Nicht weniger als eine „neue Doktrin in der Außenpolitik“ verkündete der argentinische Präsident Javier Milei am Freitag in Buenos Aires. Anlass war der Besuch der Chefin des Southcom (Südkommando der amerikanischen Streitkräfte), Laura Richardson.

An ihrer Seite erklärte Milei: „In dieser vernetzten Welt, in der die Grenzen verschwimmen, was direkte Auswirkungen auf unsere Souveränität hat, ist es fundamental, strategische Allianzen zu schmieden.“ Diese dürften „nicht nur auf Wirtschaftsinteressen, sondern müssen auf einem gemeinsamen Weltbild basieren“, erklärte der Staatschef weiter.

Richardson war vergangene Woche nach Argentinien gereist, um die noch junge Milei-Regierung weiter an die USA zu binden – und so aus dem Einflussbereich Chinas zu ziehen. Mit beachtlichem Erfolg. Das betonte auch der offizielle Sprecher des argentinischen Präsidenten, Manuel Adorni. So sei die Allianz mit den Vereinigten Staaten in den ersten Monaten im Amt „eine Botschaft Argentiniens an die Welt“. „Nach Jahrzehnten der scheinheiligen Pakte hat Argentinien beschlossen, sich wieder in das Konzert der Nationen einzugliedern und eine Führungsrolle zu übernehmen.“

Bereits am Donnerstag hatte Milei in der südargentinischen Stadt Ushuaia an der Seite Richardsons erklärt, einen gemeinsamen Marinestützpunkt auf der Insel Feuerland aufbauen zu wollen. Der Stützpunkt vor der Antarktis mache „Argentinien und die Vereinigten Staaten zum Eingangstor zum weißen Kontinent“, sagte Milei weiter. Sein Sprecher Adorni ergänzte: „Das ist Teil unserer Einbindung in die westliche und entwickelte Welt.“ Ziel sei es, „unsere Souveränität angesichts der Invasion ausländischer Schiffe zu verteidigen, die seit Jahren ungehindert unsere Meere plündern“.

06.04.2024

05.04.2024

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Milei betonte, die Regierungen der Vergangenheit hätten „viel über Souveränität gesprochen, aber nichts dafür getan“. Und weiter: „Souveränität wird nicht mit Worten verteidigt. Sie wird in gegenseitiger Unterstützung mit Ländern verteidigt, die die Werte des Westens teilen.“ Das gelinge am besten mit der „Unterstützung der Vereinigten Staaten und aller Länder, die die Sache der Freiheit verteidigen“. Ushuaia, die südlichste Stadt des Landes, gilt als Tor zur Antarktis, über das die Schifffahrt um den südlichen Zipfel Südamerikas kontrolliert werden kann.

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Dass sich Milei international auf die Seite des Westens schlägt, hat er immer klargemacht. Nach seinem Amtsantritt am 10. Dezember 2023 führten ihn seine ersten Auslandsreisen in die USA und nach Israel. In einem CNN-Interview bekräftigte er kürzlich: „Meine Priorität ist es, ein Verbündeter der USA zu sein“ – unabhängig davon, ob in Washington die Demokraten oder die Republikaner regierten.

Mileis Amtsantritt stellt insofern nicht weniger als eine 180-Grad-Wende in der Außenpolitik der zweitgrößten Volkswirtschaft Südamerikas dar. Sein Vorgänger Alberto Fernández hatte diese an Russland und vor allem an China ausgerichtet. Höhepunkt des Kurses hätte die Aufnahme des Landes in den Brics-Staatenbund am 1. Januar 2024 sein sollen. Einmal an der Macht, zog Milei den Beitrittswunsch jedoch zurück.

Besonders auf wirtschaftlicher Ebene sind die in den vergangenen Jahren aufgebauten guten Beziehungen zu China allerdings nicht so einfach zu kappen. Mittlerweile ist die Volksrepublik der zweitwichtigste Handelspartner Argentiniens nach Brasilien. Allgemein, beklagte Southcom-Chefin Richardson Mitte März vor dem Abgeordnetenhaus in Washington, habe China die Vereinigten Staaten als wichtigsten Handelspartner Südamerikas abgelöst.

Um ihren Einfluss in der Region zu sichern, erhöhen die USA daher in letzter Zeit die Anstrengungen. In der neuen argentinischen Regierung haben sie einen willigen Verbündeten gefunden. In der Vergangenheit hatte Washington wiederholt davor gewarnt, dass China sich durch die Finanzierung von Arbeiten an einem Mehrzweckhafen auf der Insel Feuerland Einfluss sichern könnte.

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Richardson erklärte, die Volksrepublik versuche, „sich die Rechte für den Bau von maritimen Einrichtungen mit doppeltem Verwendungszweck zu sichern“. Das gäbe Peking die Macht, sich nahe der Magellanstraße auszubreiten und so Zugang zur Antarktis zu erlangen. Die „strategische Mobilität der USA“ hingegen, deren Zweck allein im Frieden und in der Wissenschaft liege, würde so beeinträchtigt.

Beweise haben die USA dafür nie vorgelegt. Einziger Anhaltspunkt für derlei Behauptungen ist ein Memorandum, das der Gouverneur der Provinz Feuerland, Gustavo Melella, 2022 mit der staatlichen chinesischen Shaanxi Chemical Industry Group über eine mögliche Investition zum Bau einer petrochemischen Anlage unterzeichnete.

In dem Zusammenhang wurde auch der Bau eines Mehrzweckhafenterminals im weiter nördlich gelegenen Río Grande erwähnt. Allerdings kam das Memorandum nie zum Tragen, nachdem Melella, der der mittlerweile oppositionellen Frente de Todos angehört, argumentierte, die Schaffung einer Hafeninfrastruktur dürfe „nicht in die Hände eines fremden Landes gelegt werden“.

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Die Allianz mit den USA begründet Milei mit einer „natürlichen Affinität“ des argentinischen Volkes zu den Nordamerikanern. Am Donnerstag warnte er jedoch, die Werte, auf denen beide Nationen aufgebaut seien, befänden sich in Gefahr. Deshalb müsse eine „strategische Allianz mit denjenigen, die dieselbe Sicht auf die Welt haben“, ausgebaut werden. Er hoffe, so Milei weiter, „dass diese ersten Schritte der Beginn einer besonderen Beziehung zwischen den beiden Nationen sind“.

Als zweites wichtiges Gesprächsthema hatte Richardson eine chinesische Raumstation im Gepäck. Eine solche unterhält die Volksrepublik in der an Chile grenzenden Provinz Neuquén; ihr Bau war 2014 von der damaligen Regierung unter Cristina Fernández de Kirchner genehmigt worden. Deren Nachfolger Mauricio Macri, heute ein Verbündeter Mileis, handelte einen Zusatzvertrag aus, laut dem die Basis nur zu zivilen und wissenschaftlichen Zwecken genutzt werden darf. Das Kooperationsabkommen gilt bis 2064.

Trotz der Klausel schlugen amerikanische Offizielle wegen der Station Alarm. So erklärte der Botschafter Washingtons in Argentinien, Marc Stanley, kurz vor dem Besuch von Richardson in der Tageszeitung La Nación: „Es überrascht mich, dass Argentinien den chinesischen Streitkräften erlaubt, in Neuquén zu operieren.“ Seinem Kenntnisstand nach handle es sich um Soldaten der chinesischen Armee, „die dieses Weltraumteleskop bedienen. Ich weiß nicht, was sie tun, und ich glaube, die Argentinier wissen es auch nicht.“

Die Southcom-Chefin hatte schon zuvor gewarnt, die Weltraumstation in Argentinien könne einen Beitrag dazu leisten, dass die chinesische Volksbefreiungsarmee ihre globale Weltraumverfolgung und -überwachung weiter ausbaue. „Diese könnten militärisch genutzt werden, um die Überwachung, Verfolgung und Zielauswahl unserer Streitkräfte zu unterstützen und sich auf konventionelle und nukleare Ziele, Boden-Luft-See-Operationen, konventionelle Präzisionsschläge und die Raketenabwehr auswirken“, erklärte Richardson in einer Präsentation vor dem Abgeordnetenhaus in Washington am 12. März.

In einer Antwort der chinesischen Botschaft auf die Anschuldigungen Stanleys heißt es, die Station habe rein „zivilen Charakter“ und arbeite „offen und transparent“. Demnach hätten „Wissenschaftler aus Argentinien und China Zugang zur Nutzung der Station für wissenschaftliche Forschung“. Zudem hätten das argentinische Außenministerium sowie die Weltraumbehörde Conae erst im Jahr 2019 einen Besuch diplomatischer Vertreter, darunter auch solcher aus den Vereinigten Staaten, organisiert.

Nichtsdestotrotz kündigte die Milei-Regierung nach Informationen des Onlineportals Infobae nur wenige Stunden vor Richardsons Ankunft an, eine „technische Inspektion“ der Weltraumstation zu beantragen. Eine namentlich nicht genannte Quelle aus dem argentinischen Präsidentenpalast habe weiter erklärt, man wolle „analysieren, ob mit der Basis in Neuquén irgendetwas nicht in Ordnung ist“.

Die Southcom-Chefin Richardson ist nicht die Erste, die persönlich nach Argentinien kommt, um die Milei-Regierung enger an Washington zu binden. In den vergangenen Wochen gaben sich hochrangige amerikanische Offizielle in Buenos Aires buchstäblich die Klinke in die Hand. So besuchte erst kürzlich CIA-Chef William Burns das südamerikanische Land.

Ende Februar war Außenminister Antony Blinken bei einem Staatsbesuch voll des Lobes für Mileis Wirtschaftsmaßnahmen gewesen. Dabei betonte Blinken, die USA sondierten Investitionsmöglichkeiten in kritische Rohstoffe, insbesondere Lithium: „Wir sehen hier in Argentinien außergewöhnliche Möglichkeiten“, sagte der amerikanische Außenminister.

In anderen Bereichen konnten die USA bereits Nägel mit Köpfen machen. Anfang März unterzeichnete die Allgemeine Hafenbehörde Argentiniens (AGP) eine Absichtserklärung, die ein Engagement des Ingenieursstabs der amerikanischen Armee auf der Wasserstraße Paraguay-Paraná ermöglicht. Offiziell geht es bei dem Abkommen in erster Linie um „technische Assistenz“, so beispielsweise „in den Bereichen Hafen- und Wasserstraßenmanagement, Aufrechterhaltung der Schifffahrt und des ökologischen Gleichgewichts sowie Entwicklung der Infrastruktur“.

Allerdings ist die Wasserstraße, die auf einer Länge von fast 3500 Kilometern entlang der Flüsse Paraguay und Paraná verläuft, von immenser wirtschaftlicher und strategischer Bedeutung für die gesamte Region. Sie ermöglicht eine durchgehende Schifffahrt zwischen den Häfen von Argentinien, Brasilien, Bolivien, Paraguay und Uruguay. Über sie wird der überwiegende Teil der argentinischen Agrarexporte transportiert. Zuletzt stieg auch die Menge an Kokain, das über die Flüsse in Richtung Europa verschifft wird.

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Von der Opposition hagelte es angesichts der Zusagen der argentinischen Regierung Kritik. Mileis Vorgänger Alberto Fernández bezichtigte den Präsidenten auf X der „Unterwürfigkeit“, die „erniedrigend“ sei. Weiter schrieb Fernández: „Ich fürchte, der argentinische Präsident hat weder das Ende des Kalten Krieges noch die geopolitischen Verhältnisse der heutigen Welt zur Kenntnis genommen.“

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Abkehr von China: Argentinien bildet neue „strategische Allianz“ mit den USA

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