In den 1980er-Jahren klangen Pop-Metaphern so plausibel wie diese: Während die einen noch umständlich über Flügel reden, so sangen leicht beschwingt und ein wenig überorchestriert The Waterboys, beginnen andere bereits zu fliegen. So oder ähnlich lautete eine Zeile aus „The Whole Of The Moon“, mit dem die Waterboys hitverdächtig auf der Szene erschienen und quer durch alle Stilrichtungen die Gier nach neuen Sounds befriedigten. Den Kern der 1981 gegründeten Band bildeten der Sänger und Gitarrist Mike Scott und der Saxofonist Anthony Thistlewaite, 1983 stieß der Keyboarder Karl Wallinger hinzu, der mit seinem Gespür für Tasten und viele andere Instrumente dem Song eine drängende Grundstruktur verlieh.

The Waterboys waren eine späte Wave-Band, der der Waliser Karl Wallinger eine unverkennbare Rückbindung an schottischen und irischen Folk verlieh – die Zeit war reif für eine Erweiterung des stark vom weißen Blues beeinflussten Swinging London der 60er-Jahre. Karl Wallinger war 1957 in Prestatyn geboren worden, einem Seebad im nördlichen Wales. Als Kind seiner Zeit war er stark von den Beatles, aber auch vom mehrstimmigen Harmoniegesang der Beach Boys und der Songschreiberei Bob Dylans beeinflusst.

Ehe Wallinger zu den Waterboys stieß, hatte er bereits Erfahrungen in verschiedenen Formationen gesammelt und seine Begabung für größere Arrangements als musikalischer Leiter der „Rocky Horror Show“ erprobt, die durch die Filmfassung zum Kultevent, aber auch zu einer handfesten Belastungsprobe für Dutzende lokale Kinos in aller Welt wurde.

Die einfache Mitgliedschaft in einer Popband konnte Wallingers musikalischen Gestaltungswillen nicht lange befriedigen. 1986 gründete er das Projekt World Party, an dem er mit ständig wechselnden Besetzungen arbeitete und dessen drittes Album „Bang!“ dem heiter-apokalyptischen Zeitgeist der friedensbewegten Ära entsprach.

09.03.2024

•gestern

•vor 2 Std.

•vor 7 Std.

gestern

Karl Wallinger schrieb die Musik für einige Filme, etwa Ben Stillers „Reality Bites“ mit Winona Ryder und Ethan Hawke in den Hauptrollen. Seine zweifellos erfolgreichste Hitkomposition war der Song „She’s The One“ in der Cover-Version von Robbie Williams aus dem Jahr 1999.

Zum Tod der Sängerin Melanie: Unermüdliche Leidenschaft für ein Lied

25.01.2024

Als Josephine Baker das Berliner Nachtleben eroberte: Neue Ausstellung „Icon In Motion“

25.01.2024

Eher experimentellen Charakter hatte das von Peter Gabriel initiierte Kompilationsalbum „Big Blue Ball“, für das Wallinger über mehrere Jahre Songs schrieb und Arrangements erarbeitete. Das Album, an dem auch Sinéad O’Connor mitgewirkt hatte, war stark von afrikanischen und arabischen Einflüssen geprägt. Obwohl es bereits zu Beginn der 90er-Jahre aufgenommen worden war, wurde es erst 2008 fertiggestellt.

Von einem erlittenen Aneurysma im Jahr 2000 konnte sich Karl Wallinger nie vollständig erholen. Nun ist der Multiinstrumentalist im Alter von 66 Jahren gestorben.

QOSHE - Einfach losfliegen – zum Tod des walisischen Pop-Avantgardisten Karl Wallinger - Harry Nutt
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

Einfach losfliegen – zum Tod des walisischen Pop-Avantgardisten Karl Wallinger

7 1
12.03.2024

In den 1980er-Jahren klangen Pop-Metaphern so plausibel wie diese: Während die einen noch umständlich über Flügel reden, so sangen leicht beschwingt und ein wenig überorchestriert The Waterboys, beginnen andere bereits zu fliegen. So oder ähnlich lautete eine Zeile aus „The Whole Of The Moon“, mit dem die Waterboys hitverdächtig auf der Szene erschienen und quer durch alle Stilrichtungen die Gier nach neuen Sounds befriedigten. Den Kern der 1981 gegründeten Band bildeten der Sänger und Gitarrist Mike Scott und der Saxofonist Anthony Thistlewaite, 1983 stieß der Keyboarder Karl Wallinger hinzu, der mit seinem Gespür für Tasten und viele andere Instrumente dem Song eine drängende Grundstruktur verlieh.

The Waterboys waren eine späte Wave-Band, der der Waliser........

© Berliner Zeitung


Get it on Google Play