Ja, Bahnstreiks nerven. Auch der jüngste Streik der Lokomotivführergewerkschaft GDL. Und ja, die Angst vor Streiks in der Weihnachtszeit ist verständlich. Wer will sich von Claus Weselsky, dem GDL-Chef, schon das Fest vermasseln lassen?

Andererseits: Wenn die Bahn nicht fährt, weil Weselsky für tausende Lokführer bessere Löhne verhandeln will, ist das wenigstens ein guter Grund. Immerhin fehlen der Bahn tausende Lokführer. Je besser die Arbeitsbedingungen, desto eher findet die Bahn Ersatz. Außerdem sind die letzten Lohnerhöhungen von der Inflation aufgefressen worden. Die Löhne der Lokführer stiegen im Dezember 2021 um 1,5 Prozent und im März 2023 um 1,8 Prozent – weit unterhalb der Inflationsrate!

„Die Beschäftigten der Bahn haben die Messer schon gewetzt und wollen die Auseinandersetzung. Die Bahn-Basis kocht“, sagte Weselsky Anfang des Monats der Augsburger Allgemeinen.

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An den meisten Tagen im Jahr lässt die Bahn die Kunden im Stich, weil der Konzern seit Jahren schlecht geführt wird. Seit zehn Jahren wird zu wenig investiert, Strecken zu langsam saniert, zu wenig Nachwuchs ausgebildet und zu wenig Personal angestellt.

Die Folge: Dauerfrust und rote Zahlen. Nur zwei von drei Zügen waren letztes Jahr pünktlich. Die Züge, die ganz ausgefallen sind, sind sogar schon herausgerechnet. Die Bahn rechnet dieses Jahr mit einer Milliarde Verlust, die Schuldenberge sind auf rund 30 Milliarden Euro gewachsen und im großen Stil investieren kann die Bahn die nächsten Jahre nur, weil Bund Milliarden zuschießt. Der Bundesrechnungshof hat die Bahn in seinem jüngsten Prüfbericht „als Sanierungsfall“ und „Fass ohne Boden“ gerügt.

15.11.2023

•vor 8 Std.

•vor 8 Std.

Im Januar feiert die Deutsche Bahn ihr 30-jähriges Jubiläum als Aktiengesellschaft (AG). Ein guter Anlass für die Regierung, um sich ehrlich zu machen und das Experiment „DB AG“ als gescheitert zu erklären. Da sich die Bahn weder rechnet noch verlässlich ist, funktioniert sie als privatwirtschaftlich organisiertes Unternehmen nicht – ganz offensichtlich. Zumindest nicht mit dem bisherigen Chefpersonal.

Die Lösung liegt auf der Hand: Die AG abwickeln, das Chefpersonal entlassen und die Bahn als klassischen Staatsbetrieb wieder beim Verkehrsministerium ansiedeln. Bevor die Schnappatmung einsetzt: Schon heute hält der Bund alle Bankaktien. Vier Gründe sprechen dafür.

Erstens ist eine verlässliche Bahn im öffentlichen Interesse von uns allen. Sie ist sogar das Rückgrat der Verkehrswende, wenn in Zukunft Pendler das Auto stehen und Firmen ihre Waren über die Schiene statt über die Autobahn transportieren lassen sollen.

Zweitens würden die Angestellten der Bahn wieder verbeamtet werden können – wie vor der Privatisierung 1994 als Aktiengesellschaft. Höhere Pensionen, private Krankensversicherung, mehr Netto vom Brutto - mit den Vorteilen lässt sich auch der Personalmangel einfacher beseitigen als mit Spardruck und Befristungen. Noch heute arbeiten bei der Bahn übrigens tausende Beamte, darunter auch Lokführer. Diejenigen, die schon vor der Privatisierung angefangen haben. 2040 werden die letzten in Pension gehen.

Die beste Nachricht für genervte Bahnpendler: Bahnstreiks gäbe es dann nicht mehr. Denn Beamte dürfen nicht streiken!

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Drittens ließen sich die teuren Managergehälter einsparen. Während die Lokführer große Reallohnverlust hinnehmen mussten, verdoppelte der Vorstand seine Gehälter. Bahnchef Lutz verdiente letztes Jahr schlappe bei 2,24 Millionen Euro – 970.000 Euro Grundgehalt und 1,26 Millionen Euro Bonus. Das ist mehr als doppelt so viel wie sein Gehalt 2021. Personalchef Seiler, der den chronischen Personalmangel bei der Bahn zu verantworten hat und derzeit mit Weselsky über die Löhne der Lokführer verhandelt, verdiente letztes Jahr 1,39 Millionen Euro. Fette Boni trotz Mangelleistung? Damit wäre endlich Schluss!

Verstaatlichung ist zwar ein eingestaubtes Wort. Aber im Fall der Bahn spricht nun mal viel dafür. Oder nicht?

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Bahnstreiks der GDL: Ökonom schlägt radikale Lösung vor

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18.11.2023

Ja, Bahnstreiks nerven. Auch der jüngste Streik der Lokomotivführergewerkschaft GDL. Und ja, die Angst vor Streiks in der Weihnachtszeit ist verständlich. Wer will sich von Claus Weselsky, dem GDL-Chef, schon das Fest vermasseln lassen?

Andererseits: Wenn die Bahn nicht fährt, weil Weselsky für tausende Lokführer bessere Löhne verhandeln will, ist das wenigstens ein guter Grund. Immerhin fehlen der Bahn tausende Lokführer. Je besser die Arbeitsbedingungen, desto eher findet die Bahn Ersatz. Außerdem sind die letzten Lohnerhöhungen von der Inflation aufgefressen worden. Die Löhne der Lokführer stiegen im Dezember 2021 um 1,5 Prozent und im März 2023 um 1,8 Prozent – weit unterhalb der Inflationsrate!

„Die Beschäftigten der Bahn haben die Messer schon gewetzt und wollen die Auseinandersetzung. Die Bahn-Basis kocht“, sagte Weselsky Anfang des Monats der Augsburger Allgemeinen.

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15.11.2023

Müssen die Deutschen mehr arbeiten? Lieber Bullshitjobs streichen........

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