Deutschland – Streikland. An diesem Donnerstag sind es die Lokführer der Deutschen Bahn (DB) und Mitarbeiter der Lufthansa, die dazu aufgerufen sind, die Arbeit niederzulegen. Was denken die Berliner darüber, dass Fern-, Regional- und S-Bahn-Züge bis Freitagmittag stillstehen? Eine Umfrage am Ostkreuz und Alexanderplatz.

Sandra (38) aus Pankow weiß nicht, wie sie von A nach B kommen soll. Sie musste auf dem Weg zur Arbeit ihre Schicht abgeben, jemand anders hat sie übernommen. „Noch komme ich damit klar“, sagt sie. „Sollten die Streiks unangekündigt kommen, wäre das mehr als problematisch.“

Damit meint sie die neue Streikstrategie, die Claus Weselsky jüngst verkündet hat. Der Vorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) sagte, dass die nächsten Streiks nicht mehr wie bisher rund 48 Stunden vorher angekündigt werden. Die Arbeitsniederlegungen sollen viel kurzfristiger angesetzt werden, und es kann sein, dass deren Länge zunächst unklar bleibt. Wellenstreiks – so nennt Weselsky die Streikwelle, die nun kommen könnte.

Max aus Friedrichshain sieht den GDL-Streik gelassener. Für den 30-Jährigen ist es enorm wichtig, dass Arbeitnehmer für ihre Rechte einstehen, sagt er. „Natürlich nervt es mich, aber ich unterstütze es.“ Er würde auch streiken, wenn er dürfte. Zu bemängeln hat er allerdings: „Es ist blöd, dass die Nutzer des Bahnverkehrs mehr Schaden davontragen als die Deutsche Bahn selbst“.

Veronica ist genervt. Sie habe früher selbst gestreikt, sagt die 64-Jährige, die bei der Deutschen Reichsbahn der DDR angestellt war. „Streiken ist immer gut, solange es im Rahmen bleibt“, meint die Berlinerin. Ihr passe der Rahmen aber schon lange nicht mehr. Anders formuliert: Es reicht ihr.

Ökonom: GDL-Streik kostet die Bahn bereits mehr als eine Einigung mit Weselsky

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GDL-Streik bei der Bahn: Welche Züge in Berlin trotzdem fahren – und welche nicht

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Veronica hat Alternativen gesucht – und gefunden. An diesem Donnerstag ist sie mit dem Fahrdienst Uber zum Bahnhof Ostkreuz gekommen. Die Ankündigung von Gewerkschaftsführer Weselsky, künftige Streiks nicht einmal mehr ankündigen zu wollen, hält sie für eine Frechheit. Die Gewerkschafter „können nicht einfach alles stilllegen und die Leute an einem Punkt lassen, an dem sie völlig aufgeschmissen sind. Manche verlieren ihre Arbeitsplätze nur durch so einen Streik“ – weil sie nicht mehr zur Arbeit kommen.

Dass diese Gefahr besteht, ist auch Patrick (38) klar. Er selbst habe es an diesem Donnerstag nicht mehr geschafft, zur Arbeit zu kommen, berichtet er. So war es schon bei früheren GDL-Streiks – mit der Folge, dass er zu Überstunden verdonnert wurde, die Patrick zu Hause ableisten musste. „Es ist zum Kotzen. Einfach nur noch nervtötend“, ärgert er sich. Die in der GDL organisierten Lokführer würden zu sehr an sich selbst denken, meint der Berliner.

Auch dieser Streik schadet nicht nur dem Bundesunternehmen DB, sondern auch Menschen wie ihm. Wenn Streik ist, leide er unter Schlafmangel, erzählt Patrick. „Ich muss früher los zur Arbeit, und bin später zu Hause. Es ist absolut nicht mehr verhältnismäßig.“ Durch den Streik verliere er das Vertrauen in die öffentlichen Verkehrsmittel. Unangekündigte Streiks würden ihn eiskalt erwischen – so viel sei sicher.

Achim vom Bodensee sagt, dass er auf eine rechtzeitige Ankündigung angewiesen sei. Der 51 Jahre alte Geschäftsmann reist viel durch Deutschland, die Planung seiner Reisen sei enorm wichtig, erklärt er. Wenn er schon im Zug sitzen und von einem Streik überrascht würde, könnte ihn das Geschäftstermine kosten – und im schlimmsten Fall Kunden sowie seinen Arbeitsplatz. „Ich habe noch nie gestreikt, ich kann nicht streiken und würde auch nicht streiken.“

Die Menschen sind zunehmend genervt angesichts der vielen Streiks. Das zeigt jetzt auch eine Umfrage der Berliner Zeitung, die am Dienstag stattfand. 1500 Menschen nahmen teil. 73 Prozent stimmten der Aussage zu, dass die Ausstände auf Kosten der Fahrgäste gingen. Nur ein Fünftel der Befragten hielt zu den Streikenden: 20 Prozent erklärten, dass sie mit den Streikenden in vollem Umfang solidarisch seien. Sieben Prozent der Umfrageteilnehmer äußerten keine Meinung.

QOSHE - Der nächste Streik: Haben Berlinerinnen und Berliner langsam die Schnauze voll? - Ferdinand Hübner
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Der nächste Streik: Haben Berlinerinnen und Berliner langsam die Schnauze voll?

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07.03.2024

Deutschland – Streikland. An diesem Donnerstag sind es die Lokführer der Deutschen Bahn (DB) und Mitarbeiter der Lufthansa, die dazu aufgerufen sind, die Arbeit niederzulegen. Was denken die Berliner darüber, dass Fern-, Regional- und S-Bahn-Züge bis Freitagmittag stillstehen? Eine Umfrage am Ostkreuz und Alexanderplatz.

Sandra (38) aus Pankow weiß nicht, wie sie von A nach B kommen soll. Sie musste auf dem Weg zur Arbeit ihre Schicht abgeben, jemand anders hat sie übernommen. „Noch komme ich damit klar“, sagt sie. „Sollten die Streiks unangekündigt kommen, wäre das mehr als problematisch.“

Damit meint sie die neue Streikstrategie, die Claus Weselsky jüngst verkündet hat. Der Vorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) sagte, dass die nächsten Streiks nicht mehr wie bisher rund 48 Stunden vorher angekündigt werden. Die Arbeitsniederlegungen sollen viel kurzfristiger angesetzt werden, und es kann sein, dass deren Länge zunächst unklar bleibt. Wellenstreiks – so nennt Weselsky die Streikwelle, die nun........

© Berliner Zeitung


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