Kleider, eben nicht als Spiegel ihrer Zeit, sondern als Möglichkeit, alle Zeiten träumerisch zu überwinden – für Issey Miyake machte das den Reiz der Mode aus.

1938 in Hiroshima geboren, hatte der Japaner zahlreiche Familienmitglieder, darunter seine Mutter, an die Atombombe verloren; er selbst litt zeitlebens an einer aus der Katastrophe resultierenden Knochenmark-Krankheit. Im Modedesign, so wird er später sagen, hatte er jenen Optimismus gefunden, der ihn durch ein schweres Leben trug.

„Issey hat es geliebt, visuelle Geschichten zu erzählen“, sagt Midori Kitamura der Berliner Zeitung. Gemeinsam mit dem Taschen-Verlag hat die jetzige Vorsitzende der Marke Issey Miyake nun einen Bildband herausgebracht, „der das bis dato umfassendste Bild seines Lebens und Wirkens zeichnet“. Auf knapp 450 Seiten, in zahllosen Fotografien und Illustrationen, zudem in beeindruckenden Texten der japanischen Autorin Kazuko Koike fasst das Buch Miyakes Œuvre zusammen.

Neben etwa der Comme-Des-Garçons-Gründerin Rei Kawakubo oder Yohij Yamamoto gehörte Miyake zu einer neuen Generation an Designerinnen und Designern, die Japan ab den 1970ern zu einem Zentrum der internationalen Branche machten. Von ihnen ging, so heißt es heute, die bis dato letzte große Moderevolution aus – statt gefälliger Kollektionen wie in Mailand oder Paris präsentierte man in Japan witz- und geistreiche, mitunter auch groteske Entwürfe, verschrieben eher der Kunst als der Kommerzialität.

•vor 2 Std.

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Issey Miyake, der Grafikdesign an der Kunsthochschule Tama in Tokio studiert und nach Stationen bei Guy Laroche, Hubert de Givenchy oder Geoffrey Beene 1970 seine eigene Marke gegründet hatte, war der Techniker unter den genannten Genies: Legendär wurde etwa seine experimentelle Designerkollektion „A-POC“, ein nahtloser Stoffschlauch, aus dem sich Kundinnen und Kunden individuelle Kleidungsstücke selbst zurechtschneiden konnten; überdies widmete sich Miyake vor allem der Berechnung und Anfertigung akkurater Falten und Fältchen, vor allem der Plissés.

Dementsprechend wird der Taschen-Band „Issey Miyake“ gerade da stark, wo er das sonst so dröge Feld der Schnittkonstruktion visuell ansprechend und – ganz im Sinne des Meisters – farbstark nacherzählt, durch Abbildungen flach ausgelegter Kleidungsstücke vis-à-vis zu Modefotografien derselben Designs zum Beispiel.

Was seine Arbeit betrifft, so habe der im August 2022 verstorbene Issey Miyake „einen klaren Fahrplan für die Zukunft hinterlassen“, sagt Midori Kitamura, die Herausgeberin. „Wir tragen diese Karte immer in unserer Tasche, während wir voranschreiten, um seine Träume und seine Vision in die Zukunft zu tragen.“

Gelungen ist ihr das auch mit dem neuen Buch, das in seinen Texten, Modezeichnungen und Modefotografien vor allem eines ausstrahlt: Optimismus.

QOSHE - Blättern Sie sich glücklich: Neuer Bildband fasst Issey Miyakes Werk zusammen - Manuel Almeida Vergara
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Blättern Sie sich glücklich: Neuer Bildband fasst Issey Miyakes Werk zusammen

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23.04.2024

Kleider, eben nicht als Spiegel ihrer Zeit, sondern als Möglichkeit, alle Zeiten träumerisch zu überwinden – für Issey Miyake machte das den Reiz der Mode aus.

1938 in Hiroshima geboren, hatte der Japaner zahlreiche Familienmitglieder, darunter seine Mutter, an die Atombombe verloren; er selbst litt zeitlebens an einer aus der Katastrophe resultierenden Knochenmark-Krankheit. Im Modedesign, so wird er später sagen, hatte er jenen Optimismus gefunden, der ihn durch ein schweres Leben trug.

„Issey hat es geliebt, visuelle Geschichten zu erzählen“, sagt Midori Kitamura der Berliner Zeitung. Gemeinsam mit dem Taschen-Verlag hat die jetzige Vorsitzende der Marke Issey Miyake nun einen........

© Berliner Zeitung


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