Berlin hat gewählt. Und dazu ist einfach schon zu viel gesagt worden. Diese Teilwiederholungswahl mit ihren rund 550.000 Wahlberechtigten, von denen dann auch nur die Hälfte hingegangen ist, war einfach zu klein, um wirklich aussagekräftig zu sein. Doch ist das wirklich so?

Vorneweg: Die Umstände waren extrem ungewöhnlich. Zum Beispiel diese alten Wahllisten voller Kandidaten, die entweder gar nicht mehr in den Bundestag wollten, weil sie mittlerweile Senatorinnen sind – siehe Cansel Kiziltepe von der SPD –, oder sich längst mit ihrer Partei überworfen haben wie Marcel Luthe, einst bei den Freien Wählern.

Oder es standen solche zur Wahl, die gar nicht in den Bundestag dürfen, vor allem jene irrlichternde Ex-Richterin, die wegen Terrorverdachts in U-Haft sitzt und dennoch wieder auf Platz eins der AfD für Steglitz-Zehlendorf stand. Es passt sehr schön zur Absurdität dieser Wahl, dass diese Dame auch noch Tausend Stimmen mehr erhielt als voriges Mal.

Dennoch, hier ist der Versuch einer Würdigung dieses Wahlergebnisses. Wobei daraus – und da unterscheidet sich diese Wahl nun wieder gar nicht so sehr von vorherigen Urnengängen – gleich mehrere Lehren zu ziehen sind. Welche, das liegt natürlich im Auge des Betrachters.

Kubicki warnt nach Brandbrief der Wirtschaft: Deutschland wird abgehängt

31.01.2024

Verluste für Ampel-Parteien: Das sind die Ergebnisse der Berliner Wiederholungswahl

•vor 35 Min.

Die eine Lesart geht so: Die SPD bleibt Nummer eins in Berlin. Von ihrem noch relativ guten 2021er-Ergebnis gingen am Sonntag trotz massiven Gegenwinds aus der Bundesampel nur ein paar Prozentbruchteile verloren, sodass man die Grünen auf Position zwei und die CDU an Platz drei halten kann. Nichts passiert, oder was?

•vor 1 Std.

•heute

gestern

gestern

•vor 5 Std.

Oh doch! Denn die andere Lesart der Ergebnisse sollte den Sozialdemokraten und manch anderen unbedingt zu denken geben: Rechnet man nur die 2024er-Zahlen, hat die SPD gegenüber 2021 fast acht Prozentpunkte verloren. Zweiter Verlierer ist die FDP mit annähernd sechs Prozentpunkten weniger. Die Grünen sind die einzigen aus der umstrittenen Ampelkoalition im Bund mit fast identischem Ergebnis.

Klare Sieger sind aber die CDU (plus 6,9 Prozent) und die AfD (plus 5,6 Prozent), beides Oppositionsparteien im Bundestag. Sie haben damit einen seit mehr als einem Jahr anhaltenden Trend bestätigt.

Doch was bedeuten die Ergebnisse nun für die Ampel? Umdenken! Denn es gibt wirklich 1001 Gründe für die Regierungskoalitionskrise: der Ukraine-Krieg und die daraus erwachsenen, immer noch anhaltenden Finanzmiseren, das Heizungsgesetz aus dem Hause Habeck. Für all das gibt es beim ersten Stimmungstest in diesem Jahr die Quittung. Den Grünen – und das ist auch eine Lektion der Berlin-Nachwahl – schadet das offenbar nicht. Den Partnern schon.

Hinzu kommt, dass viele die Wirkung der Großdemonstrationen gegen rechts der vergangenen Wochen überschätzen. An die Urnen treibt es die demokratiefreundlichen Menschen nicht. Dieser Protest bedeutet noch lange keine Mobilisierung für eine lahme Wahl.

Für den Berliner Politikwissenschaftler Thorsten Faas – und beileibe nicht nur ihn – stellt sich jedenfalls die strukturelle Frage: „Wie kann man Vertrauen in die Ampel wiederherstellen?“

Seine Antwort klingt einfach, die Umsetzung ist es aber nicht: Es müsse der schmale Grat gefunden werden zwischen Profilierung der eigenen Partei, aber eben auch einer geschlossenen Koalition, sagt der FU-Experte. „Gerade auch im Auftreten.“

Die #Wiederholungswahl ist - wenn man die absoluten Stimmzahlen anschaut - aufgrund der niedrigeren Wahlbeteiligung kein Jubelgrund für irgendwen. Berlin verliert Mandate an andere Bundesländer und keine Partei hat richtig zugelegt: Nicht nur SPD und FDP ...1/3 #BerlinWahl

3/3...noch ganz anders aus: CDU 288.538 statt 424.321 bei der letzten Merkel-Wahl, AfD 158.682 statt 225.170 Zweitstimmen. Da meine SPD zweifellos besonders schlecht abgeschnitten hat: Wir müssen uns vor allem um Mobilisierung von Menschen sorgen, die schon mal SPD gewählt haben

Was sagt die Ampel? Geht es nach Franziska Giffey, muss die SPD wieder mehr für ihre sozialdemokratische Position stehen. „Das bedeutet, dass die Unzufriedenheiten, die in der Bevölkerung da sind, wieder stärker aufgegriffen werden müssen.“ Nicht jeder, der auf Missstände hinweise, gehöre in die rechte Ecke, sagt sie.

Doch ist das wirklich das Problem oder eher, dass sich die Ampelparteien einfach oft nicht grün sind? Geht da überhaupt noch Gemeinsamkeit?

Zur Beantwortung dieser Frage sollte man sehr genau bei der FDP hinhören – immerhin die einzige Partei, die bei dieser Mini-Wahl zu allem Überfluss auch noch einen Sitz im Bundestag verloren hat.

Für die Liberalen geht der voran, der fast immer vorangeht: Bundestagsvize und Parteilautsprecher Wolfgang Kubicki. „Für die FDP muss klar sein, dass nur eine mutigere und fortschrittlichere Wirtschafts-, Energie- und Migrationspolitik zum Erfolg führen wird“, sagt er und mahnt: „Wir tun gut daran, diesen Kurswechsel in der Koalition spätestens mit den anstehenden Haushaltsberatungen einzuleiten.“

Nun gilt Kubicki in seiner eigenen Partei als kaum kontrollierbare, lose Kanone. Aber recht hat er. Die Koalition braucht dringend einen Kurswechsel. Denn sonst könnte das Ampel-Aus schneller da sein, als viele denken. Spätestens zur Europawahl im Juni könnte es, sollten vor allem SPD und FDP noch weiter abschmieren, vorbei sein, unkt man. Ganz zu schweigen von den anstehenden Landtagswahlen in Ostdeutschland – wie in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im September. Dort steht die AfD auf Platz eins.

2/2 „Die Vorbereitungen zur Europawahl am 9. Juni 2024 sind bereits angelaufen. Wir haben bewiesen: Berlin kann Wahlen.“

Doch zurück nach Berlin, nach einer Wahl, die für viele nur lästig war. Dennoch muss der Warnschuss auch hier ernst genommen werden. Fazit muss sein: Berlin muss besser wählen, korrekt, rechtschaffen, verlässlich. Dafür braucht es endlich ein Landeswahlamt, wie es der Landeswahlleiter schon so lange fordert. Das mag langweilig klingen und wenig berlinerisch. Dennoch muss gehandelt werden.

Immerhin hat die Stadt ihre Lektion aus der 2021er-Katastrophe gelernt – und das unter großem Aufwand bei den Reparatur- und Heilungswahlen zum Abgeordnetenhaus und jetzt zum Bundestag bewiesen. Mehr davon!

QOSHE - Berliner Wiederholungswahl: Die Ampel leidet weiter an sich selbst - Elmar Schütze
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

Berliner Wiederholungswahl: Die Ampel leidet weiter an sich selbst

6 0
12.02.2024

Berlin hat gewählt. Und dazu ist einfach schon zu viel gesagt worden. Diese Teilwiederholungswahl mit ihren rund 550.000 Wahlberechtigten, von denen dann auch nur die Hälfte hingegangen ist, war einfach zu klein, um wirklich aussagekräftig zu sein. Doch ist das wirklich so?

Vorneweg: Die Umstände waren extrem ungewöhnlich. Zum Beispiel diese alten Wahllisten voller Kandidaten, die entweder gar nicht mehr in den Bundestag wollten, weil sie mittlerweile Senatorinnen sind – siehe Cansel Kiziltepe von der SPD –, oder sich längst mit ihrer Partei überworfen haben wie Marcel Luthe, einst bei den Freien Wählern.

Oder es standen solche zur Wahl, die gar nicht in den Bundestag dürfen, vor allem jene irrlichternde Ex-Richterin, die wegen Terrorverdachts in U-Haft sitzt und dennoch wieder auf Platz eins der AfD für Steglitz-Zehlendorf stand. Es passt sehr schön zur Absurdität dieser Wahl, dass diese Dame auch noch Tausend Stimmen mehr erhielt als voriges Mal.

Dennoch, hier ist der Versuch einer Würdigung dieses Wahlergebnisses. Wobei daraus – und da unterscheidet sich diese Wahl nun wieder gar nicht so sehr von vorherigen Urnengängen – gleich mehrere Lehren zu ziehen sind. Welche, das liegt natürlich im Auge des Betrachters.

Kubicki warnt nach Brandbrief der Wirtschaft: Deutschland wird abgehängt

31.01.2024

Verluste für Ampel-Parteien: Das sind die Ergebnisse der Berliner Wiederholungswahl

•vor 35 Min.

Die eine Lesart geht so: Die SPD bleibt Nummer eins in Berlin. Von ihrem noch relativ guten 2021er-Ergebnis gingen am Sonntag trotz massiven........

© Berliner Zeitung


Get it on Google Play