Viele Bahnen stehen an diesem Dienstag wieder still. Lokführer kämpfen für bessere Arbeitsbedingungen – diese sollen den Beruf attraktiver machen und damit letztendlich das Angebot stärken. Die Bahn scheiterte mit einer Klage, die den Streik kurz vor Beginn verhindern sollte. Neben der GDL streikte auch Verdi in den vergangenen Wochen für bessere Arbeitsbedingungen im Nahverkehr. Ein Zusammenschluss mit Fridays for Future sollte dem Streik von Bus- und Straßenbahnfahrern Nachdruck verleihen.

Die Bundesregierung hat die Ziele für den ÖPNV in der letzten Legislaturperiode hochgesteckt: Bis 2030 sollen sich die Fahrgastzahlen im Vergleich zum Jahr 2019 verdoppeln. Die Bundesregierung hält am „Masterplan Schienenverkehr“, den das Verkehrsministerium 2020 vorgestellt hat, fest. Neben der Einführung des Deutschlandtickets sei die Sanierung des Schienennetzes eine Strategie. Mit dem sogenannten Schienenpakt verpflichtet sich ein Bündnis aus Politik und Wirtschaft, die Umsetzung des Masterplans zu unterstützen.

Verdi und die Klima-Allianz Deutschland e.V. weisen in einer Pressekonferenz am Dienstag darauf hin, dass für die Realisierung dieses Ziels mehr Fahrer benötigt werden, die nur durch bessere Arbeitsbedingungen gewonnen und gehalten werden könnten. „Sanierung und Ausbau der Infrastruktur allein reichen nicht“, betonte Andreas Schackert, Bundesfachgruppenleiter Busse und Bahnen bei Verdi. Verdi und die Klima-Allianz haben die Strategie- und Managementberatung KCW mit einer Kurzstudie zum Personalbedarf im kommunalen ÖPNV bis 2030/35 beauftragt.

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Daraus geht hervor, dass allein um das Angebot zu halten, bis 2030 rund 63.000 Stellen neu besetzt werden müssten. Diese Zahl bezieht sich auf die Fahrerinnen und Fahrer. „Das Angebot wird sich massiv verschlechtern, wenn wir jetzt nicht handeln“, sagt Stefanie Langkamp von der Klima-Allianz. Die Probleme, Stellen zu besetzen, führt sie auf schlechte Arbeitsbedingungen zurück. Die Klima-Allianz Deutschland ist ein Bündnis für Klimaschutz mit etwa 150 Mitgliedsorganisationen aus verschiedenen Bereichen. Der Autor der Studie, Christoph Schafkamp, fügt hinzu, dass etwa 181.500 neue Fahrer bis 2035 den Beruf ergreifen müssten, um das doppelte Fahrgastaufkommen zu bewältigen. „Auch der Status quo ist bedroht“, sagt er.

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Neben den Zahlen zum Personal untersucht die Studie, wie sich die besseren Arbeitsbedingungen auf die Kosten auswirken. Dazu werden die Szenarien einer Vier-Tage-Woche bei gleichem Gehalt und mehr Urlaub herangezogen. Für eine Verdopplung der Fahrgastzahlen würde 68 Prozent mehr Personal benötigt. Bei gleich bleibenden Arbeitsbedingungen würde das zwischen 3,7 und 4,4 Milliarden Euro mehr kosten. Bei einer Vier-Tage-Woche zeigt die Tabelle Mehrkosten zwischen 4,8 und 6 Milliarden Euro. Mehr Urlaub erhöht die Mehrkosten laut der Studie im Gegensatz dazu eher geringfügig zwischen 3,8 und 4,5 Milliarden Euro.

„Bessere Arbeitsbedingungen verursachen aber nicht nur Kosten“, sagt Andreas Schackert von Verdi. „Durch geringere Krankenquoten und geringere Fluktuation finanzieren sie sich teilweise sogar selbst.“ Auch der Personalbedarf könne durch eine niedrigere Fluktuation bei verbesserten Arbeitsbedingungen sinken. Der Krankenstand sei hoch, im ÖPNV-Durchschnitt zwischen 14 und 18 Prozent, bei manchen Unternehmen über 20 Prozent.

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Wie können bessere Arbeitsbedingungen aussehen? Laut Verdi würden Überstundenabbau, kürzere Arbeitszeiten, Pausenzeitregelung und Änderungen beim Schichtdienst dazu beitragen. Die BVG hatte den Schwerpunkt ihres Streiks Ende Februar auf eine längere Wendezeit und eine Verlängerung der Ruhezeit zwischen zwei Schichten von elf auf zwölf Stunden gesetzt.

Ein Schaubild in der Studie verdeutlicht zudem, dass viele Fahrer kurz vor der Rente stehen. 50 Prozent der Beschäftigten gehen demnach bis 2035 in den Ruhestand, 30 Prozent bereits bis 2030. Schackert bezeichnet das als „Teil unserer Bevölkerungspyramide“ – der demografische Wandel betrifft schließlich auch andere Branchen. Natürlich gebe es Diskussionen darüber, dass der Bedarf durch Migration gedeckt werden könnte, so Schackert. Das würde aber nicht funktionieren, solange Arbeitsplätze beim ÖPNV innerhalb des deutschen Arbeitsmarktes nicht konkurrenzfähig seien. „Wenn sie (die Arbeitsmigranten, Anm. d. Red.) hier sind, werden sie verstehen, dass es überall bessere Arbeitsbedingungen gibt“, sagt Schackert.

Ein Paradigmenwechsel sei nötig. Schackert spricht im Gegensatz zum Schienenpakt von einem Modernisierungspakt, einem Personalpakt und der Entlastung der Kommunen. „Die Studie macht deutlich, dass es kein ‚Weiter so‘ im ÖPNV geben kann“, sagt Schackert. „So wenig wie wir auf den Fahrplan vertrauen können, können wir darauf vertrauen, dass der ÖPNV diesen Personalmangel allein decken kann.“

QOSHE - ÖPNV droht Kollaps: Hälfte der Fahrer geht bis 2035 in Rente - Maria Häußler
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ÖPNV droht Kollaps: Hälfte der Fahrer geht bis 2035 in Rente

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12.03.2024

Viele Bahnen stehen an diesem Dienstag wieder still. Lokführer kämpfen für bessere Arbeitsbedingungen – diese sollen den Beruf attraktiver machen und damit letztendlich das Angebot stärken. Die Bahn scheiterte mit einer Klage, die den Streik kurz vor Beginn verhindern sollte. Neben der GDL streikte auch Verdi in den vergangenen Wochen für bessere Arbeitsbedingungen im Nahverkehr. Ein Zusammenschluss mit Fridays for Future sollte dem Streik von Bus- und Straßenbahnfahrern Nachdruck verleihen.

Die Bundesregierung hat die Ziele für den ÖPNV in der letzten Legislaturperiode hochgesteckt: Bis 2030 sollen sich die Fahrgastzahlen im Vergleich zum Jahr 2019 verdoppeln. Die Bundesregierung hält am „Masterplan Schienenverkehr“, den das Verkehrsministerium 2020 vorgestellt hat, fest. Neben der Einführung des Deutschlandtickets sei die Sanierung des Schienennetzes eine Strategie. Mit dem sogenannten Schienenpakt verpflichtet sich ein Bündnis aus Politik und Wirtschaft, die Umsetzung des Masterplans zu unterstützen.

Verdi und die Klima-Allianz Deutschland e.V. weisen in einer Pressekonferenz am Dienstag darauf hin, dass für die Realisierung dieses Ziels mehr Fahrer benötigt werden, die nur durch bessere Arbeitsbedingungen gewonnen und gehalten werden könnten. „Sanierung und Ausbau der........

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