Es war einmal Russlands ambitioniertestes LNG-Vorhaben: in der Arktis Erdgas fördern, in Flüssigerdgas verwandeln und bis zu 20 Millionen Tonnen davon jährlich in die Welt exportieren.

Selbst die Bundesregierung prüfte noch vor drei Jahren eine Unterstützung des Projektes, hinter dem Novatek steckt, der nach Gazprom zweitgrößte Erdgasförderer Russlands. Doch dann griff Putin die Ukraine an, und die USA setzten im November 2023 auch den gleichnamigen Betreiber des Projektes, Arctic LNG 2, auf die Sanktionsliste.

Der stellvertretende amerikanische Energieminister, Geoffrey Pyatt, brachte die Entschlossenheit der Behörden zum Ausdruck, das Projekt zunichtezumachen. „Unser Ziel ist es, dieses Projekt zu begraben (Originalzitat: ‚Our objective ist to kill this projekt‘)“, sagte Pyatt im vergangenen Herbst.

Jetzt wird deutlich: Dieses Bestreben führte zu einer längeren Einstellung der Gasproduktion am Standort auf der Gydan-Halbinsel in Westsibirien. Die erste Produktionslinie der Anlage wurde zwar im Dezember 2023 in Betrieb genommen, und die erste Lieferung von Flüssigerdgas wurde kurz darauf erwartet. Allerdings konnte die geplante Produktionskapazität im ersten Quartal 2024 nicht erreicht werden, als weitere Sanktionen gegen die Partner des Projekts folgten. Am meisten betroffen ist die staatliche russische Reederei Sovcomflot, deren Schiffe russisches LNG in die Welt exportieren sollten.

Aufgrund des Sanktionsdrucks verlor Arctic LNG 2 auch potenzielle Käufer aus Europa und Asien und war nicht in der Lage, ausländische Schiffe für den Transport von Flüssigerdgas zu bekommen, vor allem sechs Tanker der Eisklasse Arc7 vom südkoreanischen Schiffbauunternehmen DSME (jetzt Hanwha Ocean). Die früheren Käufer bzw. Partner sprachen von höherer Gewalt – die Gasproduktion wurde eingestellt, bis der Verkäufer neue Transportmöglichkeiten und Kunden gefunden hat. Seitdem TotalEnergies und Japan Arctic LNG ihre Beteiligung am Projekt abgeschrieben haben, ist Arctic LNG 2 ein russisch-chinesisches Projekt.

•vor 7 Std.

gestern

•vor 4 Std.

Das Fehlen der Schiffe macht Novatek gerade besonders zu schaffen. Der südkoreanische Schiffbauer DSME sollte die sechs Eistanker nach dem Vertrag vom Oktober 2020 bauen; drei oder vier davon sollen nach Informationen der Berliner Zeitung bereits fertig oder fast fertig sein. Der Versuch von Novatek, sich die Schiffe über die Vereinigten Arabischen Emirate liefern zu lassen, erwies sich jedoch als erfolglos.

Energieexperten verweisen darauf, dass niemand außer Novatek diese Spezialtanker brauche, die nicht nur Erdgas auf minus 163 Grad Celsius abkühlen, sondern auch dickes Meereis durchdringen könnten. Gastankschiffe der Eisklasse Arc7 werden sonst kaum eingesetzt, denn große LNG-Projekte anderer Länder liegen nicht in der Arktis.

Arctic LNG-2: Warum sanktionieren die USA Russlands wichtiges Flüssigerdgas-Projekt?

06.11.2023

Diese Eisklasse der Tanker stellt deswegen ein Hindernis für deren Weiterverkauf unter Umgehung von Sanktionen dar. Selbst mit einem geschickt aufgebauten Netzwerk von Vermittlern wäre ein solcher Kauf zu auffällig und würde sicherlich die Aufmerksamkeit der Regulierungsbehörden der USA auf sich ziehen. Daher scheint ein ähnliches Schema wie beim Kauf von Siemens Energy-Turbinen für die Krim 2017 in diesem Fall wenig sinnvoll für Novatek zu sein, zudem war der unerlaubte Export später in Deutschland aufgefallen und die Beteiligten wurden angeklagt.

Weitere 21 strategische LNG-Tanker muss der russische Schiffbaukomplex Zvezda mit Sitz in St. Petersburg bauen, doch es könnten nach dem bisherigen Bautempo bis zum Ende des Jahres maximal nur zwei Schiffe fertig werden. Die Sanktionen der Vereinigten Staaten gegen den Betreiber Sovcomflot verhindern ebenfalls deren Einsatz. Das Hauptproblem von Zvezda ist nach Angaben des Forschungsdirektors am Moskauer Institut für Energie und Finanzen, Alexej Belogorjew, die Abhängigkeit von ausländischen, vor allem südkoreanischen Komponenten und Technologien, wie das russische Geschäftsportal RBC berichtet.

Belogoriev sieht die mögliche Hilfe chinesischer Partner skeptisch, da diese bei Gastankschiffen „technologischer rückständig“ seien. Selbst wenn die Chinesen keine Angst vor Sekundärsanktionen der USA hätten, werde der Bau von solchen Schiffen noch sehr lange dauern, heißt es. Daher besteht die realistischste Transportoption für Novatek lediglich darin, möglichst auf den Einsatz von Tankschiffen der Eisklasse zu verzichten. So könnte russisches LNG während der Sommerschifffahrtszeit, die maximal von Ende Juni bis Mitte November dauert, auf herkömmlichen Gastankschiffen transportiert werden, die für Novatek auch leichter in der benötigten Menge zu finden wären.

Explodiert der Gaspreis? Neue EU-Sanktionen könnten russisches LNG verbieten

gestern

Erhöhte Gaspreise: EU-Kommission droht mit Klage gegen Deutschland

•vor 7 Std.

Aktuell verschifft der private russische Konzern mit Sitz in Westsibirien und in Moskau jährlich Millionen Tonnen LNG nach Westeuropa, vor allem nach Frankreich. Seit dem Wegfall der meisten russischen Pipeline-Gaslieferungen entwickelte sich Russland somit zum zweitgrößten LNG-Lieferanten der EU nach den USA, und hiesige Abnehmer verdienen Geld, indem sie russisches Flüssigerdgas weiterverkaufen. Dieses LNG wird auf der Jamal-Halbinsel gefördert; das gleichnamige Projekt Yamal LNG wurde allerdings nicht von den USA sanktioniert, weshalb europäische Käufer wie die französische TotalEnergies dieses LNG weiterhin erfolgreich beschaffen. Aus Arctic LNG 2 plant TotalEnergies in diesem Jahr nach eigenen Angaben dagegen keine LNG-Abnahme: ein weiteres Zeichen, dass die Sanktionen der Vereinigten Staaten funktionieren.

Die EU hat bisher keine Sanktionen gegen russisches Pipeline- oder auch Flüssigerdgas verhängt. Schweden und baltische Länder drängen allerdings auf ein Verbot für russisches LNG im 14. Sanktionspaket der EU. Die EU-Energieaufsichtsbehörde Acer warnt jedoch vor einem zu schnellen Stopp der russischen LNG-Lieferungen: Diese könnten einen erneuten Energieschock in Europa auslösen, heißt es.

Haben Sie Feedback? Schreiben Sie uns gern! briefe@berliner-zeitung.de

QOSHE - „Das Projekt begraben“: Sanktionen der USA treffen Russlands LNG hart - Liudmila Kotlyarova
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

„Das Projekt begraben“: Sanktionen der USA treffen Russlands LNG hart

15 3
23.04.2024

Es war einmal Russlands ambitioniertestes LNG-Vorhaben: in der Arktis Erdgas fördern, in Flüssigerdgas verwandeln und bis zu 20 Millionen Tonnen davon jährlich in die Welt exportieren.

Selbst die Bundesregierung prüfte noch vor drei Jahren eine Unterstützung des Projektes, hinter dem Novatek steckt, der nach Gazprom zweitgrößte Erdgasförderer Russlands. Doch dann griff Putin die Ukraine an, und die USA setzten im November 2023 auch den gleichnamigen Betreiber des Projektes, Arctic LNG 2, auf die Sanktionsliste.

Der stellvertretende amerikanische Energieminister, Geoffrey Pyatt, brachte die Entschlossenheit der Behörden zum Ausdruck, das Projekt zunichtezumachen. „Unser Ziel ist es, dieses Projekt zu begraben (Originalzitat: ‚Our objective ist to kill this projekt‘)“, sagte Pyatt im vergangenen Herbst.

Jetzt wird deutlich: Dieses Bestreben führte zu einer längeren Einstellung der Gasproduktion am Standort auf der Gydan-Halbinsel in Westsibirien. Die erste Produktionslinie der Anlage wurde zwar im Dezember 2023 in Betrieb genommen, und die erste Lieferung von Flüssigerdgas wurde kurz darauf erwartet. Allerdings konnte die geplante Produktionskapazität im ersten Quartal 2024 nicht erreicht werden, als weitere Sanktionen gegen die Partner des Projekts folgten. Am meisten betroffen ist die staatliche russische Reederei Sovcomflot, deren Schiffe russisches LNG in die Welt exportieren sollten.

Aufgrund des Sanktionsdrucks verlor Arctic LNG 2 auch potenzielle Käufer aus Europa und Asien und war nicht in........

© Berliner Zeitung


Get it on Google Play