Bei den Beschäftigten von Deutschlands letztem großen Warenhauskonzern nimmt die Nervosität zu. Zwar ist seit gut einer Woche klar, dass es einen Investor gibt und es für Galeria Karstadt Kaufhof weitergehen wird. Doch nicht alle 92 Häuser sollen erhalten bleiben. Laut Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus werden voraussichtlich etwa 20 Filialen geschlossen.

Welche Kaufhäuser das sein werden, hängt maßgeblich von der Höhe der Mieten ab, über die mit den Vermietern verhandelt wird. Ende April, also vielleicht schon in dieser Woche, will Denkhaus eine Liste der zu schließenden Filialen vorlegen.

Um die Mietbelastungen zu reduzieren, verhandelt Galeria-Chef Olivier Van den Bossche Medienberichten zufolge schon seit einiger Zeit mit Ikea über eine Kooperation in einzelnen Kaufhäusern. Wie die Bild-Zeitung berichtet, könnte der schwedische Möbelriese als Untermieter in Galeria-Filialen einziehen. Angeblich sollen entsprechende Pläne bereits fortgeschritten sein.

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In der Deutschlandzentrale von Ikea wollte man dies weder bestätigen noch dementieren. „Wir stehen mit unterschiedlichen Anbietern im Austausch und ziehen prinzipiell alle Standorte und Optionen in zentrumsnaher Lage in Betracht, die unseren Anforderungen entsprechen“, sagte eine Sprecherin des Unternehmens auf Nachfrage der Berliner Zeitung. Zugleich bat sie um Verständnis, dass man sich „zu vertraulichen Gesprächen nicht öffentlich“ äußere.

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Für Marco Atzberger, Handelsimmobilienexperte beim Forschungsinstitut des Einzelhandels (EHI) in Köln, wäre eine solche Kooperation, sollte es dazu kommen, aber durchaus sinnvoll. „Das wäre eine plausible Strategie“, sagt er im Gespräch mit der Berliner Zeitung, zumal Ikea auf der Suche nach Standorten in den Innenstädten sei. Galeria, so Atzberger, könnte überflüssige Verkaufsfläche abgeben und der Möbelhändler sein Sortiment somit direkt dort anbieten, wo seine Kundschaft wohnt. So hält es der Handelsforscher für vorstellbar, dass Ikea etwa die oberen Etagen eines Hauses bezieht, während sich das eigentliche Warenhaus auf die unteren Geschosse beschränkt. „Unten Kleider und Sandalen, oben Schränke und Schuhregale“, sagt Atzberger.

Ikea ist hierzulande die Nummer eins im Möbelgeschäft und betreibt 54 Einrichtungshäuser. Im vorigen Jahr zählte man dort 82 Millionen Kunden. Vor Corona waren es allerdings auch schon mal 15 Millionen Kunden mehr. Um wieder dorthin zu kommen, will Ikea stärker in den Innenstädten vertreten sein und dafür dort sogenannte Planungsstudios einrichten.

Erst in der vergangenen Woche stellte Ikeas Deutschland-Chef Walter Kadnar die Strategie dafür vor. Demnach sollen die kleineren Verkaufssatelliten zentral gelegen und bequem mit dem öffentlichen Nahverkehr erreichbar sein. Nicht alle Ikea-Kunden hätten ein eigenes Auto, sagte Kadnar. „Wir machen es den vielen Menschen noch leichter, uns zu begegnen. Und zwar ganz so, wie es zu ihrem Alltag passt.“

Solche Planungsstudios betreibt Ikea bereits in München und der Bodenseeregion. In Berlin gibt es sie in Pankow und Köpenick. Nach den guten Erfahrungen soll ab diesem Jahr ein Netz dieser kompakten City-Formate aufgebaut werden. Die ersten Standorte stehen mit Köln und Stuttgart bereits fest und eröffnen voraussichtlich noch in diesem Jahr. Und dabei soll es nicht bleiben. Kadnar stellt jedenfalls klar: „Wir wollen solche Planungsstudios in ganz Deutschland.“

Offenbar will sich Ikea bei seiner Eroberung der Innenstädte nicht auf kleine Planungsstudios beschränken, sondern mitunter auch mit einem breiten Sortiment vom Stadtrand in die Citys ziehen. Dafür böte die Notlage bei Galeria Karstadt Kaufhof tatsächlich eine gute Gelegenheit. Zumal dort die Reduzierung der Verkaufsfläche um etwa 20 Prozent bereits vor einem Jahr im Insolvenzplan der zweiten Insolvenz festgeschrieben wurde. Darüber hinaus ist Ikea in Sachen Übernahme größerer Handelsimmobilien nicht unerfahren. In Hamburg-Altona hatten die Schweden bereits 2010 eine über Jahre leer stehende Karstadt-Filiale umgebaut und bieten dort seitdem ihr komplettes Sortiment auf vier Etagen an. In Potsdam bezog Ikea vor vier Jahren eine ehemalige C&A-Filiale.

Ob es demnächst bei Galeria Karstadt Kaufhof weitergeht, wird sich zeigen. Aber auch unabhängig von Ikea gibt es noch viele Ungewissheiten. Einerseits müssen die Gläubiger der Übernahme der Warenhauskette durch die Investoren erst noch zustimmen. Zum anderen scheinen die neuen Eigentümer weniger investitionswillig zu sein als nötig. Nach Recherchen von Business Insider wolle Bernd Beetz höchstens zehn Millionen Euro in die Warenhauskette investieren, sein Co-Investor Richard Baker einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag beisteuern.

Das ist nicht wenig, aber kein Betrag, der zur erklärten Rettung des Kaufhauskonzerns („Wir wollen langfristig investieren, entwickeln und wachsen“) passt. Denn im genannten Insolvenzplan zur zweiten Insolvenz von Galeria Karstadt Kaufhof war die Investitionssumme von 300 Millionen Euro vereinbart worden. Davon sollten 200 Millionen Euro in diesem Frühjahr von Signa kommen. Gezahlt wurde die Summe nie. Diese Lücke klafft weiter.

QOSHE - Blusen, Blazer und Billy-Regale: Wird Ikea Untermieter von Galeria? - Jochen Knoblach
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Blusen, Blazer und Billy-Regale: Wird Ikea Untermieter von Galeria?

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