Ist das eine Kapitalismuskritik? Oder geht es am Ende doch nur um Zahnpasta? Egal. Spielen, tanzen, lachen – das ist beim immersiven Theaterstück „The Red Club“ vom Künstlerkollektiv Karmanoia auf jeden Fall drin.

Der Salöön im Holzmarkt 25 ist mehr als Bar gestaltet und weniger als Theater. In der Mitte des Raums ist eine kleine Erhöhung um eine Säule konstruiert, ansonsten gibt es keine Bühne. Die Zuschauer werden Teil der Inszenierung, bei der manchmal Deutsch und manchmal Englisch gesprochen wird. Neun Aufführungen sind im März geplant, die laut Ankündigung Individualismus und Medienkonsum kritisieren. Die Premiere am 7. März ist verwirrend und lustig.

Kunst-Guerilla: Eine Panzersperre neben der Neuen Nationalgalerie

gestern

Ein surreales Wesen mit einem zerspringenden Ei als Hut „reinigt die Kontaktpunkte“ der Besucher, bevor sie den in rotes Licht getauchten Raum betreten. Ein anderes steppt mit klackernden Schuhen hin und her, fragt die Gäste nach der Farbe ihrer Zahnbürste und serviert „Pudding“. Die Schauspieler sprechen aber auch immer wieder über Alleinstellungsmerkmale und Exklusivität. Dann folgt ein Teil als Bühnenaufführung, „das Experiment“. Und am Ende tanzen die Besucher ausgelassen und lösen sich auf. Eine Stimme aus dem Off sagt ihnen, dass sie nun ins große Ganze übergehen, ohne an Raum oder Zeit gebunden zu sein.

„Wir sind so individualisiert, dass wir nicht mehr zusammenkommen“, sagt Tim Schneider, der Initiator von Red Club. „Das sieht man auch am Klimaaktivismus. Die Gruppen, die die Welt verändern wollen, verlieren sich in kleinteiligen Debatten“. Das Stück kritisiere den Umgang mit Medien und wie die Nutzer Trends hinterherlaufen. „Ob das mit dem Kapitalismus zusammenhängt, weiß ich gar nicht“, sagt Schneider. Was man aber machen könne, sei gemeinsam im eigenen Handlungsspielraum aktiv werden. Karmanoia tue das mit Kreativität. Einen Monat lang haben die Schauspieler geprobt – „viel zu kurz“, meint einer von ihnen.

06.03.2024

06.03.2024

•vor 6 Std.

•gestern

•heute

Für das „Experiment“, werden Stühle um eine Säule in der Mitte des Raumes aufgestellt. Alle helfen dabei, Kabel zu entwirren, die von der Decke hängen und setzen sich dann die daran befestigten Haarreifen auf den Kopf. Die sollen ihre Gedanken übertragen. „Wer hat sich gerade gefragt, worüber ich eigentlich rede?“, fragt ein Schauspieler als hätte er ein Signal empfangen. Yogamatten und auch Schönheitscremes kommen im Stück vor, aber meistens sorgt die Sucht nach dem Zähneputzen für Lacher im Publikum.

Eintritt frei: Das Babylon ehrt Thomas Plenert mit dem Festival „Kamera DDR“

06.03.2024

„Wir drehen einfach durch“, sagt Schneider. „Wir leben die Sinnfreiheit. Die hilft, sich auch mal locker zu machen.“ Anders als bei einem gewöhnlichen Theaterstück kommen die Besucher auch untereinander in Kontakt – weil sie sich bei der Begrüßungszeremonie anschauen, zu Smalltalk am Puddingtisch aufgefordert werden oder gemeinsam Stühle aufstellen. Vielleicht gibt „The Red Club“ den ein oder anderen Denkanstoß – genießen kann man die Performance aber am besten, wenn man lacht statt grübelt.

QOSHE - Immersives Theater am Holzmarkt in Berlin: „Einfach mal locker machen“ - Maria Häußler
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

Immersives Theater am Holzmarkt in Berlin: „Einfach mal locker machen“

6 0
08.03.2024

Ist das eine Kapitalismuskritik? Oder geht es am Ende doch nur um Zahnpasta? Egal. Spielen, tanzen, lachen – das ist beim immersiven Theaterstück „The Red Club“ vom Künstlerkollektiv Karmanoia auf jeden Fall drin.

Der Salöön im Holzmarkt 25 ist mehr als Bar gestaltet und weniger als Theater. In der Mitte des Raums ist eine kleine Erhöhung um eine Säule konstruiert, ansonsten gibt es keine Bühne. Die Zuschauer werden Teil der Inszenierung, bei der manchmal Deutsch und manchmal Englisch gesprochen wird. Neun Aufführungen sind im März geplant, die laut Ankündigung Individualismus und Medienkonsum kritisieren. Die Premiere am 7. März ist verwirrend und lustig.

Kunst-Guerilla: Eine Panzersperre neben der Neuen Nationalgalerie

gestern

Ein surreales Wesen mit einem zerspringenden Ei........

© Berliner Zeitung


Get it on Google Play