schullaufbahn weder einen Abschluss noch einen Ausbildungsplatz vorweisen können. Dazu muss man wissen, dass in Berlin seit Jahren jeder Zehnte die Schule ohne Abschuss verlässt. Viele von ihnen verschwinden regelrecht vom Radar staatlicher Stellen. Und auch dem Arbeitsmarkt stehen sie dann vielfach nicht zur Verfügung.

Aber all diese Pläne waren zuvor durchgesickert. Mit besonderer Spannung waren eher die Passagen zum Religionsunterricht erwartet worden. Schließlich ist Erziehungs- und Bildungspolitik seit jeher Gegenstand eines gesellschaftspolitischen Kulturkampfs. Und beim Religionsunterricht sind die Gefechte oft besonders heftig.

Nach Günther-Wünschs Worten werde mit der Änderung des Schulgesetzes „die Verbindlichkeit des Religions- und Weltanschauungsunterrichts erhöht und gestärkt“. Künftig werde im Gesetz „ausdrücklich festgehalten“, dass Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften „das Recht haben, entsprechenden Unterricht anzubieten“. Wenn die Nachfrage bestehe und ein Träger daher diesen anbieten wolle, stehe diese Entscheidung „nicht zur Disposition der Schule“. Soll heißen: Die Schule muss in diesem Fall Religionsunterricht ermöglichen und kann ihn nicht verhindern.

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Aber reicht das aus? Im schwarz-roten Koalitionsvertrag heißt es immerhin: „Die Koalition strebt die Einführung eines Wahlpflichtfachs Weltanschauungen/Religionen als ordentliches Lehrfach an. In einem von fachlich ausgebildeten Lehrkräften erbrachten und von den Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften inhaltlich gestalteten Unterricht können Kenntnisse über Religionen und Weltanschauungen vermittelt werden.“

Zu beachten sind in dieser Politikprosa sicher vor allem die Verben: Die Koalition „strebt“ also die Einführung eines ordentlichen Lehrfachs „an“ beziehungsweise „können“ Kenntnisse über Religion „vermittelt werden“. Das klingt hinreichend dehnbar, und diesem Instrument scheint sich nun auch die CDU-Senatorin zu bedienen.

Katharina Günther-Wünsch sagte daher am Montag lediglich, sie freue sich über die Bewegung beim Fach Religion. Schließlich werde im Gesetz daran „ausdrücklich festgehalten“. Und wie bisher stünden 16 Anbieter und Träger bereit. Und, so die Bildungssenatorin: „Es bleibt unser Ziel, Religion als reguläres Unterrichtsfach einzuführen.“

Ich will die Schullandschaft nicht auf links krempeln. Schule muss in erster Linie funktionieren. Ihre Qualität muss gesichert werden und Chancengerechtigkeit gewährleistet beziehungsweise hergestellt werden.

Bleibt die Frage an die CDU-Politikerin, ob sie die Gesetzesnovelle insgesamt als großen Sprung ansieht – als den Gegenentwurf zu zweieinhalb Jahrzehnten SPD-Bildungsverwaltung, den so viele Christdemokraten und sicher auch ihre Wähler von ihr erwartet haben. Günther-Wünschs Antwort fiel eindeutig aus: „Ich will die Bildungslandschaft nicht auf links krempeln.“ Und offenbar auch nicht auf rechts.

Schule müsse aus ihrer Sicht in erster Linie funktionieren, ihre Qualität müsse gesichert werden und Chancengerechtigkeit gewährleistet beziehungsweise hergestellt werden, sagte die CDU-Politikerin. Und das brauche ein paar Jahre Zeit, eine halbe Legislatur reiche dafür sicher nicht aus. Aber fürs Erste gelte: „Ich bin genau dorthin gesprungen, wo ich hinspringen wollte.“

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Entsprechend unaufgeregt reagiert die Bildungsgewerkschaft GEW auf die Senatorin im Allgemeinen und die Gesetzesinhalte im Besonderen. So fand der Berliner Gewerkschaftschef Tom Erdmann, aktives Mitglied der Linkspartei, im Gespräch mit der Berliner Zeitung sogar positive Worte über Senatorin Günther-Wünsch und ihre Arbeit. Anders als deren Vorgängerin Astrid-Sabine Busse von der SPD genieße die Senatorin auch nach Monaten im Amt „überall Reputation“.

Ausdrücklich lobte Erdmann die Abschaffung des Probejahrs an den Gymnasien. Allerdings sei die Ausgestaltung des nun aufgesetzten Probeunterrichts „noch völlig unklar“. Aber offenbar solle stärker ausgesiebt, der Zugang zu Gymnasien also erschwert werden. Das passt ins Bild, das die GEW von der Senatorin offenbar hat. Schließlich ändere diese am „eigentlichen Übel“ nichts – nämlich, dass der Bildungserfolg noch immer zu stark von wirtschaftlicher und sozialer Herkunft bestimmt werde, so Erdmann.

QOSHE - Berliner Schulen in CDU-Hand: Kommt das Fach Religion nun oder nicht? - Elmar Schütze
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Berliner Schulen in CDU-Hand: Kommt das Fach Religion nun oder nicht?

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08.04.2024

Ein „Kita-Chancenjahr“, das Kinder, die nicht richtig Deutsch sprechen und bis dato nicht in einer Kita betreut wurden, zum Besuch einer Kita verpflichtet. Ein erschwerter Zugang zu Gymnasien. Und ein elftes Pflichtschuljahr für Schüler, die zum Ende der zehnten Klasse noch keinen Ausbildungsplatz oder andere berufliche Perspektiven vorweisen können.

Diese Themen, die Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) am Montag bei der Vorstellung der Novelle des Berliner Schulgesetzes mal wieder ansprach, sind seit Wochen und Monaten bekannt. Neues gibt es allerdings bei der umstrittenen Einführung von Religion als Wahlpflichtfach.

Zum „Kita-Chancenjahr“ mit seiner verpflichtenden vorschulischen Sprachförderung erinnerte Günther-Wünsch erneut an den Bedarf auf dem Gebiet. Derzeit hätten knapp 3600 Schulkinder zuvor nie eine Kita besucht. Unter ihnen gebe es gewaltigen Förderbedarf. Diesem wolle man durch das Pflichtjahr begegnen.

Auch der Übergang von der Grundschule auf ein Gymnasium sei reformbedürftig, so die Politikerin. Dabei geht es vielfach um die Folgen, wenn Eltern ihr Kind unbedingt auf einem Gymnasium sehen wollten, obwohl das Kind keine entsprechende Empfehlung hat. Derzeit müssen 34 Prozent der Kinder ohne Gymnasialempfehlung die Schule nach dem Probejahr wieder verlassen.

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