Wie schön wäre es, die AfD wäre einfach weg oder wenigstens deren Köpfe verschwänden irgendwie. Wäre nicht das Verbieten dieser Partei, der Entzug der Grundrechte (für AfD-Führer Björn Höcke) und die Ausweisung von störenden Ausländern wie Martin Sellner die Lösung?

Darf dieser schwarzhaarige, dunkeläugige Österreicher, der in Deutschland die rassistisch-völkisch-antisemitische Neue Rechte für die Ausvolkung (oder Remigration) von nicht hinlänglich deutsch ausgewiesenen Elementen organisiert, hierzulande politisch tätig sein?

Können wir ihn nicht einfach als unerwünschten Ausländer abschieben, ihm Einreiseverbot erteilen? In der SPD zum Beispiel liebäugeln viele mit dem Verschieben des Rechtsextremismus-Problems in die polizeilichen und gerichtlichen Kulissen. Das erscheint einfacher als der anstrengende Versuch, beharrlich gegen die Ursachen anzuarbeiten, die eben auch im Verhalten etablierten Parteien zu suchen sind.

Abgesehen davon haben die Versuche, Sellners Landsmann und völkischen Vordenker Adolf H. vor genau 100 Jahren auszuweisen, auch nicht geholfen. Die NSDAP wurde damals verboten. Mehrfach war die Abschiebung des querulatorischen Österreichers vorgesehen. Alles scheiterte.

Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei wuchs aus der Asche des Ersten Weltkrieges in den revolutionären Wirren der Nachkriegszeit, der Inflation, der allgemeinen Unzufriedenheit, der Schwäche der „Altparteien“ und gewann durch das Phänomen Adolf Hitler und das auf ihn zurückgehende programmatische Verschmelzen von Nationalismus und Sozialismus ihre systemsprengende Kraft.

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04.02.2024

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04.02.2024

Verboten wurde die völkische Partei Hitlers, die Alternative zur Weimarer Demokratie, 1922 auf Grundlage des Republikschutzgesetzes in Baden, Thüringen, Preußen, Mecklenburg-Schwerin. Dennoch wurde sie stärker. Dem gescheiterten Hitler-Putsch vom 8./9. November folgte am 23. November 1923 ein reichsweites Verbot der NSDAP. Das Parteivermögen wurde konfisziert, die Parteizeitung Völkischer Beobachter verboten. Unverdrossen gründete sich die Partei am 27. Februar 1925 neu. Die harten Genossinnen und Genossen der „Kampfzeit“ hatten einfach weitergemacht.

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Parallel dazu liefen immer wieder Versuche, ihren Führer Adolf Hitler auszuweisen. Der war bereits im Januar 1922 wegen Landfriedensbruchs und Körperverletzung zu drei Monaten Gefängnis verurteilt worden; nachdem die SA im September 1921 eine Versammlung des Bayernbundes im Münchner Löwenbräukeller gesprengt hatte.

Am 10. März 1922 klagte der Abgeordnete Ernst Niekisch (USPD), Hitler, eines der „beunruhigendsten Elemente“ in Bayern, sei immer noch nicht ausgewiesen. Innenminister Franz Schweyer (Bayerische Volkspartei) erklärte, man erwäge die Ausweisung, doch habe Hitler noch seine Gefängnisstrafe abzusitzen, dann werde man weitersehen.

Die Aufforderung von Ministerpräsident Hugo Graf von Lerchenfeld, seine Hetze einzustellen und das Gastrecht nicht zu missbrauchen, missachtete Hitler mit Riesen-Aplomb. Am 10. April nannte er sich im Völkischen Beobachter einen „wirklichen Deutschen“, hob seinen bayernnahen Geburtsort Braunau und seinen Kriegsdienst in der Bayerischen Armee hervor und verwies auf ein „größeres Deutschland des Blutes und der Würde“, das ihm künftig ein Staatsbürgerrecht zuweisen werde, das dann nicht aus den Händen „jüdischer Staatskommissare“ komme.

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Im Juni/Juli 1922 saß Hitler einen Monat im Zuchthaus Stadelheim ein, der Rest war auf Bewährung ausgesetzt. In Freiheit machte er weiter wie zuvor. Ende Oktober 1922 lud ihn die Polizei vor und drohte ihm die Ausweisung aus Bayern an, falls er seine Leute nicht im Zaume halte. Hitler versprach es, doch tat das Gegenteil: Zum Deutschen Tag in Coburg am 14. und 15. Oktober 1922 reiste er mit 650 SA-Männern im Sonderzug an. In Formation marschierten sie in die Stadt ein, scherten sich einen Dreck um die Anordnung des Oberbürgermeisters, das zu unterlassen. Es folgten wilde Straßenschlachten. Am Ende sei „nichts Rotes mehr auf den Straßen zu sehen“ gewesen, schreibt Hitler in seinem Buch „Mein Kampf“.

Drei Wochen später, am 4. November, ließ er eine Massenschlägerei im Münchner Hofbräuhaus losbrechen: Seine SA (Sturmabteilung) prügelte linke Arbeiter aus dem Saal. Später feierte er die Aktion in „Mein Kampf“ als „Auffrischung alter Kampferlebnisse“, nannte sie die „Feuertaufe der SA“ und schrieb: „Wir prügeln uns groß.“ Die Münchner Öffentlichkeit ließ sich von so viel Gewaltbereitschaft merklich einschüchtern.

Der Partei schadeten weder die Gewaltorgien noch der Druck auf den Anführer – im Gegenteil: Sie registrierte deutlichen Mitgliederzuwachs, es entstanden immer neue Ortsgruppen. Die Masse der mittlerweile 20.000 Nazis kam aus dem Mittelstand: Handwerker (20 Prozent), Kaufleute (13,6 Prozent), Angestellte (11,1 Prozent), Landwirte (10,4). Ungelernte Arbeiter machten 9,5 Prozent aus, Facharbeiter 8,5 Prozent. In München schrieben sich auffällig viele Akademiker, Künstler und Studenten als Parteigenossen ein und hefteten sich das Hakenkreuzsymbol an.

Während sich der gescheiterte Kunstmaler vom kleinen Gefreiten zum Bierkellerdemagogen und in Massenveranstaltungen bejubelten Redner und Parteiführer entwickelte, wohnte er in München in einem kleinen, spartanisch eingerichteten Zimmer, das ihm das Wohnungsamt zugewiesen hatte, zur Untermiete. Seine Wirtin lobte ihn als pünktlichen Zahler und ordentlichen Mann. Damenbesuch habe er selten empfangen.

Woher stammte das Geld für seinen Lebensunterhalt? Er selbst sagte: von Vorträgen. Wahrscheinlich gab es Sponsoren von der völkischen Rechten und es gab ältere Damen, die ihn anhimmelten. Sie luden ihn zum Essen ein, sorgten sich um seine Stärkung für die Heilige Sache. Auch die junge Winnifred Wagner, Schwiegertochter Richard Wagners, schwärmte für ihn, ebenso Elsa Bruckmann, geb. Prinzessin Cantacuzène, eine bedeutende Salonnière in der bayerischen Hauptstadt.

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In „Mein Kampf“ schilderte Hitler seine Vorgehensweise in jenen Aufstiegsjahren: „Ganz gleich, ob sie über uns lachen oder schimpfen, ob sie uns als Hanswurste oder Verbrecher hinstellen; die Hauptsache ist, dass sie uns erwähnen, dass sie sich immer wieder mit uns beschäftigen.“ Da muss man sagen: Die AfD-Kommunikatoren haben den Hitler intus.

Die Ausweisungsdebatte war nach der Haftentlassung keineswegs erloschen. Im Frühjahr 1923 starteten die USPD-Frauenrechtlerinnen Anita Augspurg und Lida Heymann sowie die BVP-Abgeordnete Ellen Ammann einen neuen Vorstoß und beantragten beim Innenminister die Ausweisung des ausländischen Rechtsradikalen und Verfassungsfeindes.

Das hinderte diesen nicht, im Herbst den Sprung an die Macht zu wagen: In der Nacht des Hitlerputsches vom 8. zum 9. November 1923 erlebte München Stunden mit SA-Terror-Toten. Der erste Versuch der Machtergreifung scheiterte schnell. Vom 11. Februar 1923 an saß Hitler in Untersuchungshaft.

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Das Münchner Volksgericht verurteilte ihn am 1. April 1924 „wegen eines Verbrechens des Hochverrats“ zur Mindeststrafe von fünf Jahren Festungshaft; nach Verbüßung von sechs Monaten wurde Aussetzung auf Bewährung in Aussicht gestellt. Hitler und seine Mitstreiter hatten einen Richter gefunden, der volles Verständnis für die deutsche Sache zeigte.

Laut Reichsgesetz zum Schutz der Republik hätte eine Verurteilung wegen Hochverrats zwingend zur Ausweisung des Ausländers führen müssen, doch hatte man in Bayern den Vollzug am 29. September 1923 vorläufig eingestellt. Polizei und Ermittlungsbehörden war die Mitwirkung an solchen Ausweisungen verboten. Deshalb hatte der Erste Staatsanwalt im Hitler-Prozess keinen Ausweisungsantrag gestellt, jedoch vom Gericht entsprechende Überlegungen verlangt. Die Richter lehnten ab, da Hitler deutsch denke, deutsch fühle, freiwillig als Soldat gekämpft habe, verwundet worden sei – der Paragraf sei in diesem Falle nicht anwendbar. Bravorufe im Publikum.

Im Urteil wurde das Gericht noch genauer: Die Angeklagten seien „von rein vaterländischem Geist und edelstem selbstlosem Willen“ geleitet gewesen. Die Londoner Times hingegen schrieb: München lache über das Urteil, „es wird als ausgezeichneter Aprilscherz gewertet“. Die Weltbühne schrieb, „in München ist Justizmord an der Republik“ begangen worden.

Am 20. Dezember 1924 verließ Hitler das Gefängnis schon wieder. Nun versuchten der bayerische Ministerpräsident Eugen von Knilling und die Polizei die Abschiebung auf dem Verwaltungswege – bei unerwünschter politischer Agitation war das auch ohne Gerichtsurteil fremdenpolizeilich möglich. Doch Wien antwortete auf eine just am Entlassungstag gestellte Anfrage, einer Übernahme stehe entgegen, dass Hitlers österreichische Staatsbürgerschaft zweifelhaft sei. Bundeskanzler Ignaz Seipel wollte den Agitator nicht im Land haben und behauptete, Hitler sei durch seinen Wehrdienst Deutscher geworden. München konnte zwar belegen, dass Österreich stets alle im deutschen Heer kämpfenden österreichischen Staatsbürger als solche anerkannt habe. Doch es half nichts.

Hitler selbst setzte diesem diplomatischen Scharmützel ein Ende, indem er 1925 die Entlassung aus der österreichischen Staatsbürgerschaft erbat, was am 30. April 1925 erfolgte. Jetzt war es noch schwerer, den nunmehr Staatenlosen abzuschieben. Ein Aufnahmeland fehlte. Zugleich wuchs der Wunsch, die Angelegenheit ruhen zu lassen.

Der österreichische Generalkonsul in München, Otto Günther, berichtete, man betrachte Hitler inzwischen als ungefährlich, und die Regierung sitze fest im Sattel: „Hitler auszuweisen“ und eine gewaltsame Rückführung zu riskieren, hieße, „ihn zum Märtyrer zu stempeln“. Zudem könne man seine Bewährung streichen, falls er wieder unangenehm auffalle. Damit endeten am 24. Dezember 1924 die deutschen Versuche, Adolf Hitler loszuwerden.

Zu jener Zeit hatte sich die Situation im Land beruhigt. Die Einführung der Rentenmark am 15. November 1923 hatte die Wirtschaft und Republik fürs Erste stabilisiert. Hitler zog aus seinem gescheiterten Putsch den Schluss: „Mit Gewalt geht es nicht mehr. Der Staat ist schon zu gefestigt.“ Am 16. Februar 1925 wurde das NSDAP-Verbot aufgehoben, Hitler hatte zugesagt, sie werde nur noch mit legalen Mitteln arbeiten. Mit einem Leitartikel im Völkischen Beobachter gründete er die Partei am 26. Februar neu.

Die deutsche Staatsbürgerschaft erlangte Adolf Hitler am 25. Februar 1932 im Freistaat Braunschweig durch einen Trick. Der Weg zur Wahl in höchste Ämter war frei.

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Martin Sellner ausweisen? Wie alle Versuche scheiterten, Adolf Hitler zu vertreiben

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06.02.2024

Wie schön wäre es, die AfD wäre einfach weg oder wenigstens deren Köpfe verschwänden irgendwie. Wäre nicht das Verbieten dieser Partei, der Entzug der Grundrechte (für AfD-Führer Björn Höcke) und die Ausweisung von störenden Ausländern wie Martin Sellner die Lösung?

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Können wir ihn nicht einfach als unerwünschten Ausländer abschieben, ihm Einreiseverbot erteilen? In der SPD zum Beispiel liebäugeln viele mit dem Verschieben des Rechtsextremismus-Problems in die polizeilichen und gerichtlichen Kulissen. Das erscheint einfacher als der anstrengende Versuch, beharrlich gegen die Ursachen anzuarbeiten, die eben auch im Verhalten etablierten Parteien zu suchen sind.

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07.01.2024

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Am 10. März 1922 klagte der Abgeordnete Ernst Niekisch (USPD),........

© Berliner Zeitung


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