Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat am Mittwoch wie erwartet die Frühjahrsprognose der Ampel-Regierung für das Jahr 2024 erhöht. Statt 0,2 Prozent prognostiziert Habeck nun ein Wachstum von 0,3 Prozent. Die Anpassung zeichnete sich bereits in den letzten Tagen ab.

Wie erklärt der Wirtschaftsminister diesen Schritt? Auch wenn die neue Prognose noch keinen Grund zur vollständigen Zufriedenheit gebe und weiterhin Reformen für die Wirtschaftsstrukturen nötig seien, gab sich Habeck auf der Bundespressekonferenz optimistisch. „Im weiteren Jahresverlauf sehen wir jetzt Zeichen für eine leichte konjunkturelle Aufhellung und dafür, dass sich die Wirtschaft langsam aus der Schwächephase herausbewegt“, sagte Habeck. Die Energiepreise seien schneller zurückgegangen als erwartet, und die Inflationsrate sei nicht mehr so hoch.

Aber reichen diese Faktoren für den von Habeck nun verbreiteten Optimismus bei der erhöhten Wachstumsprognose? Erholt sich die deutsche Wirtschaft wirklich? Oder liegt der Wirtschaftsminister mit seiner Prognose daneben, wie es bereits vergangenes Jahr der Fall war?

Wolfgang Große Entrup, der Geschäftsführer des Verbands der chemischen Industrie (VCI), reagiert sehr skeptisch auf die Erhöhung der Wachstumsprognose. „Die Frühjahrsprognose der Bundesregierung sorgt bei uns nicht für Frühlingsgefühle. Wir freuen uns über Lichtblicke, aber es ist viel zu früh für eine Entwarnung“, sagte Große Entrup auf Anfrage der Berliner Zeitung. Er sieht in der erhöhten Wachstumsprognose eher eine Aufpolierung der oft kritisierten Politik der Ampel-Regierung. „Leicht bessere Meinungsumfragen machen noch keinen Wahlsieg, ein verbessertes erstes Quartal noch keinen konjunkturellen Aufschwung.“

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Der Geschäftsführer des VCI bezweifelt, dass die Prognose der Regierung auf ein höheres Wirtschaftswachstum realistisch ist, und appelliert daher eindringlich: „Achtung, Bundesregierung: Die verbesserten Gewinne wurden im Wesentlichen im Ausland und nicht in Deutschland erwirtschaftet.“ Tatsächlich denken nicht wenige Unternehmen in Deutschland immer noch über eine Verlagerung ihrer Produktion ins Ausland nach, wie auch der Deutsche Familienunternehmer-Verband kürzlich gegenüber der Berliner Zeitung bestätigte. Hier blieben die strukturellen Probleme Deutschlands aus Sicht Große Entrups weiterhin ungelöst. Es sei höchste Zeit für Reformen. „Gelassenheit, oder noch schlimmer Realitätsverweigerung, ist keine gute Strategie, um unser Land zu wirtschaftlicher Stärke zurückzuführen“, betonte der VCI-Geschäftsführer.

Auch der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GDW) gibt sich äußerst pessimistisch bezüglich eines möglichen höheren Wachstums in Deutschland. „Der ganze Bereich des Wohnungsneubaus wird diese Anpassung nach oben jedenfalls nicht stützen: Hier geht es leider immer noch steil bergab“, sagte der Vorsitzende des Verbands, Axel Gedaschko, gegenüber der Berliner Zeitung. Die leicht verbesserten Zinskonditionen verpufften aus Sicht des GDW-Vorsitzenden angesichts einer Baukostensteigerung von 42 Prozent in den letzten vier Jahren folgenlos.

Schnell wirksame und dringend benötigte Maßnahmen der Regierung blieben aus Sicht von Gedaschko quasi aus. Mit jedem Monat, in dem die Genehmigungszahlen für neue Wohnungen weiter sinken, werde der riesige Mangel von mittlerweile 800.000 Wohnungen weiter in die Zukunft zementiert. „Das kann man mit Blick auf die wirtschaftliche und soziale Situation in Deutschland nur als politisch verantwortungslos bezeichnen“, kritisiert der GDW-Geschäftsführer die Regierung scharf.

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Neben den Verbänden meldete sich auch der Konjunkturexperte des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), Micheal Grömling, gegenüber der Berliner Zeitung zu Wort. „Die Veränderung der Prognose nach oben ist sicherlich auch Ausdruck, dass das erste Quartal nicht ganz so schlecht ausgefallen ist, wie man sich das gedacht hat.“ Allerdings stimmt er den Verbänden in ihrer wenig optimistischen Reaktion bezüglich der neuen Wachstumsprognose in einigen Punkten zu. Der Aussage des Wirtschaftsministeriums, das Frühjahr 2024 leite eine konjunkturelle Wende in Deutschland ein, widerspricht er. „Ich würde vorsichtig sein, das als eine Trendwende nach oben zu beschreiben“, sagte Grömling kritisch.

Alles in allem komme Deutschland aus der Wirtschaftsschwäche in diesem Jahr aus seiner Sicht nicht heraus. Echte Anzeichen für eine Erholung sieht der Ökonom wenn überhaupt erst in der zweiten Jahreshälfte. Grömling bleibt skeptisch: „Wir sind ein Stück weit pessimistischer, bleiben auch ein Stück weit pessimistischer, weil uns die Unternehmen nach wie vor sagen, dass der große Durchbruch in diesem Jahr wohl noch nicht zu erwarten sein wird.“ Diese Worte klingen nicht wirklich nach Optimismus. Ob Habeck mit seiner Prognose auf ein höheres Wachstum diesmal recht behält, bleibt abzuwarten.

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Habeck erhöht Prognose: Deutsche Wirtschaft reagiert mit Unverständnis

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24.04.2024

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat am Mittwoch wie erwartet die Frühjahrsprognose der Ampel-Regierung für das Jahr 2024 erhöht. Statt 0,2 Prozent prognostiziert Habeck nun ein Wachstum von 0,3 Prozent. Die Anpassung zeichnete sich bereits in den letzten Tagen ab.

Wie erklärt der Wirtschaftsminister diesen Schritt? Auch wenn die neue Prognose noch keinen Grund zur vollständigen Zufriedenheit gebe und weiterhin Reformen für die Wirtschaftsstrukturen nötig seien, gab sich Habeck auf der Bundespressekonferenz optimistisch. „Im weiteren Jahresverlauf sehen wir jetzt Zeichen für eine leichte konjunkturelle Aufhellung und dafür, dass sich die Wirtschaft langsam aus der Schwächephase herausbewegt“, sagte Habeck. Die Energiepreise seien schneller zurückgegangen als erwartet, und die Inflationsrate sei nicht mehr so hoch.

Aber reichen diese Faktoren für den von Habeck nun verbreiteten Optimismus bei der erhöhten Wachstumsprognose? Erholt sich die deutsche Wirtschaft wirklich? Oder liegt der Wirtschaftsminister mit seiner Prognose daneben, wie es bereits vergangenes Jahr der Fall war?

Wolfgang Große Entrup, der Geschäftsführer des Verbands der chemischen Industrie (VCI), reagiert sehr skeptisch auf die Erhöhung der Wachstumsprognose. „Die........

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