Nofretete – im Altägyptischen heißt das: „Die Schöne ist gekommen“ – blickt aus ihrem Hochsicherheits-Glaskasten im Neuen Museum auf der Berliner Museumsinsel. Eine vollkommene Schönheit, trotz der leicht lädierten Ohren, der fehlenden linken Pupille, der abgesprungenen Mineralfarbe an der Helmkrone mit der Uräusschlange.

Die Königin mit den kajalkonturierten Augen aus der Amarna-Zeit hat zig weltliche Dramen überstanden. Historiker, Forscher, Kunstexperten, Romanciers singen ihr ein Hohelied. Der ihretwegen zu Ruhm gelangte Ausgräber Ludwig Borchardt, 1898 zum Wissenschaftlichen Attaché am Kaiserlichen Generalkonsulat in Kairo berufen, soll 1912 angesichts der im Wüstensand des Tales von Amarna gefundenen Büste überwältigt ausgerufen haben soll: „Beschreiben nützt nichts, ansehen!“

Vor 100 Jahren, am 1. April 1924, wurde Nofretete zum absoluten Museumsliebling der Berliner. Angesehen haben die legendäre Gemahlin des Pharaos Echnaton schon Millionen von Besuchern der Ägyptischen Sammlung aus aller Welt. Dieses irgendwann zwischen 1353 und 1336 vor Christus (18. Dynastie) in Tell el-Amarna vom Obersten Hofbildhauer Thutmosis mit Hingabe aus Kalkstein geschaffene Bild der Vollkommenheit war seither Objekt des Rätselns, der Theorien, der Spekulationen. Die Grabungsexpedition der Deutschen Orient-Gesellschaft unter Leitung von Borchardt wurde seinerzeit vom Berliner Sammler und Mäzen James Simon finanziert.

1913 durfte die Büste per Schiff zu ihm nach Deutschland reisen. Die deutschen Forscher hatten dafür an Ägypten, damals britisches Protektorat, gezahlt. Der Kontrakt sah von Anfang an die übliche, hälftige Fundteilung als Gegenleistung für die Finanzierung vor. Daraufhin gab es die Ausfuhrgenehmigung. Zunächst stand die Pharaonin in Simons Villa in der Tiergartenstraße. 1920 schenkte er das heute mit keinem Geld der Welt aufzuwiegende Bildnis den königlich-preußischen Kunstsammlungen.

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29.03.2024

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Es war kein Aprilscherz, als Nofretete am 1. April vor 100 Jahren erstmals im Neuen Museum fürs Volk zugänglich war. Nach nur einem Tag war sie schon der absolute Star, laut überlieferten Schriften keine Adlige, sondern eine Bürgerliche. Sie soll 19 gewesen sein, als man sie mit dem 14-jährigen Echnaton vermählte. Sie gebar ihm sechs Töchter, aber keinen Sohn. Die Forschung fand heraus, dass ihre Rolle an der Seite des Pharaos erstaunlich emanzipiert war, gleichrangig gar. Ihr Nachruhm beschreibt sie als Reformatorin. Sie und Echnaton hätten, laut alter Keilschriften, den Vielgötterglauben abgeschafft für nur einen Gott: Aton, das Licht der Sonne. Aton bedeutete Monotheismus und steht für die Amarna-Zeit, ein Zeitalter des Realismus.

Den Zweiten Weltkrieg überstand die Königin verpackt in einem Kasten, 1941 erst im Flakbunker am Zoo, dann in einem Stollen des Salzbergwerks Merkers. Anfang April 1945 wurde sie von amerikanischen Soldaten geborgen, im Tresor der Reichsbank in Frankfurt am Main gelagert. Im Juni 1956 kam die Büste zurück nach West-Berlin.

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Nach etlichen Museumsstationen, über den Fall der Berliner Mauer hinweg, steht sie seit Oktober 2009 als Hausheilige im aus einer Kriegsruine wiedererstanden Neuen Museum. Zu Rückgabeforderungen und -debatten sagt Hermann Parzinger, der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz: „Seit Jahren befinden wir uns mit Ägypten in gutem Austausch, sind an Grabungen vor Ort beteiligt, arbeiten für Ausstellungen zusammen. Entgegen regelmäßiger anderslautender Berichte gibt es keine Rückgabeforderung der ägyptischen Regierung für die Büste der Nofretete – und auch keine neuen Dokumente, die die Rechtmäßigkeit ihres Verbleibs in Berlin in Zweifel ziehen würden.“

Im Propyläen Verlag Berlin erschien jüngst „Die Königin. Nofretetes globale Karriere“ von Sebastian Conrad (29 Euro).

QOSHE - Nofretete: Seit 100 Jahren ein Weltstar im gläsernen Kasten - Ingeborg Ruthe
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Nofretete: Seit 100 Jahren ein Weltstar im gläsernen Kasten

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31.03.2024

Nofretete – im Altägyptischen heißt das: „Die Schöne ist gekommen“ – blickt aus ihrem Hochsicherheits-Glaskasten im Neuen Museum auf der Berliner Museumsinsel. Eine vollkommene Schönheit, trotz der leicht lädierten Ohren, der fehlenden linken Pupille, der abgesprungenen Mineralfarbe an der Helmkrone mit der Uräusschlange.

Die Königin mit den kajalkonturierten Augen aus der Amarna-Zeit hat zig weltliche Dramen überstanden. Historiker, Forscher, Kunstexperten, Romanciers singen ihr ein Hohelied. Der ihretwegen zu Ruhm gelangte Ausgräber Ludwig Borchardt, 1898 zum Wissenschaftlichen Attaché am Kaiserlichen Generalkonsulat in Kairo berufen, soll 1912 angesichts der im Wüstensand des Tales von Amarna gefundenen Büste überwältigt ausgerufen haben soll: „Beschreiben nützt nichts, ansehen!“

Vor 100 Jahren, am 1. April 1924, wurde Nofretete zum absoluten Museumsliebling der Berliner. Angesehen haben die legendäre Gemahlin des Pharaos Echnaton schon Millionen von Besuchern der Ägyptischen........

© Berliner Zeitung


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