Rund ein Jahr nach dem Start hätte Schwarz-Rot in Berlin einer aktuellen Umfrage zufolge keine Mehrheit mehr, wenn am Sonntag Abgeordnetenhauswahl wäre. Das berichtet der Rundfunk Berlin-Brandenburg und beruft sich auf Daten von Infratest dimap, die in seinem eigenen Auftrag erhoben wurden. Danach käme die CDU auf 27 Prozent. Sie wäre zwar weiterhin stärkste Partei im Landesparlament, im Vergleich zur vergangenen Umfrage im Oktober sind das jedoch zwei Prozentpunkte weniger.

Die Grünen verbessern sich um einen Prozentpunkt und kommen auf 20 Prozent. Die SPD liegt unverändert bei 15 Prozent, die Linke unverändert bei 10 Prozent. Die AfD erreicht 12 Prozent, drei Prozentpunkte weniger als vor sechs Monaten. Die FDP schafft es mit 3 Prozent (-1) erneut nicht über die 5-Prozent-Hürde und wäre weiter nicht im Parlament.

Minus 3 für die AfD, minus 2 für die CDU, minus 1 für die FDP, alle anderen stabil: Die Zahlen zeigen, dass sich recht wenig verändert hat. Bis auf die Umfragewerte für das BSW, das es damals noch gar nicht gab. Jetzt erst wurde das Bündnis Sahra Wagenknecht erstmals abgefragt und landete bei 6 Prozent. Das würde bedeuten, dass die Partei aus dem Stand ins Abgeordnetenhaus einziehen würde. Von 0 auf 6 Prozent!

Schaut man tiefer in die Zahlen, gibt es Interpretationsspielraum, der Fragen aufwirft. Zum Beispiel: Wo kommen die Gewinne des Bündnisses her? Hat die Wagenknecht-Partei tatsächlich 3 Prozent von der AfD und 2 Prozent von der CDU gewonnen? Und vor allem: Hat die Linke, von der sich die Wagenknecht-Truppe abgespalten hat, wirklich nichts an das BSW abgegeben?

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23.04.2024

Mangels eines eigenen Berliner BSW-Landesverbands lohnt ein Blick nach Lichtenberg. Dort, in einer der Hochburgen der Linken, haben vor einigen Monaten drei Bezirksverordnete die Linke verlassen. Heute bilden sie die einzige BSW-Fraktion in einer Bezirksverordnetenversammlung (BVV). Chef ist Norman Wolf, vorher lange Jahre persönlicher Mitarbeiter der Dauer-Linken-Bundestagsabgeordneten Gesine Lötzsch. Die 62-Jährige holte im Wahlkreis Lichtenberg zuletzt eines von bundesweit drei Direktmandaten der Partei.

Exklusiv: Das Bündnis Sahra Wagenknecht bekommt seine erste Fraktion in Berlin

12.02.2024

Exklusiv: Berliner FDP-Politiker wechselt wegen Strack-Zimmermann zu Wagenknecht

10.04.2024

Im Gespräch mit der Berliner Zeitung führt Norman Wolf einen ganzen Strauß an Gründen auf, warum er – und so manch andere – mit den Linken gebrochen haben. „Die Linke in Berlin ist von den Berliner Grünen nicht mehr unterscheidbar“, sagt Wolf. Insbesondere in Neukölln und Mitte werde nur noch „grün-wokes Klientel“, vor allem in puncto Geschlechterfragen, bedient.

Wenn er so spricht, weiß sich Wolf einig mit seiner Parteigründerin Sahra Wagenknecht, die diese Kritik in ihrem 2021er-Bestseller „Die Selbstgerechten“ niederschrieb, womit sie auch ihre damaligen Parteifreunde von den Linken meint. Etwa indem sie sagt: „Die übergroße Mehrheit der Menschen sieht sich als Mann oder Frau und möchte sich dafür auch nicht entschuldigen und hat auch andere Probleme als solche Diskussionen.“

Bislang konnte die Berliner Linke stets darauf verweisen, dass ihnen das BSW trotz oder wegen solcher Sprüche bisher nicht gefährlich geworden sei. Auch weil aus der Abgeordnetenhausfraktion nur Alexander King von den Linken zur BSW gewechselt ist. Und auf Bezirksebene ist Lichtenberg nach wie vor eine Ausnahme.

Doch so einfach ist es offenbar nicht. Wie sehr die Auseinandersetzung um Identitätspolitik zumindest einige Gliederungen bei der Linken umtreibt, zeigt ein Blick voraus auf den Parteitag an diesem Wochenende in einem Hotel in Lichtenberg. In dem Leitantrag des Vorstandes, übertitelt mit „Mit Herz und Schnauze – Eine Stadt für alle“, heißt es: „Wir setzen uns aktiv für mehr Diversität innerhalb unserer Parteistrukturen ein, indem wir eine Diversitätsumfrage durchführen und ein Mentoringprogramm zum Empowerment von Mitgliedern mit Migrationsgeschichte zum Herbst 2024 starten wollen.“

BSW stellt EU-Wahlkampfkampagne vor: Ohne Sahra Wagenknecht geht es nicht

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Hajo Funke über Wagenknecht-Partei: „Ich verstehe nicht, wie Medien von rechtsoffen sprechen können“

25.02.2024

Diese Passage will ein Antrag des Bezirksverbands Tempelhof-Schöneberg ersatzlos gestrichen sehen. Seit Jahren schon setze sich die Partei mit dieser Thematik auseinander, heißt es zunächst reichlich genervt. Um dann festzustellen: „Die Linke ist weder rassistisch noch werden Genossinnen und Genossen bei uns benachteiligt.“ Und dann wird es konkret: „Es wurde uns (...) mitgeteilt, dass durch die vielen Parteiaustritte wir extreme finanzielle Engpässe haben. Daher ist es jetzt keineswegs angebracht, eine Diversitätsumfrage und ein Mentoringprogramm für über 20.000 Euro aufzulegen.“

Dabei ist es sicher kein Zufall, dass dieser Änderungsantrag aus Tempelhof-Schöneberg kommt. In der dortigen BVV haben zwei Renegaten die Linke-Fraktion verlassen. Anders als in Lichtenberg hat es in dem West-Bezirk bisher nur zu einer Gruppe in der BVV gereicht. Doch dabei muss es nicht bleiben. So wie der Antrag klingt, gibt es mindestens in Tempelhof-Schöneberg noch mehr Personen, die mit dem von Wolf, Wagenknecht und Co. kritisierten Parteikurs zunehmend fremdeln.

Interessant auch der Hinweis auf „die vielen Parteiaustritte“. Zuletzt hatte der Vorstand immer wieder Jubelmeldungen über Neueintritte verbreitet. Nach dem Motto: Jetzt erst recht! Alle gegen Sahra Wagenknecht!

QOSHE - Wagenknecht-Bündnis in Berlin: Von 0 auf 6 Prozent – wird es den anderen Parteien gefährlich? - Elmar Schütze
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Wagenknecht-Bündnis in Berlin: Von 0 auf 6 Prozent – wird es den anderen Parteien gefährlich?

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25.04.2024

Rund ein Jahr nach dem Start hätte Schwarz-Rot in Berlin einer aktuellen Umfrage zufolge keine Mehrheit mehr, wenn am Sonntag Abgeordnetenhauswahl wäre. Das berichtet der Rundfunk Berlin-Brandenburg und beruft sich auf Daten von Infratest dimap, die in seinem eigenen Auftrag erhoben wurden. Danach käme die CDU auf 27 Prozent. Sie wäre zwar weiterhin stärkste Partei im Landesparlament, im Vergleich zur vergangenen Umfrage im Oktober sind das jedoch zwei Prozentpunkte weniger.

Die Grünen verbessern sich um einen Prozentpunkt und kommen auf 20 Prozent. Die SPD liegt unverändert bei 15 Prozent, die Linke unverändert bei 10 Prozent. Die AfD erreicht 12 Prozent, drei Prozentpunkte weniger als vor sechs Monaten. Die FDP schafft es mit 3 Prozent (-1) erneut nicht über die 5-Prozent-Hürde und wäre weiter nicht im Parlament.

Minus 3 für die AfD, minus 2 für die CDU, minus 1 für die FDP, alle anderen stabil: Die Zahlen zeigen, dass sich recht wenig verändert hat. Bis auf die Umfragewerte für das BSW, das es damals noch gar nicht gab. Jetzt erst wurde das Bündnis Sahra Wagenknecht erstmals abgefragt und landete bei 6 Prozent. Das würde bedeuten, dass die Partei aus dem Stand ins Abgeordnetenhaus einziehen würde. Von 0 auf 6 Prozent!

Schaut man tiefer in die Zahlen, gibt es Interpretationsspielraum, der Fragen aufwirft. Zum........

© Berliner Zeitung


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