Energiekrise, Inflation, Standortschwäche, Fachkräftemangel, zu viel Bürokratie, fehlende Digitalisierung: Die Liste der Probleme der deutschen Wirtschaft ist lang und erdrückend. Nun vermeldeten zwei Wirtschaftsbranchen in Deutschland positive Zahlen. Erholt sich die deutsche Wirtschaft endlich?

Jetzt wird bekannt: Die Aufträge für das verarbeitende Gewerbe sind im Februar nach einem starken Einbruch im Januar wieder leicht gestiegen, geht aus den neuen Zahlen des Statistischen Bundesamtes hervor. Vor allem im Maschinenbau, in der chemischen Industrie und der Pharmaindustrie seien die Auftragseingänge demnach gestiegen, heißt es. Auch der Umsatz wuchs in der Industriebranche um 2,2 Prozent. Vor einigen Wochen warnte die Deutsche Bundesbank noch davor, dass die Produktion im ersten Quartal zurückgehen könnte. Der Rückgang scheint nun vorerst gestoppt. Doch kann die deutsche Wirtschaft wirklich aufatmen?

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31.03.2024

Klaus Günter Deutsch vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) blickt nicht ganz so optimistisch auf die neuesten Zahlen. „Das Mini-Auftragsplus sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass im Vergleich zu Februar 2023 mehr als zehn Prozent weniger Aufträge eingegangen sind“, sagte der Experte für Industrie- und Wirtschaftspolitik beim BDI auf Anfrage der Berliner Zeitung. Unabhängig von einzelnen positiveren Konjunktursignalen bleibe die strukturelle Wachstumsschwäche der deutschen Wirtschaft bestehen. Deshalb sei vielen Unternehmen nicht nach Aufatmen zumute.

Deutsch ist mit seinen Bedenken nicht allein. Jupp Zenzen, Konjunkturexperte der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), bremste gegenüber der Berliner Zeitung ebenfalls bezüglich des leichten Industrie-Wachstums. „Die neuesten Zahlen zu den Auftragseingängen geben noch keinen Grund für Entwarnung. Die Neuaufträge in der Industrie stecken auf einem niedrigen Niveau fest. Das unterstreicht die nach wie vor schwierige Lage des industriellen Mittelstands.“ Nach Aufbruchsstimmung klingen diese Aussagen nicht.

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Auch die deutsche Dienstleistungsbranche freut sich ebenfalls über einen Zuwachs. Eine Datenerhebung von S&P zeigt, dass der Dienstleistungsindex von 48,3 Punkten im Februar auf 50,1 Punkte im März und somit nach sechs Monaten erstmals wieder knapp über der 50-Punkte-Grenze gestiegen ist, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet. Die Geschäftsaussichten seien so gut wie seit Februar 2022 nicht mehr, also seit Beginn des Kriegs in der Ukraine, heißt es.

Trotzdem herrscht auch hier weiterhin Skepsis in der Branche zu den veröffentlichten Zahlen. Matthias Bannas vom Bundesverband der Dienstleistungswirtschaft äußerte sich gegenüber der Berliner Zeitung wenig zuversichtlich. Aus Sicht des Verbandes würde sich die wirtschaftliche Situation der Dienstleistungswirtschaft in den nächsten Wochen nicht verbessern. „Es fehlt an positiven Signalen der politischen Entscheider. Wenn es gute Nachrichten gibt – zum Beispiel mit dem Bürokratieabbaugesetz – werden diese gleich wieder konterkariert“, so Bannas.

Ob die veröffentlichten Zahlen wirklich dafür sprechen, dass die Rezession beendet sein könnte, lässt sich nicht prognostizieren. Viel spricht momentan noch nicht dafür. Von den G7-Nationen war Deutschland im vergangenen Jahr das einzige Land, in dem die Wirtschaft schrumpfte. Auch für 2024 sind die Prognosen für die deutsche Wirtschaft nicht wirklich besser: Lediglich um 0,2 Prozent soll das BIP im laufenden Jahr steigen. Die Wirtschaft scheint weiterhin wie gelähmt.

„Arbeitskräftemangel, nicht wettbewerbsfähige Strompreise, Bürokratiekosten und eine im internationalen Vergleich hohe Steuerbelastung bremsen die Wachstumsdynamik in der Industrie und anderen Wirtschaftssektoren“, sagte BDI-Chefvolkswirt Deutsch. Sein Unternehmen habe der Bundesregierung einen Katalog vorgelegt, mit welchem wichtige Probleme adressiert werden könnten.

„Diese Themen sollten jetzt mit hoher Priorität angegangen werden“, sagte Deutsch in Richtung der Bundesregierung. Die positiven Zahlen aus dem Industrie- und Dienstleistungssektor sind ein guter Anfang. Ein baldiges Ende der Krise ist trotzdem noch nicht in Sicht.

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Deutsche Wirtschaft hält nichts von neuen Zahlen: „Kein Grund für Entwarnung“

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05.04.2024

Energiekrise, Inflation, Standortschwäche, Fachkräftemangel, zu viel Bürokratie, fehlende Digitalisierung: Die Liste der Probleme der deutschen Wirtschaft ist lang und erdrückend. Nun vermeldeten zwei Wirtschaftsbranchen in Deutschland positive Zahlen. Erholt sich die deutsche Wirtschaft endlich?

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Klaus Günter Deutsch vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) blickt nicht ganz so........

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