Am Donnerstagvormittag steht Olaf J. im Saal 736 des Berliner Landgerichts in der Turmstraße. Sein Blick ist auf das dunkelbraune Holz der Balustrade gerichtet, das ihn vom Rest des Gerichtssaals trennt. Er glättet sein orangefarbenes Hemd und knöpft sein beiges Jackett auf.

Dann setzt er sich und wartet auf die einleitenden Worte des Vorsitzenden. Er scheint ruhig zu sein, nicht besonders aufgeregt, als ob er diesen Tag schon irgendwann vorhergesehen hätte. Der Frührentner behauptet, in die Zukunft blicken zu können.

Dem 63-Jährigen werden versuchte schwere Brandstiftung und gemeinschädliche Sachbeschädigung vorgeworfen. Insgesamt geht es um sechs Taten, die der Beschuldigte zwischen dem 8. und 14. August des vergangenen Jahres begangen haben soll.

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23.01.2024

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Zur Tatzeit soll er zumindest vermindert schuldfähig gewesen sein. Deswegen muss er sich nun einem Sicherungsverfahren stellen. Damit strebt die Staatsanwaltschaft die Unterbringung im Maßregelvollzug an, einer Klinik für psychisch kranke Straftäter.

Unter anderem soll Olaf J. die „Bücherboxx“ am Holocaust-Mahnmal Gleis 17 am Bahnhof Grunewald durch Feuer zerstört haben. Er wolle die Bücher brennen sehen, um die „Lüge des Holocausts“ zu vernichten. Auch das Büro der Offenen Initiative Lesbischer Frauen in Neukölln soll Opfer einer Brandattacke von Olaf J. geworden sein.

Zündete Olaf J. im Wahn die Bücherboxx am Holocaust-Mahnmal „Gleis 17“ an?

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Bushido-Prozess in der Schlussphase: Staatsanwaltschaft will mehrjährige Freiheitsstrafen

16.01.2024

Im Laufe des Verfahrens kommt Olaf J. mehrmals zu Wort – er beschreibt seine Taten im Detail, ohne dabei Reue zu zeigen. Als der gelernte Schweißer gefragt wird, ob er nach einer eventuellen Entlassung seine Taten fortsetzen würde, antwortet er: „Ich weiß nicht!“

Vor der Kammer leugnet Olaf J. den Holocaust, erklärt, dass die Vergasung von Juden in Auschwitz „Lügen“ und „Propaganda“ sei. Viel habe er darüber nachgeforscht, sagt er. Er spricht in gehobener Weise, doch seine Behauptungen lassen die Augenbrauen seines Anwalts oft nach oben zucken.

Heute Morgen brannte eine Bücherbox am "Gleis 17" im #Grunewald. Eine Person soll vorher eine Kiste darin abgestellt haben. Die @Berliner_Fw löschte den Brand, dennoch wurden fast alle Bücher zerstört. Der Staatsschutz unseres #LKA ermittelt nun.
PM: https://t.co/BJ9JS7JvMv
^tsm

In verschiedenen Schreiben, die der Beschuldigte an den Tatorten hinterließ, sind mehrere Bibelverse zitiert. Die Zettel unterschrieb er mit seinen Pseudonymen „Kassandros Berlinensis“. In seinen Pamphleten richtete sich Olaf J. insbesondere gegen Homosexuelle und Muslime. Diese würden ihm zufolge in 31 Monaten bestraft werden, dann würde nämlich der Dritte Weltkrieg ausbrechen.

Ehssan Khazaeli, der Verteidiger von Olaf J., fragt die Kammer, ob das Sicherungsverfahren angemessen sei oder vielleicht doch ein Strafverfahren infrage käme. Zudem zweifelt der Anwalt, ob das Landgericht die richtige Behörde für diesen Fall sei. Die Kammer werde den Einspruch überprüfen.

QOSHE - Gerichtsverhandlung in Berlin: Holocaust-Leugnung im Fall der verbrannten „Bücherboxx“ - Franz Becchi
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Gerichtsverhandlung in Berlin: Holocaust-Leugnung im Fall der verbrannten „Bücherboxx“

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25.01.2024

Am Donnerstagvormittag steht Olaf J. im Saal 736 des Berliner Landgerichts in der Turmstraße. Sein Blick ist auf das dunkelbraune Holz der Balustrade gerichtet, das ihn vom Rest des Gerichtssaals trennt. Er glättet sein orangefarbenes Hemd und knöpft sein beiges Jackett auf.

Dann setzt er sich und wartet auf die einleitenden Worte des Vorsitzenden. Er scheint ruhig zu sein, nicht besonders aufgeregt, als ob er diesen Tag schon irgendwann vorhergesehen hätte. Der Frührentner behauptet, in die Zukunft blicken zu können.

Dem 63-Jährigen werden versuchte schwere Brandstiftung und gemeinschädliche Sachbeschädigung vorgeworfen. Insgesamt geht es um sechs Taten, die der Beschuldigte zwischen dem 8. und 14. August des vergangenen Jahres begangen haben........

© Berliner Zeitung


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