Die Bundesregierung will ihre Prognose für das Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr 2024 von 0,2 auf 0,3 Prozent erhöhen, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf eine Quelle. Die deutsche Industrie widerspricht und warnt vor einer anhaltenden Rezession: Wiederholt sich das Szenario aus dem vergangenen Jahr?

Bereits im April 2023 hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) seine Prognose für das letzte Jahr von 0,2 Prozent auf sogar 0,4 Prozent Wachstum erhöht, um dann später festzustellen, dass die Wirtschaft im Laufe des Jahres doch um 0,3 Prozent geschrumpft war. Ein neuer Entwurf der Frühjahrsprojektion für dieses Jahr soll nun am kommenden Mittwoch vorgestellt werden. Doch worauf basiert überhaupt die positive Einschätzung?

Auf Anfrage der Berliner Zeitung wollte sich das Wirtschaftsministerium nicht zu den Berichten äußern. „Kursierende Zahlen kommentieren wir im Vorfeld wie üblich nicht, wir bitten daher um Geduld“, sagte ein Pressesprecher des Ministeriums. Zur Methode hinter den Prognosen wollte sich die Behörde erst mal auch nicht äußern.

Die Erhöhung käme überraschend, da der Internationale Währungsfonds (IWF) seine Wachstumsprognose für die deutsche Wirtschaft erst kürzlich drastisch gesenkt hat. Der IWF rechnet im Jahr 2024 nur noch mit einer Zunahme der deutschen Wirtschaftsleistung um 0,2 Prozent, hieß es in der am Dienstag vorgestellten Wachstumsprognose.

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•vor 5 Std.

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Die deutsche Industrie sieht die Lage noch kritischer. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) erklärte am Sonntag beim Auftakt der Hannover-Messe, dass die Industrie auch für 2024 mit einem Rückgang in der Produktion und einer Stagnation der Exporte rechne. „Deutschland fällt 2024 voraussichtlich weiter zurück. Wir rechnen mit einem Minus in der Industrieproduktion um 1,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr“, so BDI-Präsident Siegfried Russwurm. Wie passen diese Prognosen mit dem Optimismus der Ampelkoalition zusammen?

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Der renommierte Ökonom Gunther Schnabl hat auch Bedenken. „Die leicht erhöhte Wachstumsprognose hat bestenfalls einen symbolischen Wert, da die Erhöhung gering ausfällt und Prognosen mit Unsicherheit behaftet sind“, sagt der Leiter des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität Leipzig der Berliner Zeitung. Der Wirtschaftsexperte verweist auf die drastisch gesenkte Wirtschaftsprognose des IWF. Der IWF habe außerdem betont, dass die Konjunktur in keinem westlichen Industrieland schlechter laufe und Deutschland auch in der EU beim Wachstum ganz hinten liege.

Die Zeiten des einst hohen Wirtschaftswachstums in Deutschland, welches durch marktwirtschaftliche Prinzipien wie Geldwertstabilität, Wettbewerb und Vertragsfreiheit ermöglicht wurde, seien lange vorbei, so Schnabl. Heute wiederum sei die selbstverschuldete Inflationsgefahr noch nicht gebannt. Die Gründe dafür sind aus Sicht des Wirtschaftsexperten hausgemacht.

„Der deutsche Staat erhöht seit längerem durch wuchernde Regulierung den Bürokratieaufwand, was die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen schädigt.“ Nur eine Rückkehr zu marktwirtschaftlichen Prinzipien wie einer geringeren Regulierung durch den Staat könne Deutschlands Wirtschaft wieder beleben, prognostiziert der Ökonom. Ob die Wirtschaft in Deutschland also tatsächlich etwas mehr steigt als gedacht, wie von der Regierung erwartet, ist aus seiner Sicht nicht absehbar.

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Habeck erwartet 2024 stärkeres Wirtschaftswachstum – Ökonom kontert

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22.04.2024

Die Bundesregierung will ihre Prognose für das Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr 2024 von 0,2 auf 0,3 Prozent erhöhen, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf eine Quelle. Die deutsche Industrie widerspricht und warnt vor einer anhaltenden Rezession: Wiederholt sich das Szenario aus dem vergangenen Jahr?

Bereits im April 2023 hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) seine Prognose für das letzte Jahr von 0,2 Prozent auf sogar 0,4 Prozent Wachstum erhöht, um dann später festzustellen, dass die Wirtschaft im Laufe des Jahres doch um 0,3 Prozent geschrumpft war. Ein neuer Entwurf der Frühjahrsprojektion für dieses Jahr soll nun am kommenden Mittwoch vorgestellt werden. Doch worauf basiert überhaupt die positive Einschätzung?

Auf Anfrage der Berliner Zeitung wollte sich das Wirtschaftsministerium nicht zu den Berichten äußern. „Kursierende Zahlen kommentieren wir........

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