Der Berliner Senat und die brandenburgische Landesregierung kommen alle halbe Jahre zu gemeinsamen Kabinettssitzungen zusammen. Am Dienstag trafen sich der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und seine Senatoren mit Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) und dessen Ministern auf dem Campus der Charité in Mitte.

Seit Jahren schon wird in Berlin und Potsdam eine bessere Abstimmung in der Metropolregion angestrebt, die geprägt ist von dem teils gewaltigen Gefälle zwischen Haupt- und Großstadt und ländlicher Provinz. Über Absichtserklärungen kam man dabei selten hinaus.

So ist zwar seit Jahren eine recht starke Wanderungsbewegung von Berlin nach Brandenburg zu verzeichnen. Jedoch wachsen die Verkehrsbindungen insbesondere auf der Schiene nicht schnell genug mit. Gleichzeitig werben noch immer Städte wie Brandenburg an der Havel, Eberswalde oder Wittenberge fast schon händeringend um neue Bürger – und seien sie aus dem oft so unbeliebten Berlin! –, weil ihnen selbst die Einwohner ausgehen.

Dieser Trend wird scheinbar von Bevölkerungsprognosen der Bertelsmann-Stiftung bestätigt, die passend zum Tag der gemeinsamen Berlin-Brandenburg-Unterredung am Dienstag vorgestellt wurden. „Wegweiser Kommunen“ heißt das Werk, das Prognosen bis ins Jahr 2040 wagt.

Demzufolge werden in 16 Jahren rund 0,6 Prozent mehr Menschen in der Bundesrepublik leben, Vergleichspunkt ist das Jahr 2020. Dabei verteilt sich die Entwicklung sehr unterschiedlich auf die Bundesländer. Ein Trend aber ist überdeutlich: Vor allem die östlichen Flächenländer – also auch Brandenburg – müssen mit Bevölkerungsrückgängen planen. Am unteren Ende der Skala steht Sachsen-Anhalt mit einem prognostizierten Minus von 12,3 Prozent. Am oberen Ende steht Berlin mit plus 5,8 Prozent.

Die Bevölkerungsentwicklung in Brandenburg liegt den Forschern aus dem westfälischen Gütersloh zufolge zwischen diesen beiden Extremen. Demnach werden in dem Bundesland im Jahr 2040 etwa 2,4 Prozent weniger Menschen leben als noch im Jahr 2020. Das entspräche einem Rückgang um mehr als 50.000 Menschen.

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06.04.2024

07.04.2024

07.04.2024

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Nach Auffassung der Studienautoren profitiert Brandenburg dabei noch von der Nähe zu Berlin. Der Speckgürtel lege leicht zu oder verzeichne nur geringe Rückgänge. In den fünf weiter entfernten Landkreisen werde es dagegen voraussichtlich mehr als zehn Prozent weniger Menschen geben als 2020: Spree-Neiße liegt demnach bei minus 17,1 Prozent, es folgen Oberspreewald-Lausitz (-14,2 Prozent), Elbe-Elster (-13,1 Prozent), Prignitz (-11,6 Prozent) und Uckermark (-11,1 Prozent).

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Zu den klaren Gewinnern soll dagegen Potsdam gehören. Die Landeshauptstadt kann mit 11,3 Prozent mehr Menschen rechnen und die Marke von 200.000 Einwohnern knacken. Ostdeutscher Champion werde jedoch Leipzig sein. Der sächsischen Universitätsstadt wird ein Plus von 14,7 Prozent vorhergesagt. Das würde bedeuten, dass die Handelsmetropole an der Pleiße die 700.000er-Marke erreichen wird.

Die recht düsteren Aussagen über zumindest Teile der Mark machen Brandenburg nach Auffassung der Forscher zu einem jener östlichen Länder mit einem Rekord-Medianalter zwischen 52 und 53 Jahren. Median bedeutet: Die eine Hälfte der Bevölkerung ist jünger, die andere älter. Bundesweit steigt demnach das Medianalter bis 2040 um 1,2 Jahre auf 47,1. In Berlin – wie auch in Hamburg – liegt der Wert in 16 Jahren bei etwa 43 Jahren. Das sind fast zehn Jahre weniger als in Brandenburg.

Zu alldem sagten die Regierungschefs Wegner und Woidke am Dienstagnachmittag im Anschluss an ihr Treffen von sich aus: nichts. Die Bertelsmann-Studie sei kein Thema gewesen, sagte Kai Wegner auf Nachfrage der Berliner Zeitung. Er ließ offen, ob er sie überhaupt kennt.

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Und „nichts“ charakterisiert auch die Meinung beider Politiker über die Studie. Dietmar Woidke – er hat nach eigenen Worten „kurz einmal draufgeschaut“ – bemühte den Klassiker, dass Vorhersagen immer unsicher seien, „weil sie sich mit der Zukunft beschäftigen“. Wären frühere Prognosen eingetreten, müsste sein Land heute eine Million Menschen weniger haben, als es hat, sagte der SPD-Politiker. Stattdessen sei er sicher: „Wir werden gemeinsam mit Berlin einen gemeinsamen Bevölkerungszuwachs haben.“

Und auch sein Berliner Partner Kai Wegner gab sich optimistisch. Man sei gemeinsamer Wachstumsmotor für Deutschland, sagte er. Tatsächlich verzeichnen beide Länder seit mittlerweile zehn Jahren kontinuierlich deutlich bessere wirtschaftliche Zahlen als der Bundesdurchschnitt.

Eine Ansiedlung in Brandenburg freut mich genauso wie eine in Berlin.

„Diese Prosperität wird dazu führen, dass wir beide gemeinsam wachsen werden“, sagte Wegner und erinnerte bei der Gelegenheit an seinen Antrittsbesuch bei Brandenburger Kollegen vor einem knappen Jahr. „Ich habe da gesagt: Eine Ansiedlung in Brandenburg freut mich genauso wie eine in Berlin. Das gilt auch heute.“ Beide Nachbarländer würden weiter Erfolg haben, aber diesen erfolgreichen Weg könne man nur gemeinsam gehen.

Sein Amtskollege Woidke erinnerte an eine seit rund einem Jahrzehnt veränderte Mentalität. Zum Beispiel beim Thema gesundheitliche Versorgung. „Es hätte vor zehn Jahren einen Sturm gegeben, wenn wir die Entwicklung unseres Gesundheitssystems mit Berlin gemeinsam geplant hätten“, sagte Woidke. Heute sei es Konsens, dass man zusammenarbeiten müsse. Ein gutes Beispiel sei die Hilfe der Berliner Charité für den Aufbau der „Medizinischen Universität Lausitz – Carl Thiem“ in Cottbus, der ersten in Brandenburg. Es gehe darum, eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten, „sonst ziehen die Menschen weg“. Nicht, dass die Forscher aus Westfalen doch noch recht behalten.

QOSHE - Brandenburg schrumpft? Dietmar Woidke glaubt den Zahlen nicht - Elmar Schütze
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Brandenburg schrumpft? Dietmar Woidke glaubt den Zahlen nicht

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09.04.2024

Der Berliner Senat und die brandenburgische Landesregierung kommen alle halbe Jahre zu gemeinsamen Kabinettssitzungen zusammen. Am Dienstag trafen sich der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und seine Senatoren mit Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) und dessen Ministern auf dem Campus der Charité in Mitte.

Seit Jahren schon wird in Berlin und Potsdam eine bessere Abstimmung in der Metropolregion angestrebt, die geprägt ist von dem teils gewaltigen Gefälle zwischen Haupt- und Großstadt und ländlicher Provinz. Über Absichtserklärungen kam man dabei selten hinaus.

So ist zwar seit Jahren eine recht starke Wanderungsbewegung von Berlin nach Brandenburg zu verzeichnen. Jedoch wachsen die Verkehrsbindungen insbesondere auf der Schiene nicht schnell genug mit. Gleichzeitig werben noch immer Städte wie Brandenburg an der Havel, Eberswalde oder Wittenberge fast schon händeringend um neue Bürger – und seien sie aus dem oft so unbeliebten Berlin! –, weil ihnen selbst die Einwohner ausgehen.

Dieser Trend wird scheinbar von Bevölkerungsprognosen der Bertelsmann-Stiftung bestätigt, die passend zum Tag der gemeinsamen Berlin-Brandenburg-Unterredung am Dienstag vorgestellt wurden. „Wegweiser Kommunen“ heißt das Werk, das Prognosen bis ins Jahr 2040 wagt.

Demzufolge werden in 16 Jahren rund 0,6 Prozent mehr Menschen in der Bundesrepublik leben, Vergleichspunkt ist das Jahr 2020. Dabei verteilt sich die Entwicklung sehr unterschiedlich auf die Bundesländer. Ein Trend aber ist überdeutlich: Vor allem die........

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