Die Klima-Kleber kleben nicht mehr. Das ist gut so. Zwei Jahre lang haben sie versucht, diese Stadt und das Land lahmzulegen. Sie wollten die Bürger wachrütteln und sensibilisieren für den Klimawandel, sie wollten die Politik zum Umsteuern bringen, eine klimafreundliche Politik erzwingen.

Sie sind gescheitert. Die Politik hat sich nicht wesentlich geändert, und wenn, dann sicher nicht wegen ihnen. Nun hat diese in der Breite ziemlich unbeliebte Protestgruppe bekannt gegeben, dass sie diese Form der Blockaden aufgibt.

Das ist der richtige Schritt, es war ein Irrweg. Dabei müssen selbst Kritiker zugeben, dass sie sich nicht anbiedern wollen: Die Klima-Kleber wollten nie gemocht werden. Sie wollen die Bürger irritieren; sie klebten sich auf die Straßen, damit sie niemand wegziehen kann, damit sie „unignorierbar protestieren können“.

„Kapitel beendet“: Letzte Generation will keine Straßen mehr blockieren

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27.01.2024

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Von ihren Anhängern werden sie dafür gefeiert, weil sie nur die gewaltfreien Mittel des zivilen Ungehorsams nutzen und weil sie für große Ziele kämpfen, selbst wenn sie persönliche Nachteile hätten oder ins Gefängnis müssten. Von Kritikern wird ihnen vorgehalten, dass sie sich wie eine besserwisserische Avantgarde aufführen, dass sie wie eine selbstgerechte Sekte agieren, der trotz Demokratie völlig egal ist, was die Mehrheit denkt.

Das Ende der Blockaden nimmt hoffentlich Druck vom politischen Kessel. In Zeiten der Polarisierung ist es wenig hilfreich, wenn sich nicht nur das rechtsextreme Spektrum radikalisiert, sondern auch das linke.

Vielleicht schreiben die Grünen – zumindest im Osten – nun der Letzten Generation heimliche Dankesschreiben. Denn im Superwahljahr stehen in drei Ostländern Wahlen an, in denen die AfD die Umfragen anführt und die Grünen maximal auf acht Prozent kommen. Zwar haben die Grünen in der Ampel am wenigsten verloren, da sie bundesweit von ihrer großstädtischen Basis profitieren, aber in der ostdeutschen Provinz stoßen Aktionen wie die der Letzten Generation auf Unverständnis – auch zulasten der Grünen.

Das Problem der Klima-Kleber ist: Sie hatten nie die Massen auf ihrer Seite, taten aber so, als sprächen sie für eine schweigende Mehrheit, auf die sich inzwischen alle berufen. Wochenlang riefen sie im Herbst zu einer „Massenblockade“ nach Berlin. Es kamen nur 700 Leute.

Aber auch beim Klimaschutz muss es darum gehen, die Leute zu überzeugen und nicht zu überreden, zu nötigen oder zu erpressen. Das ist nicht nachhaltig. Das bringt bestenfalls scheinheilige Bekundungen, die schnell wieder vergessen sind, wenn sich der Wind dreht.

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26.01.2024

So wie jetzt. Die Fridays-for-Future-Bewegung hatte vor den antisemitischen Misstönen viel Sympathie. Dann kamen die Aktionen der Letzten Generation. Manche kleine Umweltgruppe ist nicht gut zu sprechen auf die Klima-Kleber. Denn die sorgten für eine starke Polarisierung. Manche gingen nun erst recht in den aktiven Umweltschutz, viele wendeten sich ab. Ein anderes Beispiel: In Brandenburg verhandelt eine Regierung mit grüner Beteiligung seit langem über einen Klimaplan, konnte sich aber nicht einigen. Derzeit scheint es wichtiger, die tagesaktuellen Bauernproteste mit Zugeständnissen zu befrieden, als irgendwann die Welt zu retten. Dass ein solches Lieblingsthema der Grünen scheitert, sorgt aber kaum für Aufregung. Das Volk hat andere Sorgen. Viele hören inzwischen einfach weg, wenn das Wort Klimawandel fällt. Eine Mitschuld trägt der inhaltsleere Hyperaktionismus der Klima-Kleber.

Irgendwann machte der Witz die Runde, dass deren Gerichtskosten doch sicher heimlich von der Autoindustrie bezahlt würden, weil bislang niemand die allgemeinen Klimaaktivitäten so effektiv in Misskredit gebracht habe. Witze sagen oft viel aus über die Stimmung im Land.

Die Klima-Kleber kleben nicht mehr. Das ist gut, denn bislang hat der Overkill des Aktionismus die Inhalte verdrängt. Nun können die Zeitungen den Platz wieder nutzen, um über den Klimawandel zu schreiben statt über Straßenkleber.

Aber die Letzte Generation hört nicht auf. Sie will das Volk zwar nicht mehr auf dem Weg zur Arbeit behindern, ruft aber zu „ungehorsamen Versammlungen“ auf. Offenbar sollen auch Ölpipelines besetzt werden, Flughäfen und Kohlegruben. Das klingt wie eine weitere Radikalisierung. Sie selbst sprechen von einer „neuen Ära unseres friedlichen, zivilen Widerstands“. Sonst würden sie sich selbst diskreditieren.

QOSHE - Die Klima-Kleber geben auf, aber das ist nicht das Ende der Letzten Generation - Jens Blankennagel
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Die Klima-Kleber geben auf, aber das ist nicht das Ende der Letzten Generation

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30.01.2024

Die Klima-Kleber kleben nicht mehr. Das ist gut so. Zwei Jahre lang haben sie versucht, diese Stadt und das Land lahmzulegen. Sie wollten die Bürger wachrütteln und sensibilisieren für den Klimawandel, sie wollten die Politik zum Umsteuern bringen, eine klimafreundliche Politik erzwingen.

Sie sind gescheitert. Die Politik hat sich nicht wesentlich geändert, und wenn, dann sicher nicht wegen ihnen. Nun hat diese in der Breite ziemlich unbeliebte Protestgruppe bekannt gegeben, dass sie diese Form der Blockaden aufgibt.

Das ist der richtige Schritt, es war ein Irrweg. Dabei müssen selbst Kritiker zugeben, dass sie sich nicht anbiedern wollen: Die Klima-Kleber wollten nie gemocht werden. Sie wollen die Bürger irritieren; sie klebten sich auf die Straßen, damit sie niemand wegziehen kann, damit sie „unignorierbar protestieren können“.

„Kapitel beendet“: Letzte Generation will keine Straßen mehr blockieren

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Von ihren Anhängern werden sie dafür gefeiert, weil sie nur die gewaltfreien Mittel des zivilen........

© Berliner Zeitung


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