Es könnte Jahrzehnte dauern, bis die deutsche Wirtschaft ihre Abhängigkeit von China verringert hat. Zu diesem Schluss kommt Ralf Thomas, der Finanzvorstand des Automatisierungsunternehmens Siemens, in einem Interview mit der Financial Times.

Laut Thomas stehen westliche Unternehmen vor einem Dilemma, da sie sowohl auf den chinesischen Markt als auch auf China als Lieferanten angewiesen sind. „Über die letzten 50 Jahre haben sich globale Wertschöpfungsketten aufgebaut. Wie naiv muss man sein, um zu glauben, dass sich dies innerhalb von sechs oder zwölf Monaten ändern kann?“, so Thomas.

Es gehe um Jahrzehnte. Seine Äußerungen folgen einem Bericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, der feststellte, dass deutsche Unternehmen kaum Fortschritte bei der Reduzierung ihrer Importabhängigkeit gemacht hätten.

Nach Angaben des deutschen Statistikamtes ist China Deutschlands größter Handelspartner. Im Jahr 2023 wurden zwischen den beiden Ländern Waren im Wert von 254 Milliarden Euro gehandelt. Lange Zeit galt die gute Beziehung zwischen deutschen Konzernen wie Volkswagen und BASF sowie kleinen und mittleren Unternehmen und China als fester Bestandteil der Wirtschaftskraft des Landes und gleichzeitig als Vorbild für die Globalisierung.

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Doch Deutschland möchte nun ähnliche Fehler wie mit Russland vermeiden. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine koppelte sich die Europäische Union vor allem von russischen Öllieferungen schnell ab, die für die europäische Energieversorgung relevant waren. Die große Abhängigkeit von russischem Gas führte andererseits zu stark gestiegenen Energiepreisen. Ein ähnliches Szenario mit China möchte Deutschland jetzt verhindern.

Investoren und Politiker sehen das deutsch-chinesische Verhältnis kritisch. Anfang des Jahres warnte die Bundesbank davor, dass Deutschlands „Geschäftsmodell durch eine große Abhängigkeit von China gefährdet“ sei. Im vergangenen Juli forderte Außenministerin Annalena Baerbock deutsche Unternehmen auf, ihre Abhängigkeit von China zu verringern.

Wettbewerb muss fair sein: kein Dumping, keine Überproduktion, aber verlässlicher Schutz von Urheberrechten. Auch darüber habe ich heute mit Studierenden der Tongji-Universität diskutiert, meiner ersten Station im chinesischen Shanghai. Danke für den Austausch! pic.twitter.com/I8Oo0uWiiT

Die jüngsten Aussagen des Finanzvorstands von Siemens fallen zeitgleich mit einem dreitägigen Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in China. Scholz wird dort bis Dienstag bleiben und von einer hochkarätigen Wirtschaftsdelegation begleitet, zu der auch der Finanzvorstand von Siemens und der neue Chef von BASF gehören.

„Es wäre ein grobes Missverständnis zu glauben, dass es die Absicht dieser Regierung war“, sagte ein nicht namentlich genannter Regierungsbeamter der Financial Times in Bezug auf den Wunsch, den Handel mit China zu reduzieren. „Wir möchten den Handel mit China unter Berücksichtigung der Notwendigkeit von Risikominderung und Diversifizierung weiter ausbauen“, fügte er hinzu.

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Siemens-Chef: Deutsche Wirtschaft noch Jahrzehnte von China abhängig

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15.04.2024

Es könnte Jahrzehnte dauern, bis die deutsche Wirtschaft ihre Abhängigkeit von China verringert hat. Zu diesem Schluss kommt Ralf Thomas, der Finanzvorstand des Automatisierungsunternehmens Siemens, in einem Interview mit der Financial Times.

Laut Thomas stehen westliche Unternehmen vor einem Dilemma, da sie sowohl auf den chinesischen Markt als auch auf China als Lieferanten angewiesen sind. „Über die letzten 50 Jahre haben sich globale Wertschöpfungsketten aufgebaut. Wie naiv muss man sein, um zu glauben, dass sich dies innerhalb von sechs oder zwölf Monaten ändern kann?“, so Thomas.

Es gehe um Jahrzehnte. Seine Äußerungen folgen einem Bericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, der feststellte, dass deutsche Unternehmen kaum Fortschritte bei der Reduzierung ihrer Importabhängigkeit........

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