Flatternde Papiere und klingelnde Telefone sind nur noch Erinnerungen an die Zeit des Aktienhandels, Bilder aus aufgeregten Trader-Filmen. Der Börsenmarkt läuft heutzutage direkt auf unseren Smartphones.

In wenigen Schritten kann man Aktienbesitzer werden, Kryptowährungen erwerben und im besten Fall ein Vermögen anlegen. Das Angebot an Dienstleistern ist groß, doch wie funktioniert eigentlich der Online-Börsenmarkt, und wer hat die besten Angebote? Mittlerweile fällt vor allem ein Name: Trade Republic, das Fintech-Unternehmen aus Berlin.

„Innerhalb von fünf Jahren haben wir die größte Sparplattform Europas aufgebaut“, sagt Christian Hecker der Berliner Zeitung. Zusammen mit dem Informatiker Marco Cancellieri und dem Physiker Thomas Pischke leitet er den Berliner Online-Broker. Offiziell ist Trade Republic eine Bank, der es Ende des Jahres 2023 gelungen ist, die Vollbanklizenz von der Europäischen Zentralbank zu erhalten.

Hecker zieht an dem Reißverschluss seines dunkelblauen Pullovers und richtet die Webcam aus. Er hat noch Zeit gefunden für ein schnelles Interview an diesem regnerischen Montagmorgen. Die Idee für sein Fintech-Unternehmen entstand vor etwa neun Jahren in München, erzählt er. Heute blickt Hecker auf eine Erfolgsgeschichte zurück. Wie im Silicon Valley üblich, hat Hecker mit Sneakers und Tennissocken die Bühnen von Wirtschaftsforen erobert.

Im Jahr 2015 hieß Trade Republic noch Neon Trading, Hecker studierte Philosophie, sein Kollege Pischke Physik. „Normalerweise fangen so Witze an“, sagt Hecker und schmunzelt. Nach ein paar Jahren zwischen München und Hamburg entschieden sich die Gründer, nach Berlin zu ziehen.

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28.03.2024

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Eine bewusste Entscheidung. „Hier ist einfach das größte Ökosystem an Entwicklern, Kreativen und Investoren“, sagt Hecker. Von der Stadt hat Trade Republic schon viel gesehen: acht Büros und einige Umzüge. Heute hat das Start-up seinen Sitz in Berlin-Pankow. Laut eigenen Angaben verwaltet es ein Kundenvermögen von vier Millionen Menschen in 17 EU-Ländern, insgesamt 35 Milliarden Euro. Die Digitalbank verspricht, den europäischen Wertpapierhandel zu revolutionieren.

Das Konzept ist einfach. Der Börsenmarkt soll eine „öffentliche Angelegenheit“ sein, etwas, was bislang nur der Elite gewährt wurde. „In Europa gibt es ein großes Problem, das Rentenlücke heißt“, erklärt Hecker. Hinter seinem Rücken sieht man eine kahle, weiße Wand. Der Gründer fügt nüchtern hinzu: „Es wurde uns klar, dass viele Menschen in den nächsten Jahren anfangen müssen, Geld anzulegen.“ Das sei der Startschuss für Trade Republic gewesen. Der Weg zur milliardenschweren Bank war jedoch weit.

Nach einigen Jahren, als die Investitionen zu stocken begannen, ging es erst einmal bergab. Doch dann kam der Wendepunkt: Im Dezember 2018 erhielt das Kreditinstitut die Lizenz als Wertpapierhandelsbank. Danach sammelten die Gründer insgesamt 1,3 Milliarden US-Dollar von Investoren, darunter Peter Thiel’s Founders Fund, Sequoia Capital und Ontario Teachers’ Pension Plan Board. Das Vertrauen wächst bis heute – und zwar exponentiell.

A newcomer has entered the race.

Surpassing trading volumes of tech giants like Apple and Microsoft in our monthly rating, Super Micro Computer has positioned itself at the forefront of investor interest. pic.twitter.com/FwQdv3KCKf

Erste Profite registrierte Trade Republic erst im vergangenen Jahr. Der Gewinn habe von Anfang des Jahres bis September 2023 im „soliden zweistelligen Millionen-Euro-Bereich“ gelegen, hat Hecker der Financial Times einmal gesagt. Aus öffentlichen Unterlagen geht hervor, dass das Unternehmen im Geschäftsjahr 2021/22 einen Fehlbetrag von 145 Millionen Euro verbuchte.

Wachstum bedeutet auch Kosten, mit denen die Geschäftsführung bewusst gerechnet hat. Wenn Hecker auf die vergangenen Jahre zurückblickt, muss er lachen. Dass Trade Republic eines Tages 600 Mitarbeiter zwischen Berlin und Düsseldorf beschäftigen würde, hätte er nie für möglich gehalten. „Wir haben seit Tag eins eine sehr aktive Community“, sagt er in Bezug auf seine Kundschaft. Das Vertrauen in die App habe sich durch Mund-zu-Mund-Propaganda immer weiter gesteigert.

„Heute sind wir deutlich effizienter als andere Banken, wenn es darum geht, eine Wertpapier-Transaktion abzuwickeln“, sagt Hecker stolz. Tatsächlich: Kontoinhaber bei Trade Republic zahlen keine monatlichen Gebühren. Die Bank bietet 4 Prozent Zinsen p.a. auf nicht investiertes Geldguthaben. Obendrauf gibt es den direkten Zugang zum provisionsfreien Handel von Aktien und ETFs. Eine Transaktion kostet nur einen Euro.

Zuletzt sorgte die Digitalbank für einen großen Hype mit einer neuen Kreditkarte. Abhebungen an Geldautomaten weltweit sind damit ab einem Betrag von 100 Euro kostenlos und unbegrenzt. Besitzer einer Karte erhalten von Trade Republic ein Prozent ihrer getätigten Umsätze zurückerstattet. Der Cashback ist jedoch auf einen Umsatz von 1500 Euro pro Monat beschränkt, also maximal 15 Euro.

Doch wie erzielt Trade Republic dann seine Gewinne? „In unserem Geschäftsmodell gibt es Erlösquellen, die keine expliziten Kosten für den Kunden sind, sondern zu denen der Kunde durch seine Handelsaktivitäten automatisch beiträgt und die wir transparent in unseren Abrechnungen ausweisen“, erklärt Hecker. Damit meint er implizite Provisionen bei den vom Kunden durchgeführten Transaktionen. „Wir hatten erkannt, dass man eine Bank aufbauen muss, die so günstig ist, dass sie nur mit sehr niedrigen Kosten auskommt.“

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09.01.2022

Die Praxis, von der Hecker hier spricht, nennt sich Payment for Order Flow (PFOF). Broker leiten ihre Kundenaufträge an Handelsfirmen oder sogenannte Marketmaker weiter, die im Gegenzug dafür Zahlungen an den Broker leisten. Diese Rückvergütungen sind auch als Kickbacks bekannt. Bei Trade Republic werden Transaktionen ausschließlich über das an der Börse Hamburg betriebene elektronische Handelssystem LS Exchange abgewickelt.

Kritiker werfen Neobrokern vor, dass sie für ihre Kunden nicht den Handelsplatz wählen, der die besten Konditionen bietet, sondern den, der die höchsten Vergütungen zahlt. Dabei käme es zu einem Interessenskonflikt. Bald werden Neobroker aber auf Kickbacks verzichten müssen, zumindest in der Europäischen Union.

Das EU-Parlament hat nämlich das Prinzip untersagt, im Jahr 2026 soll damit endgültig Schluss sein. In Großbritannien ist die Broker-Praxis bereits seit 2012 nicht mehr zugelassen. Als das Verbot beschlossen wurde, sprach Hecker von einem „Riesenerfolg für Monopolbörsen“.

„Der Wertpapierhandel in Europa ist relativ fragmentiert“, sagt Hecker. Jede Bank besitze jetzt eine eigene Infrastruktur, die über die Jahre angewachsen und somit teurer geworden sei, erklärt der Unternehmer. Die interne Infrastruktur von Trade Republic komme ganz ohne Drittpartner aus. Das Ergebnis jahrelanger Arbeit. Die meisten Online-Broker böten heutzutage zu viele Börsenplätze an. „Die Leute wollen eigentlich nur noch eine Börse haben.“ Der Börsenhandel soll simpler gestaltet werden, so das Versprechen von Trade Republic und der Grund für den Erfolg.

Doch es gibt auch Gegenwind. Dass die Zeiten für Fintech-Start-ups härter werden, zeigt eine aktuelle Studie des Berliner Senats. Regularien sowie der Wettbewerb werden es den Fintech-Unternehmen in Zukunft erschweren, Finanzierungsrunden erfolgreich abzuschließen, heißt es. Start-ups im Energiebereich seien die neuen Investorenlieblinge. Das Finanzierungsvolumen betrug 604 Millionen Euro im Jahr 2023, an zweiter Stelle folgte der Fintech-Bereich mit 533 Millionen Euro. Sicher kein schlechter Wert.

Trade Republic scheint sich von den Markterschütterungen nicht irritieren zu lassen. Hecker stellt sich den künftigen Herausforderungen mit offenem Visier. „Die gesamte Bankenlandschaft in Europa hat extrem viele Hausaufgaben, was die Innovation angeht“, sagt er. Mit seiner Digitalbank will er neue Wege gehen. „Wir sind dabei, im besten Interesse des Kunden, eine ganz neue Art der Finanzindustrie aufzubauen – und zwar hocheffizient, digitalisiert und automatisiert.“

Und falls sich ein dezentrales Finanzwesen (DeFi) durchsetzen sollte? Gemeint ist ein Finanzsystem, das auf Blockchain-Technologie basiert und traditionelle Finanzintermediäre durch intelligente Verträge und dezentrale Anwendungen ersetzt. Durch Smart Contracts, eine Art automatisierte Vereinbarung, können Nutzer direkt miteinander interagieren, Transaktionen durchführen und Vermögenswerte verwalten. Werden dann Vermittler wie Trade Republic noch eine große Rolle spielen?

Hecker bleibt entspannt. Für den Gründer bietet die Revolution des Finanzwesens unzählige Möglichkeiten. Auch in diesem Szenario werden attraktive Dienstleistungen für Banken entstehen, ist er sich sicher. „Ich kann innerhalb weniger Minuten ein Depot auf meinem Handy eröffnen. Alles ist sehr einfach und übersichtlich gestaltet“, sagt Hecker über sein Angebot. Trade Republic sei einfach „unverschämt gut“.

QOSHE - Wer steckt hinter Trade Republic? Der Berliner Neobroker, der alle reich machen will - Franz Becchi
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Wer steckt hinter Trade Republic? Der Berliner Neobroker, der alle reich machen will

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30.03.2024

Flatternde Papiere und klingelnde Telefone sind nur noch Erinnerungen an die Zeit des Aktienhandels, Bilder aus aufgeregten Trader-Filmen. Der Börsenmarkt läuft heutzutage direkt auf unseren Smartphones.

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„Innerhalb von fünf Jahren haben wir die größte Sparplattform Europas aufgebaut“, sagt Christian Hecker der Berliner Zeitung. Zusammen mit dem Informatiker Marco Cancellieri und dem Physiker Thomas Pischke leitet er den Berliner Online-Broker. Offiziell ist Trade Republic eine Bank, der es Ende des Jahres 2023 gelungen ist, die Vollbanklizenz von der Europäischen Zentralbank zu erhalten.

Hecker zieht an dem Reißverschluss seines dunkelblauen Pullovers und richtet die Webcam aus. Er hat noch Zeit gefunden für ein schnelles Interview an diesem regnerischen Montagmorgen. Die Idee für sein Fintech-Unternehmen entstand vor etwa neun Jahren in München, erzählt er. Heute blickt Hecker auf eine Erfolgsgeschichte zurück. Wie im Silicon Valley üblich, hat Hecker mit Sneakers und Tennissocken die Bühnen von Wirtschaftsforen erobert.

Im Jahr 2015 hieß Trade Republic noch Neon Trading, Hecker studierte Philosophie, sein Kollege Pischke Physik. „Normalerweise fangen so Witze an“, sagt Hecker und schmunzelt. Nach ein paar Jahren zwischen München und Hamburg entschieden sich die Gründer, nach Berlin zu ziehen.

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Das Konzept ist........

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