Emanuel Heisenberg sieht sich selbst als Exoten im Baugeschäft. Er sei nicht vom Fach, sagt er. Dennoch hat der studierte Wirtschaftshistoriker keine Scheu, es der Branche zu zeigen.

Denn während etwa die Lobbyvereinigung Haus & Grund der deutschen Hausbesitzer den Weg zur Klimaneutralität bereits aufgegeben hat, weil die dafür nötige energetische Sanierung von jährlich 400.000 Gebäuden in der Republik nicht machbar sei, ist Heisenberg von Kapitulation weit entfernt. Er plädiert für neue Wege. „Ohne Innovation wird die Wende tatsächlich nicht zu schaffen sein“, sagt er und weiß, wie es gehen könnte.

Der 46-Jährige ist Chef des Berliner Start-ups Ecoworks. Heisenberg hat es 2018 gegründet und Geldgeber gerade erst davon überzeugt, weitere 18 Millionen Euro in das Unternehmen zu investieren. World Fund, Europas führender Risikokapital-Investor im Bereich Klimaschutz, gehört dazu. Ecoworks verfüge über eine einmalige Technologie, die den Aufwand auf der Baustelle auf ein Minimum reduziere, heißt es dort. Das Potenzial zur CO₂-Einsparung sei immens. Bereits zuvor hatte Ecoworks insgesamt knapp 50 Millionen Euro eingesammelt.

Zwang zur Sanierung von Häusern: Ist die Gefahr wirklich gebannt?

08.12.2023

Wie die Idee eines Ost-Berliner Ingenieurs ein Kraftwerk stilllegen könnte

10.05.2022

•gestern

•gestern

31.12.2023

•gestern

gestern

Tatsächlich geht es um viel. Allein in Berlin ist der Immobilienbestand für gut die Hälfte des Energieverbrauchs der Stadt verantwortlich und verursacht 44 Prozent der Kohlendioxid-Emissionen. Bundesweit ist dem Gebäudesektor laut Umweltbundesamt etwa ein Sechstel des CO₂-Ausstoßes zuzuschreiben. 115 Millionen Tonnen Kohlendioxid wurden im Jahr 2022 durch die Gebäudebewirtschaftung erzeugt. Um davon wegzukommen, muss bekanntermaßen anders geheizt und weniger Energie vergeudet werden. Heisenbergs Firma arbeitet an beiden Fronten.

Das Unternehmen hat sich in einem ehemaligen Postgebäude in der Lübecker Straße in Moabit eingemietet. Hinter dicken Mauern aus rotem Backstein verhelfen Softwarespezialisten, Architekten und Bauprofis sanierungsbedürftigen Häusern zur Klimaneutralität. Gut hundert Mitarbeiter hat die Firma, die man sich gut als eine Art Modeatelier vorstellen kann. Denn in Moabit entwerfen die Leute von Ecoworks neue Kleider für alte Gebäude. Gewissermaßen maßgeschneiderte Thermo-Klamotten, mit denen weniger Energie benötigt wird, weil weniger Energie verloren geht. „Eine zweite Haut“, sagt Heisenberg. Auch die Wärmepumpen für die neue Heizung und deren Stromversorgung durch Solaranlagen auf dem Dach werden von den Ecoworkern projektiert. Dabei geht es ausschließlich um Mehrfamilienhäuser.

Dafür wird das zu sanierende Gebäude zunächst gescannt. Auf Basis der Daten wird eine neue Außenhülle entworfen, die Ecoworks samt Fenstern sowie Wasser- und Heizungssträngen anbaufertig produzieren lässt. Je einen Hersteller in Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern hat das Unternehmen dafür unter Vertrag. Laut Heisenberg wird dabei auf CO₂-intensiven Beton und auch auf Aluminium verzichtet. Die Teile bestünden nahezu ausschließlich aus Holz und Zellulose, könnten problemlos recycelt, meist sogar direkt wiederverwendet werden.

Vor allem aber verspricht das Berliner Unternehmen Zeitgewinn und einen geringen Personalaufwand. Während bei einer konventionellen Sanierung 95 Prozent der Arbeiten direkt auf der Baustelle geleistet werden, lässt Ecoworks diese zu 80 Prozent kostengünstig von Robotern in Fabriken erledigen. Die fertigen Teile werden dann vor Ort montiert. Drei bis vier Wochen seien dafür nötig, sagt Heisenberg. Eine herkömmliche Sanierung würde zwei- bis dreimal so lange dauern.

Verbraucherzentralen warnen vor hohen Preisbelastungen 2024

29.12.2023

Obwohl der Ecoworks-Chef Quereinsteiger ist, kann er im Bereich Gebäudesanierung bereits auf vier Patente verweisen. Er komme aus einer Wissenschaftlerfamilie, sagt er. Habe gelernt, Probleme zu lösen. Dass sein Großvater der Physik-Nobelpreisträger Werner Heisenberg war, sagt er nicht. Mit seinem Unternehmen versteht er sich als Dienstleister und Katalysator für eine Branche, die nicht als sonderlich innovativ gilt. Tatsächlich wird in der Bauwirtschaft gerade einmal ein Prozent des Umsatzes in Innovationen investiert. Fünf Prozent sind es dagegen in der hiesigen Industrie, zehn im Fahrzeugbau.

Dabei gibt es in Sachen Gebäudesanierung eigentlich allen Grund, neue Wege einzuschlagen, der Nachholbedarf ist groß. Erst im Sommer bescheinigte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung der Republik, dass der Gebäudesektor in Deutschland seine Reduktionsziele beim Ausstoß von Treibhausgasen bislang deutlich verfehlt hat. Es werde hierzulande seit vielen Jahren viel zu wenig in die energetische Gebäudesanierung investiert, sagen die Forscher. Zuletzt seien inflationsbereinigt sogar zehn bis 20 Prozent weniger in die Sanierung investiert worden als vor gut zehn Jahren, heißt es in der Studie. „Es fehlte in der Bauwirtschaft schlicht an Kapazitäten, und der Neubau war für die Unternehmen im Zweifel lukrativer“, sagt Studien-Co-Autorin Katrin Klarhöfer. Nun aber müsste sich die Sanierungsrate innerhalb kurzer Zeit vervielfachen, um die CO₂-Reduktionsziele zu erreichen.

Tatsächlich hat laut World Fund europaweit etwa jede zweite der 315 Millionen Wohnungen die Energieeffizienzklasse E oder schlechter. Insgesamt müssten sechs Billionen Euro in Europa bis 2030 in die Gebäudesanierung gesteckt werden. Daran wollen die Moabiter Gebäude-Einkleider per Plattenbau 4.0 mitwirken und teilhaben.

Aktuell saniert das Unternehmen nach eigenen Angaben bereits Häuser mit insgesamt 850 Wohnungen bundesweit. Künftig sollen es mehr als 10.000 Wohnungen im Jahr sein. Bis 2045 wollen sie mit ihrer Sanierungsmethode die Treibhausgasemissionen im Gebäudesektor um mehr als 1000 Millionen Tonnen reduziert haben. Schon für 2027 wird die Umsatzmarke von einer Milliarde Euro angepeilt. Im nächsten Jahr will das Unternehmen schwarze Zahlen schreiben.

Experten: Immobilienpreise sinken, schwere Zeiten für Mieter

28.12.2023

Heizungsgesetz im Bundestag beschlossen: Das müssen die Verbraucher jetzt wissen

08.09.2023

Heisenberg räumt ein, dass die Kosten noch etwas höher lägen als bei der konventionellen Sanierung. Bei größeren Objekten und Komplettsanierung sei Ecoworks aber schon heute wettbewerbsfähig. Zudem würden die Kosten mit zunehmender Auslastung der beiden Fassaden-Fabriken zügig sinken. Als Gegenleistung verspricht der Ecoworks-Chef Klimaschutz und seinen Kunden zudem geringere Energiekosten sowie Wertsteigerung ihrer Immobilie.

Laut Ecoworks soll die neue zweite Haut den Primärenergiebedarf eines sanierten Hauses um 85 bis 90 Prozent senken. Da das Unternehmen darüber hinaus aber auch die Energieversorgung neu konzipiert, Solaranlagen auf das Dach setzt und Wärmepumpen installiert, wird am Ende sogar mehr Energie erzeugt, als die Mieter selbst für Warmwasser, Heizung und Strom verbrauchen. Der Überschuss könne bis zu 20 Prozent betragen, verspricht Heisenberg. In diesem Jahr soll auch in Berlin das erste Wohnquartier mit mehreren Häusern nach der Ecoworks-Methode saniert werden – binnen weniger Wochen statt mehrerer Monate.

QOSHE - Energiewende: Ein Berliner Start-up liefert neue Klamotten für alte Häuser - Jochen Knoblach
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

Energiewende: Ein Berliner Start-up liefert neue Klamotten für alte Häuser

9 1
02.01.2024

Emanuel Heisenberg sieht sich selbst als Exoten im Baugeschäft. Er sei nicht vom Fach, sagt er. Dennoch hat der studierte Wirtschaftshistoriker keine Scheu, es der Branche zu zeigen.

Denn während etwa die Lobbyvereinigung Haus & Grund der deutschen Hausbesitzer den Weg zur Klimaneutralität bereits aufgegeben hat, weil die dafür nötige energetische Sanierung von jährlich 400.000 Gebäuden in der Republik nicht machbar sei, ist Heisenberg von Kapitulation weit entfernt. Er plädiert für neue Wege. „Ohne Innovation wird die Wende tatsächlich nicht zu schaffen sein“, sagt er und weiß, wie es gehen könnte.

Der 46-Jährige ist Chef des Berliner Start-ups Ecoworks. Heisenberg hat es 2018 gegründet und Geldgeber gerade erst davon überzeugt, weitere 18 Millionen Euro in das Unternehmen zu investieren. World Fund, Europas führender Risikokapital-Investor im Bereich Klimaschutz, gehört dazu. Ecoworks verfüge über eine einmalige Technologie, die den Aufwand auf der Baustelle auf ein Minimum reduziere, heißt es dort. Das Potenzial zur CO₂-Einsparung sei immens. Bereits zuvor hatte Ecoworks insgesamt knapp 50 Millionen Euro eingesammelt.

Zwang zur Sanierung von Häusern: Ist die Gefahr wirklich gebannt?

08.12.2023

Wie die Idee eines Ost-Berliner Ingenieurs ein Kraftwerk stilllegen könnte

10.05.2022

•gestern

•gestern

31.12.2023

•gestern

gestern

Tatsächlich geht es um viel. Allein in Berlin ist der Immobilienbestand für gut die Hälfte des Energieverbrauchs der Stadt verantwortlich und verursacht 44 Prozent der Kohlendioxid-Emissionen. Bundesweit ist dem Gebäudesektor laut Umweltbundesamt etwa ein Sechstel des CO₂-Ausstoßes zuzuschreiben. 115 Millionen Tonnen Kohlendioxid wurden im Jahr 2022 durch die Gebäudebewirtschaftung erzeugt. Um davon........

© Berliner Zeitung


Get it on Google Play