In der Hauptstadt herrscht mal wieder Ausnahmezustand. Zu den noch immer streikenden Lokführern mischen sich am Freitag auch wieder die Bauern. Es ist um die Mittagszeit, eine Gruppe von protestierenden Landwirten steigt in die U-Bahn, um die Parteizentrale der SPD im Willy-Brandt-Haus zu erreichen. Sie tragen grüne Westen und Gummistiefel, blasen in Trillerpfeifen und wollen auf sich aufmerksam machen. „Wir machen weiter, solange es das Volk nicht versteht!“, sagt ein Bauer und sorgt mit einer Ratsche aus Holz für Lärm.

Wenn die deutsche Landwirtschaft nicht mehr produktionsfähig sein wird, dann würden Lebensmittel für alle wesentlich teurer werden, sagt er. Neben ihm steht Christian Unger, er hält ein Schild weit nach oben: „Politik mit Weitblick? Fehlanzeige!“, ist darauf zu lesen. „Die Politik richtet sich nicht nur gegen die Bauern, sondern gegen den kompletten Mittelstand“, sagt Unger.

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Im Zuge dessen sei das Ziel der Protestierenden einfach, gehört zu werden und irgendein Zeichen von der Politik zu erhalten. „Ein Großteil der Leute ist sehr unzufrieden“, meint Unger. Die Regierung solle eine Politik anstreben, die die Mehrheit der Bürger anspricht. „Das wäre ein viel besseres Mittel gegen die guten Umfragen der AfD, anstatt ein Verbot der Partei“, sagt der Landwirt.

Etwa eine halbe Stunde zuvor waren die Demonstranten und etwa 250 Traktoren vor der Bundesgeschäftsstelle der Grünen am Platz vor dem Neuen Tor 1. Dort haben die Landwirte nochmals der Bundesregierung ihre Beschwerden erläutert. Nach einer Kundgebung suchten sie das Gespräch mit den Regierungsparteien – was sich oft als schwierig herausstellte. Die Grünen schickten eine stellvertretende Sprecherin, die SPD den Generalsekretär Kevin Kühnert. Bei der FDP traute sich indes niemand nach draußen.

Im Schneckentempo fahren die Traktoren durch die Innenstadt, die Fahrer winken dabei den Passanten zu. Während der Sternfahrt erhalten die Landwirte Versorgung von Unterstützern: Kaffee, Brezeln und Stullen sorgen für einen Protest mit vollem Magen. „Unsere Politik wird kaputt gemacht, wir importieren klimaschädlich und nennen das nachhaltig – vielen Dank Bundesregierung“, klagt Stefan Hoy. Er gehört auch zu der Gruppe von Landwirten, die sich heute durch Berlin mit dem öffentlichen Verkehr bewegen. Es sind noch zwei Haltestellen bis Hallesches Tor, ganz in der Nähe befindet sich die Parteizentrale der SPD.

Seit Ende des vergangenen Jahres protestieren Landwirte wegen der Streichung von Steuervergünstigungen für Agrarunternehmen. Unter den Bauern ist ein großer Unmut gewachsen. Viele Landwirte sind der Meinung, dass diese Unzufriedenheit mit der Zeit gewachsen sei. Die letzten Entscheidungen der Regierung hätten den Protest dann aufbrechen lassen. Mitte Januar sprach Finanzminister Christian Lindner (FDP) am Brandenburger Tor vor 30.000 Menschen. Viel brachte er den Protestanten nicht, außer weitere Gründe, um den Protest fortzuführen.

An den Landmaschinen sind zahlreiche Sprüche befestigt: „Ohne uns kein Essen!“, und „Unser Land wird nicht regiert, sondern ruiniert“. Die Landwirte sitzen weit oben in ihren John Deeres und New Hollands, Traktoren berühmter Hersteller. Manche haben ein Metallschild mit ihrem Namen an der Windschutzscheibe befestigt. Unter anderem sind Diddi, Hacki und Dennis hier, um gegen die Politik der Regierung und der Europäischen Union zu demonstrieren.

Um 12.30 Uhr ist der Traktorkonvoi am Ziel angekommen. Eine Bühne wird rasch improvisiert, und der Präsident des Bauernverbands, Henrik Wendorff, begrüßt alle Anwesenden. Kurz danach wird der SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert auf die Bühne gebeten. Die Regierung habe nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts im vorigen November mit einem Loch von 20 Milliarden im Bundeshaushalt zu tun, sagt Kühnert.

Doch die Kommunikation der Regierung sei nicht richtig gewesen, so der SPD-Politiker. „Man kann nicht reagieren, indem man sich einschließt und nicht mit den Betroffenen darüber spricht, die am Ende auch die Rechnung präsentiert bekommen“, sagt Kühnert und entschuldigt sich dafür bei den Betroffenen. Konkrete Lösungen könne er derzeit nicht versprechen, sagt er, doch die Botschaft sei angekommen.

Bauernpräsident Wendorff wünscht sich, dass die Regierung spätestens Ende Juni einen konkreten Plan vorlegen könne. Dafür übergibt Wendorff dem Politiker ein Papier mit Vorschlägen.

Im Laufe der Kundgebung bleiben die Dutzenden Demonstranten ruhig, doch nicht jeder scheint von den Worten Kühnerts überzeugt zu sein. „Sie stellen sich hierher, als ob wir unnötige Bürger wären!“, schreit ein Landwirt und unterbricht den SPD-Generalsekretär. „Sie entmündigen uns“, fügt der Demonstrant hinzu.

Doch Kühnert weist jeden Vorwurf zurück – es gebe auch Leute, die alle gegeneinander ausspielen wollen. Darauf müsse man Acht geben, sagt er. Dann verabschiedet er sich von den Demonstranten, doch diese scheinen nicht besonders zufrieden zu sein: „Wir freuen uns auf die nächsten Wahlen“, sagt ein Bauer.

QOSHE - Wut-Bauern gegen SPD-Chef Kevin Kühnert: „Sie entmündigen uns!“ - Franz Becchi
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Wut-Bauern gegen SPD-Chef Kevin Kühnert: „Sie entmündigen uns!“

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26.01.2024

In der Hauptstadt herrscht mal wieder Ausnahmezustand. Zu den noch immer streikenden Lokführern mischen sich am Freitag auch wieder die Bauern. Es ist um die Mittagszeit, eine Gruppe von protestierenden Landwirten steigt in die U-Bahn, um die Parteizentrale der SPD im Willy-Brandt-Haus zu erreichen. Sie tragen grüne Westen und Gummistiefel, blasen in Trillerpfeifen und wollen auf sich aufmerksam machen. „Wir machen weiter, solange es das Volk nicht versteht!“, sagt ein Bauer und sorgt mit einer Ratsche aus Holz für Lärm.

Wenn die deutsche Landwirtschaft nicht mehr produktionsfähig sein wird, dann würden Lebensmittel für alle wesentlich teurer werden, sagt er. Neben ihm steht Christian Unger, er hält ein Schild weit nach oben: „Politik mit Weitblick? Fehlanzeige!“, ist darauf zu lesen. „Die Politik richtet sich nicht nur gegen die Bauern, sondern gegen den kompletten Mittelstand“, sagt Unger.

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